Das Video stammt aus dem August dieses Jahres und zeigt tanzende Jugendliche, die sich glückstrunken in die Arme fallen, lachen, singen und dabei keine Maske aufhaben. Was nach Querdenker-Demo für junge Leute aussieht, ist tatsächlich völlig legal. Die Aufnahme wurde vom christlichen Jugendverband „Entschieden für Christus“ gemacht und dokumentiert ein Konzept zur „sicheren“ Freizeitgestaltung. Der Holzmadener Frieder Gerber, beim christlichen Jugendverband „Entschieden für Christus“ für die Organisation von Zeltlagern zuständig, hat das Projekt mit vielen Helfern und Dr. Friedemann Taut, Facharzt für Klinische Pharmakolgie und Vater begeisterter Zeltlager-Kinder, entwickelt und erfolgreich getestet. Jetzt will Gerber die Landesregierung dafür gewinnen, das Testkonzept in die Corona-Verordnung aufzunehmen.
Dazu haben er und Friedemann Taut Gespräche mit Landespolitikern geführt, unter anderem mit Andreas Schwarz von den Grünen, Andreas Kenner von der SPD und Karl Zimmermann von der CDU. „Aber vom Landesgesundheitsamt gab es keine Rückmeldung, wir erleben dort eine gewisse Trägheit“, zeigt er sich enttäuscht. Dabei seien die Eltern der Kinder begeistert und vor allem erleichtert gewesen. „Eltern brauchen die Entlastung dringender denn je“, sagt Gerber, der in Tübingen Theologie studiert. Er ist überzeugt, dass das Konzept problemlos auf andere Freizeiten anwendbar wäre, inklusive Klassenfahrten.
Überhaupt möglich wurde das Pilotprojekt „Sichere Jugendfreizeiten trotz Pandemie“, weil die Landesregierung ab 1. Juli für Jugendfreizeiten aus dem Abstandsgebot eine Abstandsempfehlung gemacht hatte. „Die Empfehlung mussten wir ignorieren“, sagt Frieder Gerber offen, denn: „Ein Zeltlager mit Abstandsgebot ist unmöglich.“ Aber dafür haben die Organisatoren ein ausgeklügeltes Verfahren etabliert.
In der Nähe von Ulm organisierten sie ein Zeltlager mit einem Sicherheitskonzept, das auf umfangreichen und mehrfachen Tests beruhte. Schon bei der Ankunft im Lager wurden die Teilnehmerinnen und Teilnehmer nach Zelt-Kohorten mit maximal zehn Teilnehmern aufgeteilt. Zur „Begrüßung“ gab es die Mund-Rachen-Speichelprobe und den Nasenabstrich. Beide Proben wurden innerhalb von 24 Stunden von einem zuvor kontaktierten Labor ausgewertet. Die kurze Zeitspanne wurde durch „pooling“ erreicht: Die bis zu zehn Proben pro Kohorte wurden zusammengegeben und dann getestet. So wurde im Labor viel Zeit gespart und wenn eine Pool-Probe positiv gewesen wäre, hätte die Kohorte nach Hause fahren müssen. In der Wartezeit mussten die einzelnen Gruppen getrennt voneinander beschäftigt werden. „Das war eine intensive Zeit“, erinnert sich Gerber. Aber sie hat sich gelohnt: „Alle 557 Teilnehmer waren negativ.“
Als klar war, dass es keine Infektion unter den Teilnehmern gab, entstanden die Jubelszenen auf dem Video, weil alle wussten: Die Gemeinschaft konnte ihre Freizeit „fast normal“ abhalten, nur musste für die Dauer des Zeltlagers die „Quarantäne“ eingehalten werden. „Das geht nur, wenn man nicht in Kontakt mit Außenstehenden kommt“, erklärt Frieder Gerber. Weitere Bestandteile des Konzepts waren Temperaturmessungen und ein stringenter Hygieneplan. Außerdem war durchgehend ein Arzt via Telemedizin erreichbar, falls Teilnehmer Symptome wie Fieber oder Atemwegsprobleme hatten.
„Das ist eindeutig die bessere Alternative zu Tagesaktivitäten in den Ferien“, ist Frieder Gerber überzeugt. Denn dort finde täglich eine Vermischung mit anderen Kontaktpersonen statt. Sein Ziel, und damit steht er nicht allein (siehe Kasten): „Wir wollen die fast normalen Jugendfreizeiten auch in der Pandemie zurückerorbern. Die Jugendarbeit wird sonst zermürbt.“