Weilheim und Umgebung

Ein Auto, das Lokalgeschichte schrieb

Feuerwehr Nach sechs Jahren harter Arbeit erstrahlt Bissingens erstes motorisiertes Feuerwehrfahrzeug wieder in neuem Glanz. Bei einem Hock am 17. Juni wird das Gefährt öffentlich präsentiert. Von Daniela Haußmann

Mit vereinten Kräften ist es Thomas Weil, Eugen Renz, Max Pauling und Karl Weil (von links) zusammen mit 17 weiteren Mitstreiter
Mit vereinten Kräften ist es Thomas Weil, Eugen Renz, Max Pauling und Karl Weil (von links) zusammen mit 17 weiteren Mitstreitern gelungen, das alte Bissinger Löschfahrzeug wieder auf Vordermann zu bringen. Für das gesamte Team ein Grund zum Feiern.Foto: Daniela Haußmann

Kaum hat sich der Schlüssel im Zündschloss gedreht, beginnt das große Zittern. „Jetzt gilt’s“, ruft Karl Weil voller Enthusiasmus. Sechs Jahre lang haben er und sein Team von der Interessengemeinschaft (IG) „Bissinger LF8 - Löschfahrzeug“ an einem 319er-Mercedes-Benz getüftelt, gefeilt und geschraubt. Aber mehr als ein Stottern kann Weil dem über 50 Jahre alten Gefährt nicht entlocken. Doch die Feuerwehrleute sind nicht seit 2012 in der Werkstatt gestanden, um nach der mühevollen Restaurierung die Flinte wegen ein paar Startschwierigkeiten ins Korn zu werfen. Also dreht Karl Weil den Schlüssel noch einmal herum und siehe da: Das 80 PS starke und zwei Liter große Herzstück des Oldies schnurrt wie ein Kätzchen.

In den vergangen 72 Monaten haben die Mitglieder der IG so manches Mal geflucht, gefiebert und gelacht. „Das ist bei einer Restauration halt so“, sagt Karl Weil mit einem Augenzwinkern. Ihm ist es zu verdanken, dass Bissingen sein erstes motorisiertes Einsatzfahrzeug wiederhat. Der ehemalige Feuerwehrkommandant gehört zu jenen Kameraden, die mit dem LF8/TS, Baujahr 1966, noch bis zu seiner Abmeldung 1989 ausgerückt sind. Völlig heruntergewirtschaftet entdeckte Weil das gute Stück zufällig in einem Hinterhof in Allmersbach im Tal. Mit einem Schlag waren die tristen Jahre in der Geschichte des Mercedes gezählt. Die Männer der IG setzten alles dran, um dem klapprigen Gefährt wieder Leben einzuhauchen.

Dabei war jede Menge Improvisationstalent und viel Liebe zum Detail gefragt. Was weder im Internet noch auf Messen oder über Kontakte zu finden war, bauten die Kameraden einfach nach. Wer einen Blick in die Gruppenkabine wirft, kann kaum glauben, dass die Sitzflächen früher als Eckbank in einem Gasthaus in Holzmaden standen. „Die hintere Kabinenwand besteht aus einer Sperrholzplatte, die“, laut Eugen Renz, „mit großem Aufwand so lange bearbeitet wurde, bis sie in Farbe und Struktur zum Holz der ehemaligen Eckbank passte.“ Türen, Fenster, Verkleidungen und Scheinwerfer wurden ausgebaut, überarbeitet, ersetzt und wieder eingebaut. Mit Geduld und Geschick brachte die Mannschaft den Motor auf Vordermann.

„Ohne die Hilfe zahlreicher Unternehmen, die uns vor allem mit Sachspenden unterstützt haben, hätten wir den Oldtimer nie herrichten können“, ist Eugen Renz überzeugt. 1966 schlug die Neuanschaffung mit rund 45 000 Mark im Gemeindehaushalt zu Buche. „Etwa die Hälfte dieses Betrages haben wir in Euro für die Restaurierung berappt“, verrät Karl Weil - zu schultern war das nur angesichts der Unterstützung der Freunde und Förderer der IG. Die Arbeitsstunden, die im Verlauf der vergangenen sechs Jahre zusammengekommen sind, kann niemand beziffern. Aber eines weiß Eugen Renz ganz genau: „Bereuen tue ich das Ganze auf keinen Fall“.

Schließlich schrieb der Transporter Lokalgeschichte. Sein Kauf katapultierte die kleine Teckgemeinde geradewegs ins motorisierte Feuerwehrzeitalter. In seinen 23 Dienstjahren hat das LF8/TS die Bissinger Floriansjünger nie im Stich gelassen. 1978 rollte der Mercedes nach Nürtingen, zu seinem wohl denkwürdigsten Einsatz. „Damals überflutete der Neckar die gesamte Innenstadt“, erinnert sich Eugen Renz. „Vier Tage pumpten wir im Schichtbetrieb bei der Kläranlage Wasser ab.“ Anfang der Siebzigerjahre kam es im Silo einer Sägemühle zu einer Staubexplosion. Ein Einsatz, bei dem auch der 319er nicht fehlte. Die Restaurierung hat viele, teils verschüttete Erinnerungen wachgerufen. Thomas Weil und Max Pauling gehören einer deutlich jüngeren Feuerwehrgeneration an. Aber über alte Fotografien, Dokumente, Erzählungen und die Arbeit am Löschfahrzeug begaben sie sich auf eine Reise, bei der sie in eine andere Zeit und Welt eintauchten.

„Obwohl wir selbst nie mit dem Wagen in den Einsatz gefahren sind, haben wir über die Erinnerungen der Alterskameraden eine Beziehung zu dem Fahrzeug aufgebaut“, erzählt Weil. Max Pauling sieht sich durch das generationenübergreifende Projekt auch in der Pflicht. „Es geht nicht nur darum, das Fahrzeug zu erhalten, sondern auch darum, gelebte Geschichte zu bewahren, zu pflegen und weiterzugeben“, findet Pauling, der diese Verantwortung gerne übernimmt.

Das Fahrzeug hautnah erleben

Gebührend gefeiert wird die Restaurierung des Oldtimers, die vor wenigen Tagen ihren Abschluss fand. Wer Bissingens erstes motorisiertes Einsatzfahrzeug hautnah erleben will, hat am 17. Juni ab 10 Uhr die Möglichkeit dazu. Bei einem Weißwursthock wird der Oldie beim Feuerwehrgerätehaus der Öffentlichkeit präsentiert.