Weilheim und Umgebung
Die Brennstoffzelle soll aus Weilheim kommen

Gewerbegebiet Die Stadt Weilheim will Flächen für Unternehmen zur Verfügung stellen – auch für Cellcentric. Das Joint Venture von Daimler und Volvo will in Zukunft für klimaneutralen Lastverkehr sorgen. Von Andreas Volz

Daimler und Volvo wollen gemeinsam ein Brennstoffzellenwerk in Weilheim ansiedeln. Bei den Zukunftsthemen Klimaschutz und Transformation der Wirtschaft, haben sich beide Konzerne zusammengeschlossen, um mittels Brennstoffzelle die Klimaziele der kommenden Jahre zu erreichen und den CO2-Ausstoß im Schwerlastverkehr deutlich zu reduzieren. Vor etwas mehr als sieben Monaten, am 1. März, haben die Daimler Truck AG und die Volvo Group AB ihr 50:50-Joint-Venture „Cellcentric“ gegründet. Das neue Unternehmen kann sich auf 30 Jahre Erfahrung in der Entwicklung der Brennstoffzellentechnik stützen – unter anderem am Standort Nabern, wo die Zentrale von Cellcentric angesiedelt ist. Ziel ist es, in den nächsten 30 Jahren zu einem klimaneutralen und nachhaltigen Transport zu gelangen.

Um dieses Ziel zu erreichen, muss in Bälde die Produktion beginnen: „Wir wollen zum 1. Januar 2026 an den Start gehen“, sagt Professor Dr. Christian Mohrdieck, Geschäftsführer von Cellcentric. Außer dem genauen Zeitpunkt hat er auch den Raum im Blick: „Der Standort Rosenloh in Weilheim würde sich ideal eignen, es ist unser präferierter Standort.“

Grüne Modellfabrik im Rosenloh

In Weilheim sollen die Lkw-Brennstoffzellen aber nicht einfach nur irgendwie in Serienproduktion gehen. Wenn der Lastverkehr frei von CO2-Emissionen wird, dann sollen vergleichbare Bedingungen auch für das Werk selbst gelten: „Wir planen eine Modellfabrik, eine grüne Fabrik. Alle Energie, die wir dort verbrauchen, soll grün erzeugt werden. Und auch das Gebäude selbst wird möglichst CO2-arm errichtet.“

Alle Komponenten, aus denen die Aggregate zusammengebaut werden, seien reine Stoffe, wie sie auch jetzt schon in der Automobilfertigung im Einsatz sind. „Da gibt es keine gefährlichen Stoffe und auch nichts, was als wertvoller oder seltener Rohstoff importiert werden müsste.“ Das Werk in Weilheim soll ähnliche Vorteile bieten wie die Brennstoffzelle selbst, die als einziges „Abfallprodukt“ Wasser absondert. Zur geplanten Produktion sagt Christian Mohrdieck: „Das gibt keine Chemiefabrik und auch kein lautes Werk.“

Der Standort Rosenloh liegt nördlich der L 1200. Zwischen Holzmadener Straße und Zeller Straße sollen sich die Flächen, die derzeit landwirtschaftlich genutzt werden, in ein Gewerbegebiet verwandeln. Die Gesamtfläche beträgt etwa 30 Hektar. Auf zwei Dritteln davon könnte sich Cellcentric niederlassen. Die übrige Fläche ist für die Entwicklung ortsansässigen Gewerbes gedacht.

Letzteres ist eins von drei Teilprojekten, die Weilheims Bürgermeister Johannes Züfle mit dem Rosenloh angehen will: „Bei einer repräsentativen Umfrage unter 1 354 Teilnehmern haben sich im vergangenen Jahr 71,4 Prozent dafür ausgesprochen, dass Weilheim ausreichend Gewerbeflächen vorhalten soll, auch für Neuansiedlungen. 23,2 Prozent wollten nur noch für ortsansässige Betriebe Flächen ausweisen – und lediglich 5,4 Prozent sprachen sich gegen weitere Gewerbeflächen aus.“

Sollte sich Cellcentric nun in Weilheim ansiedeln – mit Produktion, Forschung und Entwicklung sowie mit der Verwaltung –. würden nicht nur 800 Arbeitsplätze in Weilheim entstehen. Die Stadt würde sich dadurch auch an der Transformation der Wirtschaft beteiligen. Viele Mitarbeiter von Cellcentric wohnen ohnehin bereits in Weilheim und Umgebung, meint Christian Mohrdieck. Außerdem könnten in der Produktion Arbeitskräfte der Motorenfertigung aus Untertürkheim eingesetzt werden – von denen ebenfalls viele in der Teck-Region leben.

Das dritte Teilprojekt, das Johannes Züfle anspricht, ist eine neue Teilumfahrung: Von der Zeller Straße aus würde eine neue Straße nördlich am Rosenloh vorbeiführen – bis zum Kreisverkehr an der Holzmadener Straße. Das würde den stark frequentierten Einmündungsbereich der L 1200 in die Zeller Straße entlasten.

