Weilheim und Umgebung

Ein Virtuose fegt ungestüm durchs Programm

Der Frankfurter Johannes von Erdmann stellt sich auf der erweiterten Stehleorgel in der Weilheimer Franziskuskirche vor

Weilheim. Orgelsturm mit Rock am Turm, das erwartete die erfreulich zahlreichen Besucher des dritten Orgelkonzerts auf der überholten und erweiterten Stehleorgel in

Ernst Leuze

Sankt Franziskus, Weilheim, am vergangenen Samstagabend. So stimmte Kantorin Petra Elze auch auf den Abend ein, als sie Besonderheiten aufzählte, zu denen sie auch den nunmehr 30. Geburtstag des Instruments rechnete. Doch aus der befürchteten akustischen Ökumene wurde nichts: vom Peterskirchen-Freilichtrock war kein Mucks zu hören.

Dafür ging es innerhalb der Franziskusmauern reichlich robust zur Sache. Der Frankfurter Organist Johannes von Erdmann, in Weilheim kein Unbekannter mehr, fegte so ungestüm durch sein virtuoses Programm, dass man sich fragen musste, ob er langsam und leise zu spielen denn jemals gelernt hätte. Sein überaus erfolgreiches Studium in Paris bei der Orgelspielikone Marie-Claire Alain, die für ihr sportliches Spiel bekannt war, konnte nicht alles erklären. Genauso wenig wie die Mitteilung im Programm, dass von Erdmann nicht nur Kirchenmusik, sondern auch Religionspädagogik samt Schulmusik absolviert habe. Müsste er dann nicht wissen, dass man seine Zuhörer, wollte man ihnen etwas erklären, von vorne ansprechen sollte? Wir hören doch auch mit den Augen. Unser Organist jedoch dozierte vom Dirigentenpult auf der Empore zunächst in Richtung Orgel; als er sich, dieser grotesken Situation vielleicht bewusst geworden, auf die Orgelbank zurückzog. Da war er dann weder zu sehen noch richtig zu hören: Die Lautsprecher sprachen zu leise. Wo es doch zu den Komponisten Boëly, Samuel Rousseau, Gabriel Pierné und Ethel Smith so viel zu sagen gab. Der pädagogische Eifer lief ins Leere. Informationen gehören halt ins Programmheft gedruckt! Kann die Musik nicht selbst für sich sprechen, nützt auch alle Erklärung nichts.

Damit sind Grundfragen allen Musizierens angesprochen: Für wen wird gespielt, für die Zuhörer, den Raum, das Instrument, die Musik oder für sich selbst? Oft weiß das der Spieler selbst am wenigsten. Das Publikum jedoch fühlt sich entweder angesprochen, hingerissen begeistert oder – ob das Gegenteil in einer Rezension zutreffend formuliert werden kann? Andeutungen müssen genügen! So atemberaubend virtuos von Anfang bis Schluss gespielt wurde, so gründlich der Organist die Möglichkeiten des Instruments ausprobiert haben muss (überdurchschnittlich gut abgestimmte Klangfarben), so sehr griff Johannes von Erdmann manchmal klanglich daneben. Bedenkenlos zog er lärmende Register. Man hatte den Eindruck, als wolle er der Franziskus­orgel unbedingt französischen Kathedralklang abzwingen. Das hätte nicht weiter stören müssen, hätte er manchmal nicht so eckig gespielt, so steif, wie künstlich beatmet – selbst noch bei der Zugabe eines flotten Ragtime.

Andrerseits gab es so viel umwerfend Begeisterndes: stürmische Virtuosität der Franzosen-Stücke, jugendliches Ungestüm in Mendelssohns Allegro d-Moll, spielerische Leichtigkeit beim bekannten Concerto d-Moll von Vivaldi-Bach, und vor allem die vor Vitalität strotzende, grandiose Interpretation der Reger-Passacaglia f-Moll samt Introduktion. Merci Monsieur!