Der 14. März ist ein „Super-Wahlsonntag“ in Holzmaden: Sowohl die Landtagswahl als auch die Bürgermeisterwahl stehen für die Anwohner der Urweltgemeinde auf dem Programm. Und nicht nur das: Normalerweise würde es an diesem Tag noch eine große Feier geben: Auf den Tag genau vor 50 Jahren wurde der Gemeinderaum der Holzmadener Stephanuskirche eingeweiht. „Das wollten wir natürlich gerne feiern, jetzt ist alles anders gekommen“, sagt Pfarrer Andreas Taut von der evangelischen Kirchengemeinde Holzmaden. Natürlich war es die Corona-Krise, die den Gemeindemitgliedern einen Strich durch die Rechnung gemacht hat. Stattdessen wird nun das Gemeindehaus am Sonntag zum Wahllokal.
Aus dieser Situation wurde innerhalb der christlichen Gemeinschaft von Holzmaden eine neue Idee geboren, und die heißt ebenso einfach wie aktuell: Jesus wählen. Die Initiative ging Anfang des Jahres vom Theologie-Studenten Frieder Gerber aus, der innerhalb weniger Wochen das Konzept entwickelte und dem Kirchengemeinderat vorstellte. Mitgemacht haben auch katholische Christen, Pfarrer Peter Martin von Sankt Franziskus in Weilheim und Mitglieder von Freikirchen, die in Holzmaden wohnen. Am morgigen Freitagabend wird das Ergebnis, eine 64-seitige Broschüre, in die Holzmadener Briefkästen geworfen. Auf Youtube gibt es ein Video dazu.
Das „Wahlprogramm“ liest sich attraktiv, verspricht es doch „Reichtum für alle“. Was das genau bedeutet, beschreiben 55 Chris- tinnen und Christen in einem persönlichen Text. „Sie sollten einfach erzählen, was Jesus für sie bedeutet“, sagt Andreas Taut. Die individuellen Erfahrungen können sehr unterschiedlich ausfallen, allen gemein ist aber: Sie haben nichts mit Geld zu tun. Vom Jesus als „wertvollem Lebensberater“ über die „tägliche Kraftquelle“ bis zum Helfer bei Vergebung. Manchem hat er die Angst vor dem Tod genommen oder ihn vom Leistungsdruck befreit. „Wo komme ich her, wo gehe ich hin, was ist der Sinn unseres Lebens? Diese Fragen blenden wir oftmals aus“, sagt Pfarrer Taut.
Kontakte sind erwünscht
Fast alle „Mitmacher“ haben ihre Fotos sowie Adressen oder Kontaktdaten abdrucken lassen, einer lädt zu einer „Tasse Kaffee“ ein. „Das ist ein Angebot an alle Leserinnen und Leser, Kontakt aufzunehmen.“ Warum ihn diese Idee überzeugt hat: „Das Heft fordert uns heraus, von unserem Glauben Zeugnis zu geben. Das erfordert heutzutage eine große Portion Mut“, sagt er. „In Wahlprogrammen von Kandidaten für politische Ämter wird häufig die Kirchenmitgliedschaft verschwiegen, der christliche Glaube spielt anscheinend keine Rolle mehr.“
Auch Corona spielt eine Rolle: „Die Krise fordert uns heraus, alternative Angebote zu machen“, sagt Pfarrer Taut. Zwar gebe es nach wie vor Gottesdienste in der Stephanuskirche, aber da kommen mit 30 bis 50 Besuchern deutlich weniger als vor der Corona-Krise. „Viele sind verunsichert“, glaubt er. Mit-Initiator Frieder Gerber ergänzt: „Wir wollen als Christen ein Zeichen setzen: Wir lassen uns von Corona nicht der Lebensfreude berauben, sondern im Glauben an Christus verstehen wir uns unglaublich reich beschenkt.“ Dass die „Frommen politisch werden“, sei aber nicht der Fall. „Uns geht es nicht um Politik, sondern wir wollen - ohne zu belehren - zeigen, dass es noch andere Wahlen und Entscheidungen im Leben gibt, die es gilt zu bedenken.“