Wie ein schwarzes Skelett ragen die verkohlten Balken des Dachstuhls in den Himmel. Holz, Beton und Metallträger quellen aus den verbliebenen Mauerresten. Brandgeruch liegt in der Luft. Auf einer mehrere Ar großen Fläche rund um die Häuserruine stapeln sich meterhoch Steine, Schutt und schwarzschuppige Balken. Dazwischen liegen Maschinen, Werkzeuge und ein Metallkasten mit einer Ähre auf der Tür. „Das ist der Holzofen meiner Mutter. Darin hat sie immer ihr Brot gebacken“, sagt Karlheinz Hack und lässt seinen Blick über die Überreste dessen schweifen, was bis vor wenigen Wochen sein Arbeitsplatz und das Zuhause seiner Familie gewesen ist.
Der Ofen ist nicht mehr zu retten - ebensowenig wie das übrige Hab und Gut der Hacks. Anfang April ist in dem Zimmereibetrieb in Hepsisau ein Feuer ausgebrochen. Die Flammen haben nicht nur die Werkstatt und den Schuppen verschlungen, sondern auch das Wohnhaus, in dem Karlheinz Hack mit seiner Lebensgefährtin und seinen 77 und 80 Jahre alten Eltern lebte. „Mein Vater und ich haben jahrzehntelang an dem Haus gearbeitet, und es war der größte Wunsch meiner Eltern, hier bis zu ihrem Lebensende zu bleiben“, sagt er. „Jetzt liegt alles in Schutt und Asche.“
Es ist kurz nach 3 Uhr, als Knallgeräusche den Zimmerer in jener Nacht aufhorchen lassen. „Zuerst dachte ich, dass der Wind draußen die Blumentöpfe umgeworfen hat“, erinnert sich der 57-Jährige. Als der Hund unruhig wird, schaut Karlheinz Hack aus dem Fenster seiner Wohnung im ersten Stock und sieht einen hellen Lichtschein über der Werkstatt. Per Handy ruft er die Feuerwehr. Im gleichen Moment klopft seine Mutter an die Tür.
„Ich habe noch meine Jogginghose und eine Fleecejacke übergezogen, dann sind wir rausgegangen.“ Keine zehn Minuten später ist die Feuerwehr aus Hepsisau vor Ort. „Es ist unglaublich, wie schnell sie da war“, sagt Karlheinz Hack. In dem Moment wähnt er das Wohnhaus noch in Sicherheit. „Ich hätte nie gedacht, dass das Feuer übergreift.“ Doch genau das passiert. „Aus dem Schlauch kam nicht viel Wasser“, sagt der Zimmerer. Er kann nur zusehen, wie sich die Flammen in rasender Geschwindigkeit von der Werkstatt am Schuppendach entlang bis zum Wohnhaus fressen.
Als die Weilheimer Feuerwehr mit der Drehleiter eintrifft und die Schläuche vom Hepsisauer See am anderen Ende des Orts bis zur Zimmerei gelegt sind, brennt das Wohngebäude schon. Eine Rauchgasdurchzündung im Erdgeschoss in der Wohnung von Karlheinz Hacks Eltern setzt das Haus vollends in Brand. Es gibt einen ohrenbetäubenden Knall und eine Druckwelle. Verletzt wird niemand. Zwei Traktoren und einen Stapler kann Karlheinz Hack noch aus dem Schuppen retten. Neben seiner Familie sind auch die Haustiere, ein Hund und ein Graupapagei, in Sicherheit.
„Zum Glück hatte ich noch meinen Geldbeutel in der Jackentasche“, so Hack. Alles andere ist verloren. Über 200 Elektrowerkzeuge verbrennen. Tische, Stühle und Schränke verwandlen sich in Kohle. Der letzte Auftrag Hacks, eine Montagearbeit, wird zu Asche. Papiere und Fotos, Laptop und USB-Sticks, Geschirr und Kleidung gehen in Flammen auf oder werden durch Rauch und Löschwasser so stark beschädigt, dass sie nicht mehr verwendbar sind. Ein Übriges tut der Abrissbagger, der noch am selben Tag anrückt, um auch die letzten Glutnester im Mauerwerk freizulegen.
Wie hoch die Verluste sind, wird Karlheinz Hack erst später bewusst. „Irgendwann im Laufe des Tages sind wir gegangen und haben uns ein paar Kleider und Bettzeug gekauft“, erzählt er. In den folgenden Tagen leisten viele Menschen schnelle Hilfe: Sie spenden Kleidung, Haushaltsgegenstände, Möbel und Werkzeuge. „Das war eine wirklich gute Erfahrung“, so Hack. Er kommt zusammen mit seiner Lebensgefährtin und den Tieren in Weilheim unter. Seine Eltern ziehen vorübergehend nach Ötlingen, haben aber schon eine Wohnung in Hepsisau in Aussicht.
Die Kosten sind enorm
Die SV Versicherung Weilheim findet heraus, wo die Hacks was versichert haben und zahlt das Geld für einen ausgebrannten VW Bus aus. „Das hat uns etwas finanziellen Spielraum verschafft“, sagt Karlheinz Hack. Die übrigen Versicherungen und die Bürokratie dagegen machen ihm schwer zu schaffen. „Bevor wir Geld von der Hausratversicherung bekommen, müssen wir jeden einzelnen verbrannten oder beschädigten Gegenstand und dessen Wert auflisten. „Das macht man nicht mal schnell an einem Tag.“
Immer mehr Probleme tauchen auf: Autoschlüssel und Fahrzeugbriefe sind verbrannt. „Ohne Eigentumsnachweis bekommt man aber keinen neuen Schlüssel.“ Seither stehen die Wagen still. Karlheinz Hack beantragt neue Fahrzeugbriefe, seine Lebensgefährtin braucht eine neue Brille und einen Ausweis, seine Mutter eine Zahnprothese und der Vater ein Hörgerät. „Alles kostet Geld. Da sind die Notfallreserven schnell aufgebraucht.“ Dazu kommt: Die Maschinen in der Zimmerei sind nicht versichert. Karlheinz Hack muss sie alle neu kaufen und selbst finanzieren.
Den Mut verliert der 57-Jährige trotzdem nicht. „Man kann jeden Tag von morgens bis abends jammern - aber das ändert nichts“, sagt er. Der Zimmerer ist zuversichtlich, dass es mit dem Betrieb weitergeht. „Einen Auftrag habe ich an einen Subunternehmer vergeben, einen anderen konnte ich zurückstellen“, sagt er. Seine Arbeit will er Anfang Mai wieder aufnehmen. Möglichst bald wird er auch Schrottcontainer bestellen, den Schutt wegräumen und in den Trümmern nach unversehrten Dokumenten suchen. Alles Weitere muss sich zeigen.
Bis der Brandgeruch aus Karlheinz Hacks Leben verschwindet, wird es noch dauern. Papiere, die er noch in Schubladen gefunden hat, lagert er in der Garage. „Wenn man sie ins Auto oder in die Wohnung mitnimmt, riecht alles sofort nach Rauch“, sagt er. Immer bleiben werden die Erinnerungen an die Nacht. „Sie kommen sofort hoch, wenn jemand einen Kamin oder ein Feuer anzündet“, sagt Karlheinz Hack: „So ein Ereignis steckt man eben nicht so einfach weg.“