Weilheim und Umgebung
„Fairer Handel heißt nicht Jute-Sack“

Start-up Inklusiv oder fair produzierte Mode kann auch angesagt und erfolgreich sein. Das beweisen die Kirchheimerin Ingrid Lang und der Esslinger Daniel Kowalewski bei einem digitalen Meeting der Grünen. Von Thomas Zapp

Ein Aspekt ihrer Geschäfts-idee hat dem per Video-Monitor anwesenden Minis­terpräsidenten besonders gut gefallen: Bewusste Mode anbieten, es dem Kunden aber nicht direkt unter die Nase reiben, sondern ihn durch modische Schnitte, Farben und die Qualität überzeugen. Der Zuschauer im Owener Studio, in das die grünen Landtagskandidaten Andrea Lindlohr und Andreas Schwarz die Kirchheimer Jungunternehmerin Ingrid Lang eingeladen haben, kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass Winfried Kretschmann eine ähnliche Taktik verfolgt: Tue Gutes, aber rede nicht gleich darüber, sondern überzeuge auch diejenigen, die mit deinen Idealen nicht unbedingt etwas am Hut haben.

Die 30-jährige Unternehmerin bringt es so auf den Punkt: „Fairtrade heißt nicht Jute-Sack.“ Deswegen kommen auch Kundinnen im Teenie-Alter in ihr Kirchheimer Geschäft „Ila Ila“ für nachhaltige Mode und Accessoires. „Ila“ steht nicht nur für ihren Vor- und Nachnamen sondern heißt auf indisch „Mutter Erde“. Ein T-Shirt kostet dann zwar auch 45 Euro statt 15 wie bei „einer schwedischen Mode-Marke“. „Aber wer es anfasst, merkt die Qualität“, sagt sie. Das Konzept der Nachhaltigkeit stellt sie nicht gleich in den Vordergrund, deswegen heiße ihr Geschäft auch nicht „Grüne Wiese“. Denn: „Ich will auch die ansprechen, die nicht gezielt auf der Suche nach nachhaltigen Produkten sind. Aber was ihre Produkte ausmache, müsse man in der Stadt sichtbar machen, lautet ihr Credo. Auch sei die persönliche Ansprache der Kunden durch ihre geschulten Mitarbeiter wichtig. Genau darin liegt ihr aktuelles Problem: Da sie vor zehn Monaten eröffnet hat, kennt sie fast nur Lockdown-Zeiten. „Mein Start-up ist ein Corona-Baby“, sagt sie lachend. Über soziale Medien und einen Onlineshop kann sie zumindest einiges auffangen.

„Alles online“ läuft momentan auch bei Daniel Kowalewski vom Esslinger Bekleidungsgeschäft Wasni. Wie Ingrid Lang kommt der Gründer aus der Industrie und hatte zuvor von Mode keine Ahnung. Bei ihm sind Menschen mit Behinderungen beschäftigt, genäht wird in Portugal, die Bio-Stoffe kommen aus der Türkei. Bei seiner Gründung habe er wert darauf gelegt, nicht unter dem Dach einer sozialen Organisation zu arbeiten, sondern in der freien Wirtschaft zu bestehen. Bei ihm machen die Personalkosten 50 Prozent aus, dafür spart er sich den Handel, sondern verkauft direkt. „Am glaubwürdigsten ist ein Produkt, wenn es privatwirtschaftlich ist“, sagt er und beeindruckt damit den Ministerpräsidenten. Wer die „Wasni“-Produkte (steht für „Wenn anders sein normal ist“) kauft, erfährt nicht gleich, dass sie von einem inklusiven Unternehmen hergestellt wurden. Das Besondere sei erst mal, dass man die Kapuzenpullover oder Hoodies individuell konfigurieren könne, für jede Armlänge. „Anders sein kann auch heißen, besonders lange Arme und Beine zu haben“, meint der Gründer mit einem Blick zu seiner Linken und weckte spontan das Interesse des 2,01 Meter großen Andreas Schwarz.

Am schwierigsten sei es gewesen die besten Bio-Stoffe zu bekommen. Da gebe es eine Vielfalt an Labels, was die meisten Kunden überfordere. „Wir geben eine Menge Geld aus und der Konsument sieht das nicht“, sagt Ingrid Lang. Den „grünen Knopf“ für faire Mode hält ihr Esslinger Kollege allerdings für „keinen guten Anfang“, weil er freiwillig sei. Dem Lieferkettengesetz stimmen beide dagegen zu, wenn es für alle gleichermaßen gilt.

Öffnung mit Schnelltests

Eine gute Nachricht hat der Minis­terpräsident am Ende für Ingrid Lang und Daniel Kowalewski auch noch dabei: Die Landesregierung will für die kommende Ministerpräsidentenkonferenz ein „Impulspapier“ der Grünen einbringen. Darin fordern sie, eine „durch Schnelltests flankierte, schrittweise Öffnung“ zu ermöglichen. Erforderlich seien aber Hygienekonzepte der Betriebe.