Weilheim und Umgebung

Ein gestandener Mann brach in Tränen aus

Interview „Kaugummi und Buchele“: Der Göppinger Kreisarchivar hat gemeinsam mit Filmemacher Gerhard Stahl einen Film über die Nachkriegszeit produziert. Am 7. Dezember wird er in Weilheim gezeigt. Von Marcus Zecha

Stefan Lang. Foto: Kreisarchiv Göppingen

Wie war das damals in den ersten Jahren nach dem Krieg? Ein neuer Film des Kreisarchivs Göppingen lässt zahlreiche Zeitzeugen zu Wort kommen. Damals kamen Züge voll mit Vertriebenen und Aussiedlern in der Region an - mindestens 17 mit jeweils 800 bis 1 000 Menschen allein im Jahr 1946. Und heute? Kommen Flüchtlinge und Asylbewerber. Wie ging man vor 71 Jahren mit den neuen Nachbarn um? Am besten befragt man Menschen, die diese Zeit miterlebt haben - das dachte sich Dr. Stefan Lang, der Leiter des Göppinger Kreisarchivs, und initiierte zusammen mit dem Göppinger Filmemacher und Produzenten Gerhard Stahl einen Film, der am 7. Dezember im katholischen Gemeindehaus in Weilheim gezeigt wird. „Kaugummi und Buchele“ setzt sich aus privaten Fotografien, kurzen Filmsequenzen und Zeitungsausschnitten, vor allem aber persönlichen Erzählungen und Erinnerungen zusammen. So wird die Zeit nach dem Krieg wieder lebendig. Warum der Film ein wichtiges Dokument der Lokalhistorie ist, erklärt Stefan Lang im Gespräch:

Hat Sie bei den Interviews mit den über 40 Zeitzeugen etwas besonders berührt oder überrascht?

Stefan Lang: Es gab viele berührende Momente. Ein gestandener Mann brach in Tränen aus, als ich ihm seinen Namen auf der Transportliste von 1946 zeigte. Oder ein damals zehnjähriges Mädchen, das mit dem todkranken Vater am Rohbau des zerbombten Hauses arbeitete. Auch die Rückkehr der Väter aus der Gefangenschaft.

Der Alltag für viele Göppinger im ausgebombten Deutschland war von Hunger geprägt. Wie haben sie sich geholfen?

Lang: Da gab es große Unterschiede. Man hat versucht, auf dem Land Lebensmittel gegen andere Dinge einzutauschen. Aber wer nichts zum Tauschen hatte, war arm dran. Ährenlesen, Bucheckernsammeln, Kartoffelstoppeln - das haben sehr viele gemacht. Gerade 1947 war sehr hart, viele blieben auf Hilfeleistungen wie die Hoover-Speisung angewiesen.

Die Einheimischen mussten einen Zuwachs von rund 30 Prozent durch Flüchtlinge und Vertriebene aus den Ostgebieten verkraften. Sehen Sie da Parallelen zu heute?

Die Größenordnung war eine ganz andere, die Herausforderungen für die Verwaltungen immens, speziell beim Wohnraum. Im Rückblick stellt man sich es oft einfacher vor, aber auch die Integration der „Volksdeutschen“ hat gedauert. Das zeigt sich in den Gesprächen sehr deutlich.

Gab es viele Begegnungen zwischen Einheimischen, Neubürgern und amerikanischen Besatzern?

Auf jeden Fall. Im Grunde könnten wir locker einen Dreiteiler zu je 90 Minuten bringen, die Auswahl der Szenen ist wirklich schwer. Es gibt traurige und erschütternde, aber auch sehr viele lustige Geschichten.

Info Der neue Film „Kaugummi und Buchele“ von Dr. Stefan Lang und Gerhard Stahl wird am Donnerstag, ­7. Dezember, um 20 Uhr im Katholischen Gemeindehaus, Friedhofstraße 7, in Weilheim gezeigt. Der etwa 80-minütige Film gliedert sich in drei Kapitel: Einmarsch der Amerikaner, der Höhepunkt der Krise mit Flüchtlingsflut, Wohnungsproblematik und Hungersnot und im dritten Teil der Aufschwung in Deutschland mit Beginn der Wirtschaftswunderzeit.