Weilheim und Umgebung
Eine Schule, die schnell reagieren kann

Bildung Eine Initiative aus Holzmaden will mit der „Fast“ Kinder ohne Notendruck widerstandsfähig und fit für die ständigen Veränderungen machen. Von Thomas Zapp

Ein Ort, an dem Kinder ihre Neugier behalten und einen inneren Antrieb zum Lernen entwickeln. So stellt sich die Holzmadenerin Julia Truppat die perfekte Schule für ihre drei Kinder im Alter von sechs, vier und zwei Jahren vor. Mit sechs Frauen und zwei Männern hat sie im vergangenen Jahr den „Verein für freie Bildung“ gegründet. Die meisten waren Eltern von Kindern, die in den Holzmadener Waldkindergarten gingen und sich die Frage stellten: „Und was kommt jetzt?“

Die Antwort könnte „Fast“ lauten: Der Name steht für „Freie Aktive Schule Teck“ und ist gleichzeitig auch Programm. Denn „fast“ - englisch für schnell - kann es tatsächlich gehen. Schon im September soll für die ersten 20 Kinder in den Klassen eins bis fünf der Unterricht beginnen. Noch fehlt allerdings ein Schulgebäude, aber das Gründungsteam hat sich schon sieben mögliche Standorte im Einzugsgebiet der Teck angeschaut. Denkbar wäre ein bestehendes Gebäude, aber auch ein Bauplatz.

Als Idealistin bezeichnet sich Projektkoordinatorin Arabella Braun. Die 33-Jährige hat noch keine Kinder, ist aber von dem Konzept grundsätzlich völlig überzeugt. „Die Welt wird zunehmend unsicherer, alles geht schneller. Neben Sachkompetenz müssen Kinder deshalb auch eine Resilienz gegenüber Veränderungen entwickeln und lernen, Lösungen für Probleme zu finden. Die Reaktionsgeschwindigkeit der traditionellen Schulen auf die gesellschaftlichen Entwicklungen ist momentan noch zu langsam.“ Aus der Bequemlichkeit herauskommen und sich selbst um Veränderungen kümmern, das soll Kindern frühzeitig vermittelt werden, meinen die zwei Gründerinnen.

Die Schule muss natürlich auch bestimmte Vorgaben erfüllen, die bis zur sechsten Klasse aber nicht so komplex sind wie ab Klasse sieben. Dann müssen mehrere Fachlehrer beschäftigt werden, die an der Fast-Schule aber „Lernbegleiter“ heißen. Auch Klassen gibt es an der Schule nicht, sondern „Lerngruppen“, die mit dem Fokus auf Interessensgebiete, Bedürfnisse und den jeweiligen Entwicklungsstand der Kinder zusammengestellt werden. „Es ist erwiesen, dass etwa Jungen sich anfangs schwerer tun, Buchstaben zu schreiben“, nennt ­Arabella Braun ein Beispiel. Interdisziplinäre Ansätze sollen zum Alltag gehören, etwa beim Backen Rechenaufgaben zu lösen, die sich auf die Zutaten beziehen und die biologischen Vorgänge bei der Zugabe von Hefe erklären.

Diversität erfahrbar machen

Ein weiterer wichtiger Aspekt der Fast-Schule ist, dass sie Diversität erfahrbar machen will und auch inklusiv, also offen für Kinder mit Handicaps, ist. „Wir sind eine Schule für alle, natürlich in einem Umfang, den wir leisten können“, ist sich Julia Truppat auch über gewisse Notwendigkeiten des Projekts bewusst. Bei aller Begeisterung wollen natürlich auch die Eltern der Fast-Schule, dass ihre Kinder einen Abschluss haben. Zwar gibt es keine Benotung, damit sich die Kinder frei und ohne Druck entfalten und sich ausprobieren können. Dennoch will die Schule in einer ersten Phase auch Haupt- und Realschulabschlüsse anbieten, und dazu müssen die Schülerinnen und Schüler „normale“ Abschlussarbeiten bestehen. „Unsere Lernbegleiter bereiten sie in Lern-Teams darauf ein Jahr lang vor“, erklärt Julia Truppat. Die Ergebnisse an vergleichbaren Schulen seien durchweg positiv, sagt sie. Die Ziele des Bildungsplans Baden-­Württemberg wolle man genauso erreichen wie jede andere Schule. „Nur die Art und Weise, wie man das macht, ist anders“, fügt sie hinzu.

Das Erste oder Zweite Staats­examen ist daher auch für interessierte Lehrer eine Einstellungsbedingung und natürlich sollten sie vom Konzept überzeugt sein und selbst eine gewisse Resilienz mitbringen. „Sie müssen es aushalten, wenn ein Kind in einem bestimmten Augenblick andere Interessen hat, denn sie gehören einer Lerngemeinschaft an“, sagt Julia Truppat.

Drei Jahre muss sich die Schule komplett selbst finanzieren, danach gibt es öffentliche Zuschüsse. Die Beiträge werden über ein ausgeklügeltes System berechnet, liegen aber im Schnitt bei 150 Euro. Dabei wird nicht nur das Netto-Einkommen, sondern auch die Lebenssituation berücksich­tigt, auch Stipendien sind geplant. Die Aufbaukos­ten werden mit Spenden und einer Finanzierung durch die sozial-ökologische GLS-Bank gestemmt. Mitte März startet ein Crowdfunding: „Das ist der nächs­te große Schritt“, sagt ­Julia ­Truppat. Viel Know-how hole man sich von anderen Schulen. Die sind sehr gut vernetzt und transparent, geben auch ihre Finanzpläne weiter.

Aber auch so bleibt noch genug Arbeit übrig für das achtköpfige Gründerteam, das keineswegs „ein Kuschelclub“ ist, wie ­Arabellea Braun lachend anmerkt. Es ­dürfe untereinander Reibung geben, betont sie, denn: „Wir haben ein übergeordnetes Ziel und die Vision ist stark.“

Infos gibt es auf www.fas-teck.de und an zwei virtuellen Infoabenden am 19. und 30. März, für die man sich via E-Mail anmelden kann: info@fas-teck.de