Weilheim und Umgebung

Ein Mann, der Botschaften hinterlässt

Künstlerleben Winfried Tränkner aus Bissingen ist seit 40 Jahren als Bildhauer tätig. Derzeit arbeitet er an einem Kunstwerk, das den Kelterplatz zieren wird. Von Heike Siegemund

Winfried Tränkner in seinem Freiluft-Atelier.Foto: Heike Siegemund
Winfried Tränkner in seinem Freiluft-Atelier.Foto: Heike Siegemund

Es ist ein kleines Paradies, das ganz persönliche Paradies von Winfried Tränkner: Weit weg von Verkehrslärm und Hektik befindet sich in Bissingen sein Freiluft-Atelier, mitten in der Natur und direkt am Gießnaubach gelegen. Hier arbeitet der Künstler, hier ist er „abgenebelt“, wie er sagt. Telefon, Computer, Internet, Fernsehgerät und Radio gibt es nicht. Nur Stille, die vom Zwitschern der Vögel und Plätschern des Baches begleitet wird - und von den Geräuschen seiner Arbeit.

„Hier bin ich von einer gnadenlos schönen Natur umgeben, sehe kein Auto, keine Leute und belästige auch niemanden mit meiner Arbeit“, sagt Winfried Tränkner. Seit 40 Jahren ist er als Bildhauer tätig. In dieser Zeit hat er immer draußen gearbeitet - zunächst in Ohmden, wo ihm ein alter Stall zur Verfügung stand; seit 17 Jahren in Bissingen, wo er seine Arbeitsutensilien und seine Werke in Räumen eines alten Bauernhauses aufbewahrt. Weil seine Arbeit mit Staub und Lärm verbunden ist, stellt er seine Kunstwerke aus Stein, Holz und Bronze draußen her - und auch, weil er am „Indianersyndrom“ leidet, sagt er schmunzelnd. „Drinnen kriege ich fast Platzangst.“ Deshalb sind die Räume in dem Bauernhaus auch nicht beheizt.

Schon als Kind hatte er immer den Drang zu malen und zu zeichnen, erinnert er sich. Seine Bilder habe er gesammelt und aufbewahrt. Im Alter von 14 Jahren sei er zum ersten Mal mit einem Menschen in Berührung gekommen, der ihn als Künstler wahrgenommen habe: Es war eine Kunstmalerin aus der Nachbarschaft in Kirchheim, wo er „in bescheidenen Verhältnissen“ aufwuchs, der er eines Tages mit klopfendem Herzen seine Bilder zeigte. Sie lobte sein Können und gab ihm Tipps mit auf den Weg, wie er seine Werke noch verbessern könnte. Als er nach dem Abitur Zivildienst als Altenpfleger in Kirchheim leistete, kam es zur nächsten für Winfried Tränkner schicksalhaften Begegnung: Ein älterer Mann, den er pflegte, hatte sein Talent erkannt und schenkte ihm seine komplette Holzschnitz-Ausrüstung. „Du bist ein Künstler, das spüre ich“, habe der Mann zu ihm gesagt. Dies war für Winfried Tränkner der Beginn seines Künstlerlebens; von diesem Moment an wusste er, welchen Weg er einschlagen will. Noch heute arbeitet er mit den Werkzeugen dieses Mannes - noch nie hat er sich selbst ein Schnitzmesser gekauft.

Nach dem Zivildienst besuchte Tränkner die Freie Kunstschule in Nürtingen und studierte bei Professor Karl Heinz Türk Bildhauerei. Anschließend war er als freischaffender Künstler tätig - und ist dies bis heute.

