Weilheim und Umgebung

Ein großes Herz für Kenia und die Menschen

Hilfe Knapp 20 Jahre arbeiteten Esther Focking-Stolz und ihr Mann in einem kenianischen Krankenhaus, heute kämpft sie gegen Frauen-Beschneidung. Von Iris Häfner

Esther Focking-Stolz mit ihren Schätzen aus Kenia. Foto: Markus Brändli
Esther Focking-Stolz mit ihren Schätzen aus Kenia. Foto: Markus Brändli

Schon das Arztschild mit dem Hinweis „Praxis für Tropenmedizin und Gelbfieber­impfstelle“ an der Haustür in Holzmaden führt auf die richtige Spur. Drinnen wird Afrika lebendig, mit Skulpturen, bunten Perlen-Halskrausen und Bildern schwarzafrikanischer Menschen - willkommen bei den Fockings. Knapp 20 Jahre hat das Ehepaar Focking mit seinen Kindern in einem abgelegenen Teil im Norden Kenias gelebt, dort ein Hospital maßgeblich aufgebaut und den Menschen geholfen: Dr. Friedhelm Focking als Chirurg, der selbst bei den regelmäßigen Erweiterungsbauten tatkräftig mithalf, ebenso bei der Planung und Realisierung einer kilometerlangen, dringend notwendigen Wasserleitung aus den Bergen. Esther Focking-Stolz, die in Zürich Kinderkrankenschwester gelernt und sich in den Dienst für Patienten und Kolleginnen gestellt hat.

Die quirlige, kleine Frau ist nicht zu bremsen, wenn es um ihr Kenia und die Menschen dort geht. Die 1 750 Meter hoch gelegene Stadt Gatab am Fuße des Mount Kulal ist wegen seiner Abgeschiedenheit bei den meisten Kenianern keine geschätzte Gegend. „Von Nairobi sind es 600 Kilometer. Wir sind immer über den Äquator gefahren“, erzählt Esther Focking-Stolz. 2 000 Seelen leben dort, 5 000 Menschen sind es im Einzugsgebiet der Klinik. „Es waren Nomaden, die viel Platz für ihre Kühe und Ziegen haben. Wir hatten viele Schussverletzungen, weil die Stämme sich gegenseitig das Vieh gestohlen haben“, so Esther Focking-Stolz. Bewusst hat sich ihr Mann deshalb für die Chirurgie entschieden und so vielen Menschen helfen können.

1981 haben sich die beiden in Gatab im Hüttenkrankenhaus kennen und lieben gelernt. Dann kehrte das jungverheiratete Paar Afrika vorübergehend den Rücken zu, denn der junge Arzt ließ sich von 1982 bis 1989 im Kirchheimer Krankenhaus als Chirurg ausbilden. „Den Mauerfall haben wir gerade noch mitbekommen, ehe wir wieder nach Gatab gegangen sind“, erzählt Esther Focking-Stolz. Mit dabei war der damals viereinhalb Jahre alte Sohn. In Afrika kamen noch Adoptivkinder dazu. Das Hospital wurde für sie zum Lebensmittelpunkt. „Die Menschen dort wissen, dass ich sie von Herzen liebe“, sagt sie unprätentiös - und keiner, der sie kennt, hegt daran den geringsten Zweifel. Die Präventologin gab ihr Wissen über gesunde Ernährung weiter. „Man kann dort das ganze Jahr anpflanzen, und so gab es beispielsweise Kohlrabi und Salat, Orangen und Grapefruit“, erklärt sie. Hilfe zur Selbsthilfe ist ihr ein großes Anliegen, weshalb sie und ihr Mann auch ein großes Augenmerk auf die Ausbildung von kenianischen Krankenschwestern legen. Wichtig war ihnen, dass die jungen Frauen, die viel leisten, die christlichen Werte akzeptieren. „Gottesliebe und Medizin wollten wir da oben hinbringen“, sagt Esther Focking-Stolz. Der Geisterglaube war und ist präsent.

„Hygiene beginnt mit sauberem Wasser“, sagt Friedhelm Focking. Deshalb war es für ihn selbstverständlich, am Bau der Wasserleitung aus dem großen Wald, in dem sich der Nebel an den Berghängen hält, mit den Einheimischen mitzuarbeiten. „Die Frauen waren die ersten, die die 25 Kilogramm schweren Rohre hochgetragen haben. Die wollten, dass das Wasser im Ort fließt“, erzählt Esther Focking-Stolz. Nach sechs Wochen Bauzeit floss es tatsächlich zum ersten Mal 2006 im Dorf. „Die Leute haben die ganze Nacht getanzt“, erinnert sie sich.

