Mehr geht nicht, zumindest in der Gourmet-Welt. Zwar ist Stefan Heilemann schon etliche Jahre in der Top-Liga der Schweizer Spitzenköche, doch dieser Tage kam überraschend die Krönung: „Koch des Jahres 2021“, ein Titel verliehen von der Gourmet-Bibel „Gault Millau“. „Das ist unglaublich“, freut sich der gebürtige Holzmadener, „das ist schon das Höchste, wo es hingehen kann. Noch dazu in so einem Jahr.“ Damit spricht Stefan Heilemann ganz offen die berufliche Achterbahnfahrt 2020 an.
Kurze Rückblende: Bis März betreibt der 38-Jährige mit seinem Team das „Ecco“ in Zürich, ein Restaurant, das zu einem Fünf-Sterne-Hotel gehört. Es läuft prächtig, zwei Michelin-Sterne, immer ausgebucht. Mitte März kommt der Corona-Lockdown und dann der Schock am Ostermontag: Das Hotel wird verkauft, das Restaurant geschlossen, alle Mitarbeiter entlassen - wird ihm per Telefon eröffnet. „Ich habe gedacht, ich träume schlecht“, erinnert sich Heilemann. „Ich lief durch die Küche und dachte, alles, was wir hier erreicht haben, ist einfach weg. Alle Auszeichnungen, alle Mühen - weg.“ Da flossen seinen Worten nach etliche Tränen bei Mitarbeitern und Gästen.
Das quasi Auf-der-Straße-Stehen mit seinem Team war kein schönes Gefühl. Und da kommt der „Widder“ ins Spiel, ein Kult-Restaurant mitten in Zürichs Altstadt. Die Betreiber machen Heilemann ein Angebot und er wechselt mit seinem gesamten Team. Der Guide Michelin nennt den Umzug der hochdekorierten Mannschaft den „Transfer des Jahres“. Im Juni übernimmt Stefan Heilemann die Leitung des „Widder“, Teil des gleichnamigen Fünf-Sterne-Hotels.
Häuptling und Teamplayer
Und jetzt bereits „Koch des Jahres 2021“. Für ihn ganz klar ein „Team-Award“, denn ohne seine Mitarbeiter würde das gar nicht funktionieren. „Ich bin stolz, Häuptling der Bande zu sein“, meint er schmunzelnd bei der Preisverleihung. Hört sich ziemlich locker an und passt auch zum Arbeitsstil des Küchenchefs, „es wird viel gelacht, es läuft Musik in der Küche, aber jeder weiß, wann es ernst wird“. Eines steht natürlich nie infrage: „Klar, ich bin der Chef, am Schluss zählt mein Wort, aber wir entscheiden viel zusammen.“ Vor allem aber nehme er sich selbst nicht so wichtig, meint er. Genau so präsentiert er sich auch als Gesprächspartner. Stefan Heilemann ist einerseits unkompliziert und bodenständig, auf der anderen Seite hochprofessionell und ein absoluter Perfektionist.
Sein kulinarisches Markenzeichen ist die Verbindung der klassischen Küche mit Einflüssen aus Asien, vor allem Thailand. „Ich war schon 2007 das erste Mal in Bangkok, ein Austausch im Rahmen meiner Arbeit bei Harald Wohlfahrt in der ‚Traube‘ in Tonbach.“ Das sei unglaublich gewesen, was da alles so völlig unkompliziert gekocht werde, selbst in Straßenküchen. Danach hat er diese Einflüsse in seine eigenen Kreationen integriert. Mit Erfolg. Gäste und Restaurantkritiker waren begeistert und auch in der Begründung des „Gault Millau“ wird diese Verbindung besonders erwähnt.
In diesen Zeiten kommt man natürlich auch um das Thema „Corona“ nicht herum, gerade in der Gastronomie. Aber Stefan Heilemann bleibt da ganz gelassen, obwohl er sein Lokal momentan geschlossen halten muss. „Man darf sich nicht verrückt machen. Wir können es eh nicht ändern.“
Seine Verbindungen nach Holzmaden pflegt der 38-Jährige nach wie vor, Eltern und Oma leben hier. Allerdings macht er das meist per Video-Telefonie, vor allem mit seiner Schwester und seinem fast dreijährigen Neffen. „Das ist mein größter Fan“, lacht Stefan Heilemann, „er will immer so sein wie ich. An Fasching war er sogar als Koch verkleidet.“ Aber wenn er mal nach Hause kommt, dann „muss Mama kochen“. Selbstgemachter Kartoffelsalat, handgeschabte Spätzle oder Linsen mit Speck stehen dann auf seiner Wunschliste. „Diese rustikale, einfache Küche finde ich einfach cool“, schwärmt er. Ist schon ein krasser Gegensatz zu „Miéral-Perlhuhn Sélection ‚Alfred von Escher‘ mit gebratener Entenleber, Waldpilzen, Kohlsprossen und weißem Trüffel“ oder anderen Kreationen, die in Zürich auf der Karte stehen.
Eine der höchsten Auszeichnungen hat Stefan Heilemann nun, sind jetzt Michelin-Sterne das Ziel? „Nein“, meint er, „wenn man versucht, sich Sterne zu erkochen, verkrampft man völlig. Das ist nicht unser Ding. Es kommt, wie’s kommt.“