Weilheim und Umgebung

„Die Wahlplakate, das bin immer ich“

Kabarett Wer Angela Merkel sieht, der sollte sich nicht so sicher sein. Vielleicht ist es ja Marianne Schätzle.

Marianne Schätzle als Angela Merkel.Foto: Peter Dietrich
Marianne Schätzle als Angela Merkel.Foto: Peter Dietrich

Neidlingen. Was wirklich hinter den Kulissen läuft, steht nicht immer in den Schlagzeilen. Um dies zu erfahren, muss man sich manchmal an medial oder geografisch abgelegenere Orte begeben. Etwa nach Neidlingen, wo Lammwirt Thomas Eberhardt einige spektakuläre Enthüllungen ermöglichte.

Die kabarettistische Geschichte begann damit, dass vor einiger Zeit drei Herren der Kriminalpolizei zur Toilette gingen, um dort die Putzfrau Marianne Schätzle mitzunehmen. Schätzle hatte nichts ausgefressen, denn ihre Ähnlichkeit mit Angela Merkel ist höchstens dem Schöpfer oder ihren Genen vorzuwerfen. Doch diese Ähnlichkeit führte dazu, dass Schätzle dringend in Berlin gebraucht wurde.

„Eine Woche sie, eine Woche ich“, beschrieb Schätzle im Lammsaal ihre Arbeitsteilung mit der Kanzlerin. „Ich kann Sachen für sie abnicken, durchwinken und aussitzen, wir sind ein ideales Team.“ Das Regieren lerne man schnell, sagte Schätzle, die zum Schnellkurs in wirtschaftlichem Denken und Handeln zu Wolfgang Schäuble geschickt wurde. Beim Stichwort „antizyklisches Handeln“ sei sie dann aber unsicher geworden: Von Zyklen verstehe sie als Frau wohl mehr als Schäuble.

Einiges musste Schätzle klarstellen: „Die Bilder auf den Wahlplakaten, das bin immer ich.“ Manche Merkel-Reden seien von ihr geschrieben, ihr verdanke die Kanzlerin Textpassagen wie „der Hahn kräht zwar, aber die Henne legt das Ei“. Sie wolle nicht nur Ja-Sager, ließ Schätzle Merkel sagen: „Wenn ich Nein sage, sollen die auch Nein sagen.“ Merkel gab zu, mit „beschränkter Haftung und mit beschränktem Personal“ zu regieren, und verkündete den Zuhörern, sie habe „mit dem Geld Ihrer Kinder, Enkel und Urenkel den Euro gerettet“. Außerdem hat sie „die Atomkraftwerke abgeschaltet, ohne mit alternativen Energien zu belasten.“

Etwas belastet die frühere Putzfrau Schätzle ganz persönlich: Was wird aus ihr, sollte Merkel einmal nicht mehr Kanzlerin sein? Sie erzählte vom zweifelhaften Angebot, dann Chefin der Bundestagstoiletten zu werden. Immerhin, meinte sie, habe dort im Gegensatz zu anderen Orten im Haus jede Sitzung ein Ergebnis. Schon Kanzler Helmut Kohl habe ja betont, wichtig sei, was hinten rauskomme.

Über viele politische Entscheidungen macht sich Schätzle so ihre Gedanken. Von dem vielen Geld, das der Stuttgarter Tiefbahnhof koste, meinte sie, „hätten die Berliner einen Flughafen mit Start- und Landebahn unter der Erde bekommen“. Das Handy klingelte, Hillary Clinton war dran, Schätzle versprach einen Rückruf. Hillarys Präsidentschaftskandidatur, sagte Schätzle, sei ihre Idee gewesen. Nur so hätte sich Hillary bei ihrem Mann revanchieren können. „Als Präsidentin hat sie Anspruch auf einen Praktikanten.“ Dann klärte sie die Zuhörer noch auf, warum das Abhören durch die Amerikaner eine gute Sache sei: Sie koche im Auftrag der Kanzlerin und habe diese am Telefon nach dem Rezept für Königsberger Klopse gefragt. Merkel habe keine Zeit gehabt, doch gleich danach habe ihr Handy geklingelt: „Die NSA war dran, sie hätten das Rezept und würden es mir gleich schicken.“

Seit 15 Jahren macht Schätzle Kabarett, seit zehn Jahren doubelt sie Merkel, seit fünf Jahren ist sie mit ihrem Soloprogramm unterwegs. Der Putzfrau in „Ich bin durch“ entgeht nichts, auch in der Schule, ihre Erzählungen über die überbehütenden Mütter im Krabbelbasteln zeigen es. Sie erklärt genau den Unterschied zwischen Premium-, Standard- und Economyputz, doch viel wichtiger und ein Herzensanliegen ist das Eintreten für unterbezahlte und unbeachtete Reinigungskräfte: „Erst wenn die Männer so verdienen wie wir, dann ändert sich was.“

Ist Angela die Zweite eigentlich schon Angela der Ersten begegnet, ganz direkt? Nein, noch nicht, sagte sie im Nachgespräch. Doch fürchten würde sie diese Begegnung nicht. „Ich denke, Merkel hat Humor.“Peter Dietrich