Großer finanzieller Geber war die Evangelisch Freikirchliche Gemeinde Steingau-Zentrum in Kirchheim. „Die Gemeinde hat uns all die Jahre unterstützt“, ist sie für das große Vertrauen in ihre Familie und die soziale Arbeit in Kenia dankbar.

Esther Focking kümmert sich in Kenia um beschnittene Mädchen
Esther Focking kümmert sich in Kenia um beschnittene Mädchen

Der Kampf gegen die Beschneidung von Mädchen

Holzmaden. Afrika lässt Esther Focking-Stolz nicht los. Heute engagiert sie sich, um den Mädchen und jungen Frauen die grauenvolle Beschneidung zu ersparen, bei der die weiblichen Genitalien teilweise oder vollständig entfernt werden, was meist sehr starke Schmerzen verursacht, unter denen sie meist ihr ganzes Leben lang zu leiden haben. „Dass Mädchen beschnitten werden, wusste ich lange nicht. Die Samburus halten an dieser Tradition fest“, sagt sie. Dabei handelt es sich um den Stamm im Norden Kenias, der zwei Jahrzehnte die Heimat der Fockings war. „In unserer Klinik mussten im Lauf der Jahre viele Frauen aufgrund ihrer Beschneidung behandelt werden, denn gerade beim Entbinden kommt es bei vielen zu Komplikationen durch die starken Vernarbungen. Das Gewebe ist undehnbar“, erklärt die Krankenschwester.

Zwar ist die Beschneidung in Kenia seit 2002 verboten. „Bis das bei uns da oben ankommt und die Menschen ihre Tradition sein lassen - das dauert“, sagt sie. Meist beschneiden alte Frauen die jungen Mädchen, die von Medizin keine Ahnung haben. „Das ist Geldmacherei“, prangert sie die skrupellose Praxis an, die unabhängig der Glaubensrichtungen Afrikas immer noch an der Tagesordnung ist: bei Christen, Moslems oder Anhängern von Naturreligionen. Täglich werden 6 000 Mädchen beschnitten, in manchen Kulturen ab dem dritten Lebensjahr. „Durch das Fließen von Blut sollen die Mädchen Reinheit erlangen und dadurch als Frauen in die Gemeinschaft der Samburus aufgenommen werden, so der Glaube“, erläutert Esther Focking-Stolz. Die Mädchen verlieren dabei nicht selten viel Blut, und es kommt zu Wundinfektionen, die auch mit einer Blutvergiftung enden. Deshalb sterben regelmäßig junge Frauen an den Komplikationen des Eingriffs.

Um dem entgegenzuwirken, klären sie und ihre Mitstreiterinnen - die Krankenschwestern Lydia und Njelly - in Gatab über die Sinnlosigkeit der Beschneidung auf, auch medizinisches Personal. Es geht vor allem darum, den Mädchen Selbstbewusstsein zu vermitteln. Sie sind schon rein und brauchen die Verstümmelung nicht. „Du bis Kenianerin und musst dem Gesetz folgen. Das steht über dem traditionellen Glauben“, wird den Frauen in den Seminaren gesagt. Da immer mehr unbeschnittene Frauen nicht nur Männer finden, sondern auch Kinder bekommen, wird die Mär entzaubert, dass sie unbeschnitten keine Familie gründen zu können.

Auch die Jungs und jungen Männer müssen durch den Initiationsritus durch. „Alle 13 bis 15 Jahre ist ein Beschneidungsjahr. Ihnen wird öffentlich die Vorhaut beschnitten und die Jungen dürfen nicht weinen“, sagt die Krankenschwester. Gereinigt wird das Messer in Milch. Aids ist deshalb stets präsent. Die Unsinnigkeit wurde erkannt, weshalb jetzt jeder sein eigenes Messer haben muss. Iris Häfner

Info Wer die Aufklärungsarbeit gegen die Frauen-Beschneidung unterstützen will, kann sich näher bei Esther Focking-Stolz informieren, E-Mail: E.Focking-Stolz@gmx.de, Telefon 0 70 23/9 42 03 20.