Weilheim und Umgebung
Ein Schatz, der unbezahlbar ist

Zeitdokument Ein Fotoband mit Bildern aus 150 Jahren Bissinger Geschichte ist erschienen. Heinz Wagner hat dafür 20 Jahre recherchiert, Kreisarchivar Manfred Waßner den wissenschaftlichen Rahmen gesetzt. Von Thomas Zapp

Das damals schönste Bissinger Haus ließ Kaufmann Friedrich Siegl 1891 in der Vorderen Straße 36 erbauen. Heute betreibt Carl Küper darin die Alb-Apotheke. Oder da Haus in der Vorderen Straße 40, in das 1889 Georg Nägele einen Backofen einbauen ließ: Seit 1909 gehört es der Familie Goll, die dort heute noch Brot und Brötchen backt. Ein Nachkomme des Bäckermeisters Friedrich Goll heißt Heinz Wagner und der hat dafür gesorgt, dass Anekdoten wie diese auch für die Nachwelt erhalten bleiben. Das Buch gibt einen Einblick in die Alltagsgeschichte des Ortes aus den vergangenen 150 Jahren.

Gemeinsam mit Kreisarchivar Manfred Wassner hat Wagner, der 14 Jahre Mitglied des Gemeinderats war, die Bissinger Bilder-Chronik „Anno... in Bissingen an der Teck – Schätze aus dem Bildarchiv der Gemeinde“ zusammengestellt. Der 81-Jährige Ur-Bissinger hat sich insgesamt 20 Jahre mit dem fotografischen Nachlass der Gemeinde beschäftigt. Das letzte Foto für das Buch hat Heinz Wagner erst drei Wochen vor dem Druck gekommen. Beim Sammeln hat er es aber nicht belassen, sondern mit viel Detektivabeit die Zeit und Umstände der Aufnahmen herausgefunden.

„Er hat viele Bissinger persönlich angesprochen, auch bei Erben nachgefragt und Ordner gewälzt. Ohne ihn gäbe es so ein Buch nicht“, lobt ihn Bissingens Bürgermeister Marcel Musolf. Viele Jahre hatte der Pensionär dafür ein eigenes Büro im neuen Rathaus. „Für diese Arbeit muss man Vertrauen schaffen, damit einer sagt: ,Dir kann ich das Bild geben‘“, zollt der „Profi“ Manfred Waßner dem Hobby-Historiker Heinz Wagner großen Respekt für seine Hartnäckigkeit. „Er hat sich nie vorschnell zufrieden gegeben.“

Viele Bilder lassen einen schmunzeln, etwa die Café- und Vesperstube Moll an der Oberen Straße. Die Treppe und der Balkon im ersten Stock mit dem „luftige“ Geländer würde heutzutage kein Bauamt genehmigen. Oder die 15 langen „Leib-und-Seel-Hemden“, die im Hintergrund einer fein säuberlich aneinander gereiht im Hintergrund eines Ochsengespanns auf der Leine hängen und Aufschluss über gesellschaftlichen Status ihres Träger geben, denn normalerweise hatte niemand so viele davon. „Das war damals so etwas wie Strampler für Männer. Vermutlich handelt es sich hier um die Wäsche des Oberlehrers“, sagt Heinz Wanger schmunzelnd. Natürlich hat er auch historische Fotos der Bäckerei Goll gesammelt. „Ich bin ja in der Bäckerei aufgewachsen“, erzählt er.

Sein Fundus hat der Gemeinde auch schon bares Geld gebracht. Mit Hilfe historischer Aufnahmen konnte man belegen, wie groß und alt der Wald auf dem Gemeindegebiet tatsächlich ist. Das gab mehr Umweltpunkte und höhere Zauhlungen. Der „Bilder-Schatz“, sagt Marcel Musolf, habe aber einen Wert weit darüber hinaus: „Er ist unbezahlbar.“

Info Das im Kirchheimer GO Verlag herausgegebene Buch erscheint vorerst in einer Auflage von 500 Exemplaren und ist für 14 Euro im Bissinger Rathaus erhältlich. Im Paket mit der Ortschronik kostet es 40 Euro.