Weilheim und Umgebung

Friede scheint in weiter Ferne

Vorwürfe, Wut und emotionale Worte prägten Gemeindeversammlung in Weilheim

Weilheim. Es gibt Abende, die lassen sich nur schwer in Worte fassen. Die Gemeindeversammlung in Sankt Franziskus in Weilheim war so einer. Der Teil, in dem offiziell verkündet wurde, dass Weilheims Pfarrer Hermann Ehrensperger seinen Amtsverzicht erklärt hat (wir berichteten), nahm dabei den geringsten Raum ein. Dafür nutzte das Kirchenvolk die Gelegenheit, seine Meinung lautstark kundzutun. Von den rund 300 Menschen, die sich im Gemeindehaus drängten, gehörten die meisten offenkundig zu Anhängern Hermann Ehrenspergers. Sie ließen ihrem Unmut freien Lauf, übten Kritik an der Kirchenobrigkeit und den Medien, am eigenen Kirchengemeinderat und an „Ketzern“, „Denunzianten“ und „Heimtücke“ in der Gemeinde. Jubelschreie folgten auf Proteststürme, Applaus auf Buh-Rufe.

Ein gutes Bild in der Öffentlichkeit gab all das nicht ab. Grund genug für Hermann Ehrenspergers Anwalt Thorsten Zebisch, der seinen Mandanten an dem Abend vertrat, sich diejenigen zur Brust zu nehmen, die immer wieder voll Ärger die Vergangenheit thematisierten, statt die Zukunft der katholischen Kirchengemeinde Sankt Franziskus im Blick zu haben: „Wenn die Gemeinde es nicht schafft, respektvoll miteinander umzugehen, wird es drei Verlierer geben und keinen Gewinner“, mahnte er. Neben Pfarrer Ehrensperger und der Diözese sei das die Kirchengemeinde selbst: „Sie haben gezeigt, dass Sie nicht in der Lage sind, miteinander umzugehen. Das fällt auf Sie zurück“, sagte er und warnte: „Überlegen Sie sich gut, ob das nicht dazu führt, dass Sie keinen neuen Pfarrer finden.“

Hermann Ehrensperger selbst habe den Standpunkt, dass er durch sein Handeln und kleinere Dienstverstöße Angriffspunkte geboten habe, die zur Spaltung der Gemeinde geführt hätten: „Er steht zu den Dingen, bereut sie und hofft, dass die Gemeinde wieder zusammenkommt.“

Dass ein Zusammenkommen noch in weiter Ferne liegt, ist an dem Abend deutlich geworden. Mehrfach wurde der aktuelle Kirchengemeinderat zum Rücktritt aufgefordert: „Legen Sie Ihre Ämter nieder und machen Sie Platz für Neue!“ Harsche Kritik übten Redner aus dem Publikum auch an der Kirchenobrigkeit, die den Angriffen kaum etwas entgegenzusetzen hatte. So äußerte Domkapitular Paul Hildebrandt von der Diözese Rottenburg-Stuttgart auf die Frage: „Stimmt es, dass Hermann Ehrensperger nicht einmal einen Termin beim Bischof bekommen hat?“, den Satz: „Ein Bischof kann nicht alles tun.“ Auch der Esslinger Dekan Paul Magino wirkte kraftlos. Auf den Vorwurf, er habe bewusst eine Unterschriftenliste nicht weitergeleitet, konstatierte er: „Ich habe sie nicht weitergegeben, weil ich es so nicht verstanden habe.“ Tatsächlich, so räumte ein Ministrant ein, habe man den Dekan ja auch bewusst auf Voreingenommenheit prüfen wollen und die Liste ohnehin selbst an den Bischof geschickt.

Zum Ausdruck brachten etliche Gemeindemitglieder auch, wie nichtig sie die Vorwürfe gegen Ehrensperger finden. „Jeder 16-jährige Junge hat doch schon mal Pornos gesehen“, hieß es etwa. Aus ihrer Sicht sei es ungerechtfertigt, dem Pfarrer einen Strick daraus zu drehen, dass er Jugendlichen vor zehn Jahren pornografisches Material zugänglich gemacht habe. Auch andere Dienstverstöße Ehrenspergers schienen für die Anhänger nicht schwer zu wiegen, etwa der nicht genehmigte Urlaub: „In modernen Unternehmen dürfen sich die Mitarbeiter heute doch auch schon selbst ihren Urlaub genehmigen.“

Immer wieder wurde auch Bedauern darüber geäußert, dass die Kirchengemeinde in den vergangenen Monaten gelitten habe. So hätten an Weihnachten keine Ministranten zur Verfügung gestanden. Mehr noch: „Es gab keinen Martinsritt, keine Gräbersegnung und – am Schlimmsten – keine Sternsinger.“ Das Geld wäre für Familien in bitterster Not bestimmt gewesen. „Aber wir haben es nicht auf die Reihe bekommen“, bedauerte ein Redner.

Zu hören war aber auch Kritik an Hermann Ehrensperger. Trotz aller freundschaftlicher Verbindung mit dem Pfarrer habe er die Sache mit der Beerdigung als Christ schrecklich gefunden, sagte ein junger Mann. Er spielte damit auf den Zwischenfall vor drei Jahren an, als Ehrensperger einen nicht befugten Vertreter zu einer Beerdigung schickte, der dann mit „Weihwasser im Gurkenglas“ bundesweit Schlagzeilen machte. Ein älterer Zuhörer betonte, dass Probleme mit dem Pfarrer nicht neu seien. „Er hatte schon Schwierigkeiten, als er zu uns kam“, sagte er. Der Diözese seien über Jahre Schreiben zugegangen. „Aber es hat niemand reagiert.“

Ernst Hartmann, Zweiter Vorsitzender des Kirchengemeinderats, bedauerte, „dass wir in ungutes Licht gekommen sind“. Pfarrer Ehrensperger habe auch Gutes getan, verdiene Respekt und eine angemessene Verabschiedung. Einige Zuhörer forderten sogar, dem Pfarrer die Geldstrafe zu erlassen.

Der Aufruf von Domkapitular Hildebrandt, in die Zukunft zu blicken, verhallte weitgehend ungehört. „So können wir nicht weitermachen. Ich hoffe, dass die Gräben aufgehoben werden“, sagte der Kirchheimer Pfarrer Franz Keil, der bis auf Weiteres Administrator in Weilheim ist. Er erinnerte daran, dass der Kirchen­patron der Gemeinde, der heilige Franziskus, ein Friedensstifter gewesen sei. Der Gemeinde gab er deshalb einen Spruch von Franziskus mit auf den Weg: „Oh Herr, mach mich zum Werkzeug deines Friedens.“