Weilheim und Umgebung

Ein Instrument erklärt die Ortsgeschichte musikalisch

Jubiläum Zum 100-jährigen Bestehen bekam der Musikverein Bissingen eine historische Klarinette überreicht.

Bürgermeister Marcel Musolf (2. von links) begrüßt Willi Reichert (rechts), Heinz Wagner vom Gemeindearchiv (links) und MV-Vorst
Bürgermeister Marcel Musolf (2. von links) begrüßt Willi Reichert (rechts), Heinz Wagner vom Gemeindearchiv (links) und MV-Vorstand Günter Reinöhl (2. von rechts). Foto: pr

Bissingen. Derzeit zeigt der Musikverein Bissingen im Rathaus seine Jubiläumsausstellung. Dabei wird ein seltenes Originalstück aus der Gründungszeit ausgestellt. Das Instrument aus der Gründerkapelle haben die Musikfreunde einem glücklichen Zufall zu verdanken. Das gute Stück fand sich im Besitz des Bissinger Unternehmers Willi Reichert: eine alte Klarinette aus hellem Holz mit relativ wenig Klappen. Er hat sie als Andenken an seinen Großvater Wilhelm Kaufmann gehütet und nie damit gerechnet, dass sie einmal historisch interessant werden könnte.

Das ist jetzt der Fall: zum einen dadurch, dass der junge Wilhelm Kaufmann ab 1920 als Klarinettist in der Bissinger Kapelle mitspielte, zum anderen dadurch, dass sein Instrument älter sein dürfte als die Kapelle. Es handelt sich nämlich um eine Klarinette in C aus Buchsbaumholz nach dem Modell des Virtuosen Iwan Müller, das ab 1812 bis etwa 1900 vielfach nachgebaut wurde - umso erfreulicher, dass Willi Reichert dieses rare Familienstück dem Musikverein für die Ausstellung überließ.

Darüber hinaus erzählt die Klarinette ein Stück Ortsgeschichte, wie sich beim Gespräch in dem kleinen Kreis herausstellte, der sich zur Übergabe in der Ausstellung zusammenfand: Bürgermeister Marcel Musolf, Willi Reichert, Heinz Wagner vom Gemeindearchiv, Musikvereinsvorstand Günter Reinöhl und die Betreuerin der frühen Exponate, Susanne Eckstein. Das Instrument erinnert nämlich nicht nur an die Anfangszeit der Blaskapelle, sondern auch an seinen besonderen Besitzer: Wilhelm Kaufmann wurde im Jahr 1946, kurz nach dem Zweiten Weltkrieg, vom Bissinger Gemeinderat zum Bürgermeister gewählt.

Das Besondere daran: Der neue Bürgermeister war kein studierter Verwaltungsfachmann, sondern gelernter Weber. Er übernahm das Amt zu einer Zeit, als es schier unlösbare Probleme zu bewältigen galt, die in mancher Hinsicht aber eine gewisse Aktualität haben. Mehr als 400 Kriegsflüchtlinge mussten damals im Ort untergebracht werden. Sie wurden von den Einheimischen, die selber Not litten, nicht eben begeistert begrüßt. Die Wasserversorgung musste zudem modernisiert und neue Wohngebiete geschaffen werden. Kaufmanns Leistungen sind heute etwas aus dem Blickfeld geraten, müssen ihm aber hoch angerechnet werden.

Zu jener Zeit machte sich auch der Musikvereinsgründer Albert Gölz ein zweites Mal daran, die Kapelle aufzubauen. Dabei bezog er auch Heimatvertriebene mit ein, die später das Bissinger Musikleben mittrugen - so greifen Vereins- und Ortsgeschichte ineinander.se

Info Die Jubiläumsausstellung „100 Jahre Musikkapelle Bissingen“ ist im Rathaus Bissingen das ganze Jahr über bei freiem Eintritt am Montag, Dienstag, Donnerstag, Freitag von 8 bis 12 Uhr, und am Montag von 16 bis 18 Uhr zu sehen. Die Klarinette ist im ersten Stock.

Foto: pr
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