Weilheim und Umgebung

Hier fließt neuer Saft durch neue SchläucheDer Kampf um den Erhalt des Streuobstbaus

Streuobstwiesen Die Fruchtsaftkelterei Boller Fruchtsäfte schaut im Jubiläumsjahr optimistisch in die Zukunft und will das Verbraucherbewusstsein schärfen. Von Axel Raisch

Karin Stolz glaubt an die Zukunft des Streuobstbaus in der Region.Foto: Staufenpress
Karin Stolz glaubt an die Zukunft des Streuobstbaus in der Region.Foto: Staufenpress

Streuobstwiesen sind eine klasse Sache – solange sie auf Bildern, bei Spaziergängen oder verarbeitet im Glas genossen werden können. Aber beim Bücken und Aufklauben sieht es schnell anders aus. Während frühere Generationen es noch als selbstverständlich erachteten, Obst nicht verkommen zu lassen, bleiben die Früchte heute oftmals liegen.

„Der Streuobstanbau befindet sich in einer gewaltigen Umbruchphase“, bestätigt Karin Stolz, Geschäftsführerin der Boller Fruchtsäfte. „Mit idealisierten Märchen-Zielen für den Erhalt des Streuobsts werden wir wenig Erfolg haben“, fürchtet sie. Daher seien alle – Keltereien, Streuobstförderer, Politik und Kunden – gefordert, Konzepte und Ideen zu entwickeln. Diese sollen dazu beitragen, die veränderten Lebensgewohnheiten der Verbraucher und Streuobstwiesenbesitzer zu berücksichtigen.

Die seit 75 Jahren bestehende Familienkelterei Stolz aus Boll stellt sich diesen Veränderungen. „Du kannst den Wind nicht ändern, aber du kannst die Segel anders setzen“, zitiert Karin Stolz den griechischen Philosophen Aristoteles. „Mit „Bio“ und „Wiesen-Obst“ kann der Weg in die Zukunft gelingen“, sagt die Fruchtsaftherstellerin. „WiesenObst“ sei ein derzeit in Entwicklung befindliches Projekt mit geschützter Ursprungsbezeichnung. Verbraucher sollen dadurch besser erkennen, dass mit dem Kauf eines heimischen Produktes viel zum Erhalt „unserer wunderschönen – aber arbeitsintensiven – Kulturlandschaft“ getan werden kann, erklärt die Geschäftsführerin.

Hinzu kommen neue, trendige Produkte. Mit Cider könne man beispielsweise auch junge Menschen begeistern – wie dies in England, Frankreich und Spanien schon lange der Fall sei. Aber auch mit prickelnden Obstschaumweinen und sortenreinen Obstweinen sind die Boller Fruchtsäfte mittlerweile erfolgreich. Attraktiv seien die Produkte durch relativ niedrige Alkoholprozente und tollen Geschmackserlebnissen. „Mit Most hat das nichts mehr zu tun“, erklärt Karin Stolz. „Der Bedarf an biozertifiziertem Obst wird auch in Zukunft weiter steigen“, erwartet die Geschäftsführerin.

In diesem Jahr liegt der Preis für 100 Kilogramm konventionell produziertes Obst bei 8 Euro. Damit ist er zwar rund dreimal so hoch wie im Rekorderntejahr 2014, da die Ernte 2016 aufgrund der Trockenperiode im Sommer nur mittelprächtig war. Dennoch ist der Unterschied gegenüber biozertifiziertem Obst groß, berichtet Karin Stolz. Hier liege der Preis bei 18 bis 20 Euro – Tendenz steigend.

Konventionell produziertes Obst unterliegt auch deshalb einem enormen Preisdruck, weil es mit Obst aus Europa konkurriert. Hinzu kommt mangelndes Verbraucherbewusstsein: „Leider kann nur ein Teil des Obstes, das hier wächst, in der Flasche direkt vermarktet werden, weil viele Kunden keinen Wert auf die Herkunft der Früchte legen.“

Mit „Fair und Regional“ wollen die Boller daher das Bewusstsein der Käufer schärfen und so auch die Pflege der Streuobstwiesen wieder attraktiver machen. Das lohnt sich: „Die Qualität und der Geschmack unserer Früchte vom Albtrauf ist unverwechselbar, lecker und gesund – durch die wertvollen alten Hochstammbäume und alten Sorten, die es hier noch gibt“, erklärt Karin Stolz.

Für vernachlässigte Obstbäume gab es das EU-Programm Life plus, bei dem 2,6 Millionen Euro ausgeschüttet wurden. Kommunen finanzierten es mit. Jetzt fördert das Land den Pflegeschnitt, mit dem sich die Lebensdauer eines Baumes von 60 bis 70 auf 100 Jahre verlängern lässt. Das bringt einem Gütlesbesitzer bei 50 Bäumen 1500 Euro innerhalb von fünf Jahren. Kommunen können noch etwas drauflegen und haben oft ihre eigene Streuobstförderung.

Landesweit dürfte die Zahl der Bäume weiter schrumpfen, befürchtet Klingler, von neun auf sieben Millionen. Aber der Obstfachberater sieht eine Trendwende. Das Albvorland ist mit 1,5 Millionen Obstbäumen in ganz Mitteleuropa herausragend. Das führte auch zum EU-Vogelschutzgebiet.pm

Streuobstwiesen prägen den Albtrauf - doch wie lange noch?Archiv-Foto: Dieter Ruoff
Streuobstwiesen prägen den Albtrauf - doch wie lange noch?Archiv-Foto: Dieter Ruoff