Weilheim und Umgebung

Herr des kommunalen Fotoschatzes

Heinz Wagner betreut im Bissinger Bildarchiv zwischen 2 000 und 3 000 Aufnahmen

Heinz Wagner erzählt von seinen schwarz-weißen Schätzen. Links die Fotokopie des ältesten Fotos im Archiv. Es stammt von 1867. R
Heinz Wagner erzählt von seinen schwarz-weißen Schätzen. Links die Fotokopie des ältesten Fotos im Archiv. Es stammt von 1867. Rechts eine Fotokopie, die Busunternehmer Karl Weissinger in den 20er-Jahren zeigt. Foto: Jean-Luc Jacques

Bissingen. Es sind Fotos, meist aus längst vergangenen Zeiten. Der Bissinger Heinz Wagner sammelt sie und archiviert sie für das Bildarchiv

der Seegemeinde. Rund 2 500 alte Fotos hat er bislang in seiner digitalen Schatzkammer gehortet. So bleiben sie der Nachwelt erhalten.

Es sind Schwarz-Weiß-Fotos, zum Teil an den Rändern eingerissen, wie man sie aus dem Fotoalbum der Urgroßmutter kennt. Männer mit Bärten und streng gescheiteltem Haar in schwarzen Anzügen, mit gestärkten Hemdkrägen und schwarzen Schleifen oder Krawatten blicken ernst in die Kamera. Auch den Frauen neben ihnen im Sonntagsstaat will kein Lächeln entschlüpfen. Das heute allseits bekannte „Cheese“ war bei den damaligen Fotografen wohl noch nicht üblich.

Heinz Wagner, 76, gebürtiger Bis­singer und seit 2005 Herr über den kommunalen Fotoschatz, besitzt in seinem wohlgeordneten Archiv viele solcher Fotos aus alten Zeiten. Ein schönes Beispiel dafür ist etwa das älteste Foto in seinem Bildordner. Es stammt aus dem Jahre 1867. Es zeigt den Bissinger Schultheiß Johann Philipp Ehni mit seiner ganzen Familie. Anlässlich seines Geburtstages waren drei seiner Söhne eigens aus Amerika über den großen Teich in die Seegemeinde zu Besuch gekommen. Ein Grund mehr für Schultheiß Ehni, den Fotografen kommen zu lassen und die Familie vor dem großen Scheunentor des inzwischen abgerissenen Hauses aufstellen zu lassen.

Doch wer nahm das Foto auf? Der Mann hinter der Kamera bleibt meist im Dunkeln. Das ist auch bei den zahlreichen Bildern so, die der Archivar aus Nachlässen erhält. Die Abgelichteten sind den Hinterbliebenen bekannt. Nicht aber der Fotograf. Es sei denn, das Bild stammt von dem Bissinger Maler und Fotografen Wilhelm Ehni, dessen Haus auch heute noch in der Vorderen Straße steht. Ehni verewigte seinen Namen am rechten Bildrand.

Interessant ist Wagners Feststellung, dass die meisten Fotos hauptsächlich an zwei, drei Stellen in Bissingen aufgenommen wurden. Die Ecke Wilhelmstraße/Vordere Straße ist eine davon. Die andere ist das Gebiet um die Kelter, wobei sich Heinz Wagner dies mit dem Lehrerhaus neben der Kelter erklärt. Auch aus der Vorderen Straße stammen viele Fotos. Etwa das von Schmied Gottfried Bunz. Seine Schmiede stand einst an dem Platz der heutigen Bissinger Poststelle unweit des alten Rathauses. Auf dem Bild ist der Schmied zu sehen. Eine Kuh steht zum Beschlagen bereit. Hinter ihr Bunz’ Sohn Georg und zwei bärtige Männer mit Schirmmütze und Hut. Vor der Schmiede steht ein Pflug, liegen Wagenräder und die Deichsel eines Wagens. Zwei Kinder und eine Frau betrachten die Gerätschaften. Aus welchem Anlass dieses Alltagsfoto des früheren Bis­singer Dorflebens geschossen wurde, ist nicht bekannt.

Heinz Wagner befasste sich schon des Längeren mit dem Gedanken, ein Fotoarchiv mit alten Bissinger Ansichten unter dem Dach der Gemeindeverwaltung einzurichten. Die Idee kam dem damaligen Bürgermeister Wolfgang Kümmerle zu Ohren. Bei der Einweihung des neuen Rathauses 2003 nahm er Wagner beiseite und führte ihn durchs Gebäude. Im Erdgeschoss zeigte Kümmerle auf einen Raum und sagte zu Wagner: „Das wird Ihr Büro.“ Heinz Wagner wehrte zunächst dankend ab, weil etliche alte Bissinger wie Gotthilf Einsele und Albert Ehni inzwischen nicht mehr lebten. Doch deren Fotos gab es noch, und so stimmte Bissingens potenzieller Bildarchivar schließlich doch zu. Die Gemeinde schaffte PC und Scanner an, und Wagner zog Ende Mai 2005 in sein Büro im Erdgeschoss des neuen Rathauses ein.

Noch gut erinnert er sich an seine erste Arbeit. Von einer Verwandten des bekannten Bissinger Segelfliegers Wilhelm Sigel hatte Heinz Wagner viele Fotos über die Anfänge der Segelfliegerei an der Teck erhalten und machte sich daran, diese zu sichten und zu ordnen. Dabei hatte er das Glück, noch mit Zeitzeugen zu sprechen und so die alten Fotos zum Leben erwecken zu können. Und nicht nur das. Mit seinem gut bestückten Bildarchiv mit über 300 Fotos allein über die Segelfliegerei rund um den Bis­singer Hausberg konnte er mit zum Erfolg des Buches von Karl Buck, „Luftfahrt an der Teck“, beitragen.

Alte Ansichten der Seegemeinde stehen im Mittelpunkt von Heinz Wagners Bildvorträgen beim Bis­singer „Feierabendkreis“. Viele der betagten Senioren erinnern sich dabei an die eine oder andere Episode. Doch nicht nur das ist für den kommunalen Bildersammler interessant. Sein Archiv dient auch der fotografischen Dokumentation von Heimatgeschichte. Und die ist allemal spannend.