Weilheim und Umgebung

„Die Wurzeln richten keinen Schaden an“

Rechtsstreit Sachverständiger sagt vor Gericht aus, dass Platanen nicht die Ursache für Schäden an einem Gebäude und an einem privaten Weg sind. Von Andreas Volz

Platanen auf dem Weilheimer Egelsberg waren schon vor 20 Jahren ein leidiges Thema: Viele wurden damals durch Ahorne ersetzt - aber nicht alle. Ein Hauseigentümer setzt sich nun erneut gegen Platanen zur Wehr, die er verantwortlich macht für Schäden am Gebäude und am Zugangsweg. Die Stadt Weilheim solle das Übel an der Wurzel packen und entfernen.

Mit dem Fall hat sich jetzt das Landgericht Stuttgart befasst. Das Urteil steht zwar noch aus, aber die öffentliche Verhandlung verheißt nichts Gutes für den privaten Kläger: Der vom Gericht bestellte Sachverständige bestätigte lediglich, dass es auf dem Grundstück Wurzeln gibt. Er geht aber nicht davon aus, dass die Wurzeln auch tatsächlich für die Schäden an Weg und Gebäude verantwortlich sind.

Kraft braucht eine Gegenkraft

Wesentliche Aussage des Gutachters: „Jede Kraft braucht eine Gegenkraft.“ Das könnte durchaus bedeuten, dass die Wurzeln Pflastersteine und Fundamente wegdrücken, die ihnen im Wege stünden. Der Sachverständige sieht das aber anders: Wenn eine Wurzel auf ein festes Hindernis stoße, weiche sie automatisch dorthin aus, wo es weicher ist. Anders sei der Fall gelagert, wenn eine Wurzel in einen Spalt eindringt. Dann drückt diese den Spalt im Lauf der Zeit immer weiter auseinander.

Spräche das für die Argumentation des Hauseigentümers, dass die Platanenwurzeln Schäden verursachen? Unter gewissen Umständen ja. Aber der Gutachter denkt dann allenfalls an alte Gebäude mit feuchtem Mörtel. Bei neueren Häusern dürfe es zum einen gar keinen Spalt in der Fundamentmauer geben, und zum anderen müsse eine Folie die Mauer vom Erdreich trennen. Diese Noppenfolie sei für Wurzeln auf jeden Fall undurchdringlich.

Wenn nun aber doch eine Wurzel an die Hauswand gelangt und dort in einen Spalt eindringt, könne das zwar zu Schäden führen. Aber auch dann liege das nicht an der Wurzel, sondern daran, dass die Folie Risse oder die Mauern Spalte aufweist. Der Fehler wäre in der Bauausführung zu suchen, nicht beim Baum: „Die Wurzel ist dann nicht schadensursächlich.“

Wieder anders sehe es aus, wenn der Baum direkt neben der Hauswand steht. Dann wirke nämlich eine statische Kraft, weil das Wurzelwerk unmittelbar um den Stamm herum die Baumkrone zu tragen hat. Da die Hauswand aber rund acht Meter vom Platanenstamm entfernt sei, gehörten die Wurzeln dort nicht mehr zum „statisch wirksamen Wurzelraum“.

Ob die Wurzeln sich auch unter dem Gebäude im Erdreich ausbreiten können, will der Richter wissen. Das sei denkbar, aber unwahrscheinlich, meint der Experte: „Eine Wurzel läuft ja nicht nur dem Wasser nach. Sie ist auch auf den Gasaustausch angewiesen, sodass sie kaum weiter als 80 Zentimeter in die Tiefe reicht. Das Haus dürfte viel tiefer gegründet sein.“

Und der Weg zur Haustür? Die Wölbung in den Pflastersteinen, die der Kläger ins Feld führt und die ein privat beauftragter weiterer Gutachter auf die Platanenwurzeln zurückführen will, hat der gerichtlich bestellte Sachverständige gar nicht wahrgenommen. Wenn er die Wölbung kaum sehen kann, könne sie auch nicht so gravierend sein. Außerdem verlaufe sie quer zum Weg, was sich nur dann auf die Platanenwurzeln zurückführen lasse, „wenn die irgendwo auf ein massives Hindernis gestoßen und deshalb rechtwinklig abgebogen sind“.

Nächster Punkt: Kann es sein, dass die Wurzeln dem Boden Feuchtigkeit entziehen und dass es deswegen zu Senkungen kommt, die Haus und Weg beschädigen? Hier sagt der Sachverständige: „Es ist bekannt, dass Wurzeln dem Boden Wasser entziehen. Und wenn der Boden Wasser verliert, schrumpft er.“ In dem Ausmaß allerdings, in dem die Schäden vorlägen, habe das nichts mit Entfeuchtung durch Wurzeln zu tun.

Da der Richter selbst kein Baumexperte ist, stellt er nach der umfangreichen Befragung fest: „Der Sachverständige hat sich klar ausgedrückt, und was er sagt, leuchtet mir ein. Es ist nachvollziehbar und nicht von Widersprüchen durchsetzt.“ Im Klartext heißt das für den Richter: „Ich sehe keine besonders großen Erfolgschancen für die Klage.“ Damit dürfte der Tenor des Urteils, das Ende des Monats fallen soll, bereits feststehen: Vorläufig haben wohl die Platanen gesiegt.