Weilheim und Umgebung

Glühwein als Hot-Caipi-Verschnitt? – Bloß das nicht!

Kein Weihnachtsmarkt ohne das heiße Kult-Getränk – aber es muss unbedingt rot, heiß und süß sein

Glühmost - das ließen sich die Notzinger bei ihrem Adventsmarkt besonders schmecken.Foto: Markus Brändli
Glühmost - das ließen sich die Notzinger bei ihrem Adventsmarkt besonders schmecken.Foto: Markus Brändli

Thomas Krytzner setzt auf Bewährtes

Bewährtes soll nicht einfach verändert oder modernisiert werden. Schließlich feiert der Glühwein in der heutigen Form just in diesem Jahr seinen 60. Geburtstag. Das typische Weihnachtsmarktgetränk gibt es aber schon seit der Antike, damals hieß es Conditum Paradoxum. Im Mittelalter tranken laut Wikipedia Fußvolk und Adlige kalten Würzwein, Hypocras. Dieser ist wegen der Gewürzzutaten als Vorläufer des heute beliebten Glühweins bekannt. Rudolf Kunzmann aus Augsburg versetzte 1956 erstmals Wein mit Zucker und Gewürzen, füllte diesen in Flaschen ab und verkaufte das Produkt als Glühwein. Vom Marktamt Augsburg kassierte er damit einen Bußgeldbescheid – der heute als Beleg für den ersten Glühwein in Flaschen gilt – weil Zucker als Zugabe damals verboten war. Wie in Deutschland fast alles reglementiert ist, gibt es auch für die Rezeptur gewisse Vorgaben. Mindestens sieben Prozent und weniger als 14,5 Prozent Alkohol sind erlaubt. Verboten ist hingegen die Zugabe von Wasser.

Und damit steht es im Grunde außer Frage, dass der Glühwein Glühwein bleiben muss. Zum einen gilt es, das Andenken seiner Patina zu bewahren und zum anderen gehören Adventszeit und Glühwein zusammen, wie die Vorweihnachtszeit und „Last Christmas“ von Wham. Viele Traditionen können zwar der heutigen Zeit angepasst werden, aber das erste berauschende Weihnachtsgefühl sollte dennoch vom bewährten Glühwein, verfeinert mit Zimt, Gewürznelken und Zitronen- oder Orangenscheiben, kommen. Zum Wohl!

Irene Strifler liebt Entdeckungen

Glühcaipirinha mit (Wein-)Schuss, weißer Glühwein, Glühwein mit Amaretto – die Zeiten, als Glühwein nur die Eigenschaften heiß und süß hatte, sind längst vorbei. Zum Glück! Ganz ehrlich: Hat man das Weihnachtsmarktgetränk Nummer eins nicht schon nach dem dritten Glas satt, wenn alles pappsüße Einheitsplörre ist? Da sehnt man sich doch allein schon deshalb nach dem Ende der Budenstädte!

Heute dagegen birgt jeder Marktbummel neue Entdeckungen. Warum auch nicht. Schließlich trauern wir den Jahren, in denen Württemberger Wein in Sippenhaft genommen und als ungenießbarer Semsakräbsler verschrien war, ja auch nicht nach. Warum also sollte nicht auch der Glühwein die Chance bekommen, über sich hinauszuwachsen? Wer da vorschnell abwinkt, bringt sich um manche Gaumenfreude. Speziell zwischen rotem und weißem Glühwein liegt mehr Unterschied als zwischen hellem und dunklem Bier. – Auch das gibt‘s übrigens als heiße Variante. „Glühbier“ heißt das dann und kann unter anderem auf dem Kirchheimer Markt getestet werden.

So wird der Weihnachtsmarkt schnell zur Degustationsstube. Denn beispielsweise der Riesling kommt mit Nelken und Zimt schick daher und wesentlich herber als der Silvaner. Ein Mixgetränk, also ein Glühwein-Caipi spezial oder was sich die Marktbeschicker so alles einfallen lassen, ist einfach eine lustige Sache und passt somit zum geselligen Marktbummel an Feierabend oder Wochenende bestens. Prost!