Weilheim und Umgebung

Digitales Lesen im Aufwind

Analyse Die Weilheimer Stadtbücherei hat ihre Ausleihzahlen genauer angeschaut und ist zu teilweise überraschenden Erkenntnissen gekommen. Von Bianca Lütz-Holoch

Egal ob am Wochenende oder nachts - neuer Lesestoff für E-Book-Reader oder Tablet lässt sich immer besorgen.Symbolbild
Egal ob am Wochenende oder nachts - neuer Lesestoff für E-Book-Reader oder Tablet lässt sich immer besorgen.Symbolbild

Ein freier Sonntag, eine gemütliche Couch und eine Tasse Tee. Fehlt nur noch guter Lesestoff. Aber was, wenn das Bücherregal nichts mehr hergibt und die Bibliothek ebenso geschlossen hat wie die Buchläden? Dann greifen immer mehr Menschen auf die digitale Ausleihe zurück. Das ist eine der Erkenntnisse, die Ellen Keller-Bitzer, Leiterin der Weilheimer Stadtbücherei, bei der Auswertung der Daten von 2018 gewonnen hat. „Die digitalen Services werden immer stärker nachgefragt“, sagt sie. Über 14 000 Medien haben Weilheimer Leser im Jahr 2018 online entliehen. Das sind 20 Prozent mehr als noch im Jahr zuvor. Besonders interessant: „Es geht nicht um eine reine Verlagerung von der physischen Bücher-Ausleihe zur ,Onleihe‘“, betont Ellen Keller-Bitzer. „Ein großer Teil ist obendrauf gekommen.“ Vereinfacht gesagt: „Es werden mehr Bücher gelesen.“

Ganz besonders auffällig ist das im Bereich Belletristik, ohnehin die am meisten nachgefragte Sparte in der Stadtbücherei Weilheim. „Noch nie sind bei uns so viele Romane ausgeliehen worden wie vergangenes Jahr“, sagt die Bibliotheksleiterin. In Zeiten vor der „Onleihe“ gingen in Weilheim rund 16 000 Schmöker pro Jahr über die Theke. Jetzt sind es zwar nur noch rund 14 000 „echte“ Bücher. Dafür werden aber zusätzlich noch 8 500 Online-Romane ausgeliehen. Insgesamt ist also ein Anstieg der Ausleihzahlen bei Romanen um 40 Prozent zu verzeichnen. „Das liegt vermutlich daran, dass die zeitlichen Schranken gefallen sind und die Menschen mehr Zeit zum Stöbern haben“, so Keller-Bitzer. Außerdem leihen sich dicke Schinken leichter aus, wenn man sie nicht tragen oder als Ballast in den Koffer packen muss, sondern nur per Klick auf den E-Book-Reader oder das Handy befördern muss. „In den Urlaubsmonaten schießt die Ausleihe durch die Decke“, weiß die Bibliothekarin. Die stärksten Monate sind August, Januar und Mai - also grob gesagt in den Sommer-, Weihnachts- und Pfingstferien.

Gefragt sind auch die anderen Online-Angebote, die die Weilheimer Bücherei im Verbund mit anderen Einrichtungen in der „24/7 Online-Bibliothek“ anbietet. Eines davon ist E-Learning. Auf insgesamt 2 200 Kurse können die Nutzer zurückgreifen. „Sie haben keine Leihfristen. Jeder kann also in seinem individuellen Tempo lernen“, sagt Ellen Keller-Bitzer. Besonders gefragt waren 2018 Sprachkurse, allen voran Italienisch für Anfänger und Spanisch für Anfänger.

Während bei Papier-Zeitungen und -Zeitschriften die Ausleihe rückgängig ist, sind die digitalen Varianten stärker gefragt. Das liegt unter anderem auch an der größeren Auswahl: „Im Haus haben wir 35 verschiedene Zeitungen und Zeitschriften“, veranschaulicht die Büchereileiterin. „Digital gibt es 117 Abos.“

Bei einer Zielgruppe jedoch ist digitales Lesen noch nicht so beliebt: „Kinder- und Jugendliteratur geht meist in Buchform über die Theke der Stadtbücherei“, sagt Ellen Keller-Bitzer. „Vor allem Kinder im Grundschulalter lesen und lernen lieber auf gedrucktem Papier.“ Tatsächlich sind die jungen Weilheimer offenbar recht aktive Leser. „Die Entleihzahlen im Kinder- und Jugendbereich haben um 9,3 Prozent zugenommen“, freut sich die Büchereileiterin. Insgesamt sind die Ausleihen in der Weilheimer Bücherei 2018 um 4,9 Prozent gestiegen.

Auf dem Weg zur hochtechnologisierten Bibliothek

Gut aufgestellt ist die Weilheimer Stadtbücherei im elektronischen Bereich schon jetzt. „Sie ist der Digitalisierungs-Leuchtturm der Stadt Weilheim“, sagt Bürgermeister Johannes Züfle. Nutzern stehen etwa die „24/7 Online-Bibliothek“, die im Verbund mit 35 anderen Büchereien im Raum Esslingen und Göppingen sowie das Bibliotheksportal „Open“ zur Verfügung. Doch geplant ist mehr.

RFID heißt das Schlagwort für die Zukunft. „Die Radiofrequenztechnologie ist die technische Grundlage für künftige kundenfreundliche Benutzerkonzepte“, erläutert die Leiterin der Weilheimer Stadtbücherei, Ellen-Keller-Bitzer. Dabei wird jedes Medium mit einem Transponder versehen. Benutzer können Bücher oder CDs dann einfach selbst scannen. Ein solches Ausleih-System gibt es beispielsweise schon in Kirchheim.

Weitere Pläne hat das Weilheimer Bücherei-Team schon im Kopf: „Wir hätten gerne eine Außenrückgabe, bei der die Medien 24 Stunden zurückgegeben werden können und gleich auch verbucht werden“, sagt Ellen Keller-Bitzer. Langfristig könnte sie sich sogar eine „Open Library“ vorstellen, bei der Leser auch außerhalb der Öffnungszeiten in die Bücherei gelangen und Medien ausleihen können. Das Konzept war bisher vor allem in Schweden und Dänemark verbreitet. Auch in Hamburg gibt es eine solche Bibliothek.

Bewerben könnte sich Weilheim nun im Rahmen seiner Digitalisierungsstrategie für ein weiteres Projekt, bei dem es Fördermittel vom Land gibt. „Zwei Ideen dafür stehen zur Auswahl“, sagt Johannes Züfle. Zum einen wäre das eine Augmented-Reality-Stadtführung durch Weilheim, zum anderen die technologische Umstellung der Bücherei. Welches Projekt ins Rennen geht, bestimmt der Weilheimer Gemeinderat. Ob es förderwürdig ist, wird dann auf Landesebene entschieden. bil