Nicht immer sei es einfach, als Künstler seine Existenz zu sichern, räumt er ein. Vor allem die Anfangszeit sei schwierig gewesen. Er sei ein einfacher Mann, der sich durchgekämpft habe, ohne gefördert worden zu sein. „Ich war immer bereit, das Letzte zu geben“, betont der Vater dreier Söhne, dessen Frau als freischaffende Glaskünstlerin tätig ist. Mittlerweile ist es Winfried Tränkner längst gelungen, sich einen Namen zu erarbeiten. Auch von Gemeinden erhält er Aufträge, gibt mit seinen Bronze-, Holz- und Steinplastiken Dorfplätzen ein Gesicht, gestaltet Bronzefiguren in Lebensgröße und dazugehörige Brunnenanlagen. So hat er beispielsweise für die Gemeinde Unteriflingen im Kreis Freudenstadt einen lebensgroßen Waldbauern mit Kaltblut-Rücke­pferd samt Geschirr und Stamm aus Bronze hergestellt; insgesamt ist dieses Kunstwerk sechs Meter lang. In Schlat im Kreis Göppingen zieren ein Hirte mit Lamm und Mutterschaf aus Bronze den Dorfplatz. Für die Petruskirche in Jesingen hat Tränkner Petrus in einem Boot aus Bronze geschaffen, für Oberiflingen einen Ochsen mit einem Jungen und einem Hund, der an einem Steintrog trinkt. Und für Ochsenwang stellte er einen Bauern mit Ochs und Kübel her, ebenfalls aus Bronze.

Aktuell arbeitet der 61-Jährige unter anderem an einem großen Projekt für seine Heimatgemeinde Bissingen: Anlässlich des 1 250-Jahr-Jubiläums der Seegemeinde kreiert er ein Kunstwerk aus Muschelkalk, das auf vier Ansichten den Wandel vom Bauerndorf zur modernen Kommune zeigt. Dieser 180 Zentimeter hohe und 80 mal 80 Zentimeter breite Quader soll auf dem sanierten Kelterplatz aufgestellt werden. Vor wenigen Wochen wurde der drei Tonnen schwere Stein ans Atelier von Winfried Tränkner geliefert. Neben diesem Großauftrag arbeitet er derzeit an Kunstwerken aus Holz, zu denen er bislang nur so viel verraten will: Diese Werke, die afrikanische Frauen und Männer in Würde und Schönheit zeigen sollen, will er den Menschen widmen, die nach Deutschland geflohen sind.

Die Themen seiner Kunstwerke sind nicht belanglos; Tränkner will Botschaften hinterlassen. So gibt es zum Beispiel ein Werk aus Stein mit dem Titel „Der Tag nach Tschernobyl“: Menschen sammeln sich dicht beieinander, und trotzdem ist jeder für sich einsam und gefangen in seiner Angst. Oder die „Mutter Erde“, aus Felsen hergestellt: Hier steht der Mensch unter dem Schutzmantel der Natur. „Die Quelle meiner Gedankenwelt sprudelt, sie versiegt nie“, sagt Tränkner.

Überhaupt ist der Kontakt zur Natur enorm wichtig für den Bildhauer, der mindestens einmal am Tag seine Hände in den Gießnaubach legt oder barfuß durchs Wasser schreitet. „Ich bin tief religiös und erkenne, dass ich ein Geschenk der Schöpfung bin“, sagt er. Woher er seine Kreativität nimmt? „In dem Moment, in dem man die Welt mit offenen Sinnen wahrnimmt, ist man immer kreativ.“ Im Übrigen könne man so vieles übersehen, wenn man überheblich durchs Leben gehe.

An ein Ende seiner künstlerischen Tätigkeit will Tränkner auch nach 40 Jahren nicht denken. „Ich habe ein tolles Leben, hatte nie einen Vorgesetzten und kann mich in einer Pause auch mal auf eine Wiese in die Sonne setzen. In diesem Sinne bin ich gesegnet.“ Er selbst sieht sich als Arbeiter, der gerne die eigene Kraft einsetzt und sich auch durch Widerstände kämpft. „Dabei siegt entweder das Material oder der Wille des Künstlers.“

„Glück und Unglück, beides trag in Ruh, beides geht vorüber, auch du“, steht am Eingang seines Ateliers geschrieben. Man benötige Gelassenheit, um das Leben zu meistern. Winfried Tränkner strahlt diese Gelassenheit aus. Aber auch Dankbarkeit für seine Kunst, „die mich durch die schlimmsten Zeiten gebracht hat“.

 

Infos zu Winfried Tränkner gibt es auf www.atelier-traenkner.de im Internet.