Der Rosenloh steht schon lange auf der Weilheimer Agenda. Gespräche mit Grundstücks­eigentümern laufen bereits. Dabei geht es auch um Grundstücke außerhalb des Gebiets, die als Tauschflächen dienen können. Was ebenfalls begonnen hat, ist die Information von Betroffenen: „Wir haben einen runden Tisch mit denen, die später auch an einem Planverfahren beteiligt sind“, sagt Bürgermeister Züfle. Das reicht von Umweltverbänden bis zum Gewerbeverein und zur IHK. Es gebe noch Bedarf für ein zweites Treffen. Erst danach kommt es zur detaillierten, öffentlichen Bürgerinformation – im November.
 

 

Rosenloh und Hungerberg sind „zwei Paar Stiefel“

Weilheim. Die Parallelen zwischen dem Weilheimer Rosenloh und dem Dettinger Hungerberg scheinen auf der Hand zu liegen: Da wären zum einen die zeitliche Nähe, in der zwei große Gewerbegebiete entstehen sollten, da wäre der bedeutende Investor von außerhalb – und da wäre die räumliche Nähe: Der Rosenloh liegt nur wenige Kilometer östlich vom Hungerberg, ebenfalls nahe an der A 8.

Aber auf den zweiten Blick gibt es deutliche Unterschiede: „Beim Hungerberg war es der Region ganz bewusst um einen abstrakten Vorhaltestandort gegangen“, sagt Weilheims Bürgermeister Johannes Züfle. Beim Rosenloh dagegen handle es sich um „eine anfragenspezifische Gewerbeansiedlung“. Das hat zur Folge, dass es keine Spekulationen über den großen Unbekannten gibt, der sich vielleicht einmal dort niederlassen will. Genau diese Rechnung mit dem „x“ hatte beim Hungerberg ja auch zu Spekulationen geführt, ob sich nicht doch noch der ungeliebte Internetversandhandelsriese dort ansiedeln würde. In Weilheim geht es gar nicht erst um solche Spekulationen. Dort gibt es die konkrete Anfrage eines Unternehmens, hinter dem zwei große Namen stehen: Daimler und Volvo.

Was beim Hungerberg ebenfalls ein großes Problem war: die Befürchtung, dass die B 465 noch stärker belastet werden könnte, wenn in der Nähe 800 Arbeitsplätze entstehen. Ganz anders im Rosenloh: Dort bietet ein neues Gewerbegebiet die Chance, dass ein neuralgischer Punkt entschärft werden kann. Wer von Zell oder vom Tobelwasen kommt und an der Tankstelle nach rechts in die L 1200 einbiegen will, weiß genau, dass das zu gewissen Tageszeiten ein Geduldsspiel ist. Kommt dagegen das Gewerbegebiet Rosenloh, lässt sich die neue Erschließungsstraße bis zum Kreisel an der Holzmadener Straße als Umfahrung nutzen. Auch die Beschäftigten des Gewerbegebiets lassen sich über diese Straße rechtzeitig „abfangen“, sodass der Verkehr in der Stadt kaum zunehmen dürfte.

Auch die Entwicklungschance für bereits ansässiges Gewerbe ist ein großer Unterschied zwischen Rosenloh und Hungerberg: Dort war es ausschließlich um die Ansiedlung eines großen Unternehmens gegangen – ohne dass noch Flächen für einheimische Betriebe hätten „abfallen“ können.

Johannes Züfle nennt noch einen weiteren Unterschied: „Wir sind mit dem Rosenloh in keinem regionalen Grünzug. Es gibt dort auch keine Schutzgebiete – weder Natur- noch Vogelschutz.“ Züfles Fazit: „Außer für die Transformation der Wirtschaft – es geht hier immerhin um 800 Arbeitsplätze – könnten wir hier auch einen bedeutenden Beitrag für den Klimaschutz leisten. Wichtig ist es, in den Dialog mit den Grundstückseigentümern und mit der gesamten Bevölkerung zu kommen.“

Auch die Landespolitik hat bereits reagiert auf das Interesse von Cellcentric an einem neuen Standort im Rosenloh. Unisono vermelden die drei hiesigen Landtagsabgeordneten Andreas Schwarz (Grüne), Natalie Pfau-Weller (CDU) und Andreas Kenner (SPD): „Wir freuen uns über die positiven Signale zur möglichen Ansiedlung der Brennstoffzellentechnik in Weilheim. Das ist für den Klimaschutz eine tolle Chance. Und damit können in unserer Region neue hochwertige Arbeitsplätze geschaffen werden. Daher begrüßen wir es, dass die Stadt Weilheim bereits eine frühzeitige und umfangreiche Bürgerbeteiligung mit runden Tisch in die Wege geleitet hat.“          Andreas Volz