Weilheim und Umgebung

Erst belächelt, dann bewundert

Jubiläum Karl Attinger feiert 70-jährige Betriebszugehörigkeit bei Festool. In den 60ern erfand er etwas, das zunächst gar nicht gut ankam, sich aber durchsetzte und bis heute aktuell ist. Von Thomas Krytzner

Der 85-jährige Karl Attinger begann im Jahr 1948 eine Lehre als Elektromechaniker und blieb dem Unternehmen treu. Foto: Thomas K
Der 85-jährige Karl Attinger begann im Jahr 1948 eine Lehre als Elektromechaniker und blieb dem Unternehmen treu. Foto: Thomas Krytzner

Am 20. Juli feierte der gebürtige Holzmadener Karl Christian Attinger zwar seinen 85. Geburtstag, doch die Gedanken an den Ruhestand kommen erst jetzt.

Als er das Gymnasium in Kirchheim besuchte, war nach drei Jahren Schluss. Da er und sein Bruder zu Halbwaisen wurden, begann er 1948 eine Lehre als Elektromechaniker. Er hatte damals doppeltes Glück. Zum einen war es seine Wunschausbildung, und sein damaliger Lehrmeister Gottlieb Stoll kam ebenfalls aus Holzmaden. „Da gab es noch keine Lehrwerkstatt“, erinnert sich Karl Attinger an seinen Berufsanfang, „es ging von Arbeitsplatz zu Arbeitsplatz und die Gesellen brachten uns alles bei.“ Gottlieb Stoll und Albert Fezer gründeten ihre Firma, die später Festo hieß und heute unter Festool bekannt ist, im Jahr 1925 und stellten Holzbearbeitungsmaschinen her. Der Kontakt mit Menschen war Karl Attinger schon immer wichtig, und er ging in seinem Beruf auf. Schnell spürte er, dass er sich noch weiterbilden musste, und mit dem Versprechen, wieder in die Firma zurückzukommen, zog Attinger los und besuchte diverse Kurse und bildete sich in der Mitarbeiterführung fort.

Gottlieb Stoll holte ihn zurück und übertrug ihm die Verantwortung für das Messewesen. „Die erste Messe führte mich nach Hannover. Danach folgten Basel, Wien, Mailand und später sogar Ausstellungen in den USA.“ Dabei hat sich Karl Attinger um alles gekümmert. Da galt es, Standpläne zu erstellen, den Platz an der Messe zu gestalten und vor allem die Probleme der Kunden zu lösen. Die meisten Kunden kamen aus dem Holzfensterbau und aus Zimmereibetrieben. So war Attinger fünfmal pro Jahr für rund 10 Tage in aller Welt unterwegs.

Erfinder des Saugsystems

Als einen der Höhepunkte in 70 Jahren Arbeitsleben bezeichnet der Jubilar die Einführung eines neuen Anschlagsystems für Holzfenster. „Die Festo-Zapfenschneid- und Schlitzmaschine ZA war ein Renner“, erklärt Attinger noch heute mit Stolz. In vielen Betrieben, die noch Holzfenster herstellen, ist die 1960 auf den Markt gebrachte Anlage noch heute in Betrieb. „Da war alles mechanisch und nicht so anfällig wie die heutige Elektrotechnik.“ Indes führte Attinger weiterhin Schulungen für die Verkäufer durch. „Ich kannte die Maschinen ja in- und auswendig.“

Ebenso veranstaltete er regelmäßig Schulungen für Großhändler in Esslingen und Berkheim. „Dieser Job war für mich wie geschaffen, und mein Betätigungsfeld wuchs mit den Aufgaben mit.“ 1951 entwickelt Festo den ersten „Rutscher“, einen Schwingschleifer zur Oberflächenbearbeitung. Als Lack und Spachtel schließlich Jahre später auf Epoxidharz-Basis hergestellt wurden, waren die Oberflächen so hart, dass auch die Motoren der Rutscher verstärkt werden mussten. „Mit den stärkeren Maschinen konnte zwar das Bearbeitungsproblem gelöst werden, dafür machte der Schleifstaub Ärger.“ Für Karl Attinger war dies eine neue Herausforderung in den 1960er-Jahren. Er probierte mit Staubsaugern aus, den ungesunden Staub während des Schleifens aufzufangen, und machte sogar in das Schleifpapier Löcher. „Ich wollte den Staub direkt an der Schleifplatte abfangen. Doch für die Händler und Handwerker war das eine Katastrophe und Materialverschwendung.“ Attinger gab jedoch nicht auf und verfeinerte seine Erfindung mit Unterstützung seines ehemaligen Lehrmeisters Gottlieb Stoll. Dieser motivierte ihn: „Du hast acht Tage Zeit, den Malern und Autolackierern deine neue Kombination, Rutscher mit Sauger, vorzuführen. Für jede Maschine, die mit Sauger bestellt wird, bekommt du 15 Mark.“ Das war damals viel Geld.

Sein erster begeisterter Kunde war die Autolackiererei Laichinger in Laichingen. „Der Besitzer war so begeistert, dass er mir eine Liste mit weiteren Kunden gab.“ Damit war der Grundstein für den ersten Schwingschleifer mit Absaugung gelegt. „Gottlieb Stoll hat die Erfindung als Patent unter meinem Namen als Miterfinder weltweit angemeldet“, berichtet Karl Attinger stolz. Im Nachhinein hat sich diese Art zu schleifen bei den Handwerkern voll durchgesetzt und ist auch heute noch Stand der Technik.

Macher durch und durch

1980 kam die Wende, als die Fenster immer mehr aus Kunststoff und Aluminium und nicht mehr aus Holz hergestellt wurden. Festo hat der Marktentwicklung Rechnung getragen und im gleichen Jahr die Fertigung der Großmaschinen aufgegeben und sich auf die Herstellung von Druckluft- und Elektrowerkzeugen spezialisiert. „Diese werden ja heute noch in Neidlingen hergestellt.“ Attinger blieb als Bindeglied zwischen Kunde und Firma und freut sich heute noch über die gute Zusammenarbeit mit den verschiedenen Abteilungen. Schließlich holten ihn gesundheitliche Beschwerden aus der Fußballvergangenheit ein. „Die Probleme mit der Beinhaltung wurden stärker“, seufzt der Jubilar, „und ich sah der Rente mit 63 im Jahr 1996 entgegen.“ Doch der damalige Eigentümer Peter Maier machte ihm einen Strich durch die Rechnung. Es gäbe so viele Arbeiten ohne körperliche Anstrengung, zum Beispiel Vorträge halten und Marktumfragen durchführen. „Als die Frage nach dem Weitermachen kam, hatte ich zwei Seelen in meiner Brust.“ Einerseits freute sich Attinger auf den Ruhestand, andererseits „liefen noch Sachen, die ich mitgestalten wollte“.

Attinger
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