Weilheim und Umgebung

Hackfleisch und Filetstück

Neidlingen will im Wald mehr Nadelbäume und klagt über die Verkehrssicherungspflicht

Wie soll sich der Neidlinger Gemeindewald in Zukunft entwickeln? Diese Frage ist komplizierter als gedacht, vor allem durch die Schutzgebiete.

Mit der Tannenpflanzaktion im April haben die Neidlinger Gemeinderäte schon mal den Nadelholzanteil im Gemeindewald erhöht. Foto
Mit der Tannenpflanzaktion im April haben die Neidlinger Gemeinderäte schon mal den Nadelholzanteil im Gemeindewald erhöht. Foto: Peter Dietrich

Neidlingen. Rund eineinhalb Stunden diskutierte der Neidlinger Gemeinderat über die neuen Ziele zum Gemeindewald. Im Gremium sitzen zwei Experten: Matthias Klein ist Forstwirtschaftsmeister, Thomas Maier ist studierter Förster und arbeitet beim Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz. Maier hatte zu den Eigentümerzielen, sie sind ein zehnseitiges Arbeitspapier, eine dreiseitige Stellungnahme vorgelegt, auf diese ging Revierleiter Markus König umfassend ein.

Warum schwankt der finanzielle Ertrag im Wald so stark? Die Holzpreise schwanken, die Fixkosten bleiben, auch der Forstverwaltungskostenbeitrag. Er hängt von der geplanten Einschlagsmenge ab. Verzichtet die Gemeinde darauf, unwirtschaftliche Waldgebiete zu bewirtschaften, spart sie dadurch Verwaltungskosten. Dabei gibt es zwei Möglichkeiten: Die Gemeinde verzichtet vorübergehend und hofft auf höhere Holzpreise. Oder sie verzichtet endgültig und bietet einen Teil des Waldes einem Naturschutzverband zur Pacht an. Beides sei denkbar, sagt König. „Man kann nicht sagen, wie sich das entwickelt.“

Maier will aus wirtschaftlichen Gründen den Anteil an Nadelbäumen erhöhen. Nicht großflächig, doch hält er insgesamt einen Anteil von „zehn Prozent und mehr“ für denkbar. Klein unterstützte das Argument: „Mit Fichte, Tanne und Douglasie lässt sich Geld verdienen.“ Einen kleinen Schritt gingen die Gemeinderäte vor kurzem selbst, sie pflanzten 100 Weißtannen. Auch König hätte gerne mehr Nadelholz. „Aber die zehn Prozent gehen nicht.“ Möglich sei vielleicht, den Anteil von derzeit vier Prozent innerhalb von zehn Jahren um ein oder zwei Prozentpunkte zu erhöhen. Denn von 250 Hektar Gemeindewald liegen 234 Hektar im Fauna-Flora-Habitat-Schutzgebiet, der Rest teilweise im Naturschutzgebiet. Im FFH-Schutzgebiet gelte ein Verschlechterungsverbot, so müsse ein Buchenwald ein Buchenwald bleiben. „Das ist europäisches Recht, da können wir uns nicht darüber hinwegsetzen.“

Durchaus strittig sind unter den Fachleuten die Fällmethoden. Wegen der Schäden am Bestand und der Unfallgefahr will Maier das „Schießen lassen“ auf ein Mindestmaß reduzieren. Darunter versteht man, dass der Baum bei der Fällung durch sein Eigengewicht den Steilhang hinunterrutscht und möglichst unten am Weg liegen bleibt. „Schießen lassen ist nicht gefährlicher, als die Seilkranbringung“, widerspricht König, auch sei es günstiger als die Seilbahnfahrt. Auch für Klein ist das „Schießen lassen“ die günstigste Variante.

Ein Ärgernis der Waldbesitzer sind die Kosten für die Verkehrssicherungspflicht. „Das wird auf den Waldbesitzer abgewälzt, obwohl der Wald vor der Straße da war“, klagt König. In Hepsisau, sagt Klein, seien für die nötige Umleitung und die Absperrungen 12 000 Euro fällig geworden. Der Waldbesitzer muss auch für die erneute Montage der Leitplanken bezahlen, sie muss nun von einem zertifizierten Fachbetrieb vorgenommen werden. Die Gemeinde Neidlingen will warten, bis die Neidlinger Steige ohnehin gesperrt wird, etwa wegen einer Straßenunterhaltung, und dann großzügig Holz gewinnen. Doch auch das hat seine Grenzen, fehlen doch genügend Felsen, deren Freilegung als Biotop ein Argument für den Naturschutz – zugunsten von Fällungen – wäre. König kann sich aber vorstellen, den Bewuchs auf einem etwa 35 Meter breiten Streifen oberhalb der Straße zurückzunehmen – solange die Straße ohnehin gesperrt ist. „Ohne Baumaßnahmen ist das finanziell nicht machbar“, sagt Bürgermeister Klaus Däschler.

Diskutiert wurde auch die Brennholzversorgung der Bevölkerung. Das sei eine Entscheidung des Gemeinderats, sagt König. „Ich würde es anders machen.“ Eine Verwendung in der Sägeindustrie bringe mehr Erlös und sei ökologisch sinnvoller: besser einen Baumstamm Jahrzehnte lang als Tisch verwenden, als ihn verbrennen. Auch Klein riet zur überlegten Nutzung, ähnlich wie beim Metzger: „Man kann auch aus einem Filetstück Hackfleisch machen.“

Das Brennholz und die Esche

Eines bringt Bürgermeister Klaus Däschler nicht zusammen: Auf der einen Seite hört er immer wieder Klagen von Bürgern, sie bekämen kein Brennholz. Auf der anderen Seite müsse Holz aus dem Neidlinger Gemeindewald nach Weilheim verkauft werden. Viel Holz werde auch gar nicht aus dem Wald abgeholt. Werde Holz bis zum 31. Dezember bestellt, wünscht sich Däschler, „dass das auch aufgearbeitet wird“. Zwei milde Winter und gesunkene Ölpreise hätten, so Revierleiter Markus König, zu einem Brennholzüberhang geführt. Königs Problembaum ist die Esche, für sie sieht er durch das Eschensterben keine Zukunft mehr. In Neidlingen werde die Esche problemlos als Brennholz akzeptiert, stellt König zufrieden fest. Anderswo wollten die Leute aber Buche. Dabei sei der Brennwert identisch. Zudem könne man Esche vor dem Abholen einige Zeit im Wald liegen lassen, anders als bei der Buche. „Ich heize auch mit Esche.“ pd