Weilheim und Umgebung

Hier sieht man die Steine wachsen

Geopoint Das Gras wachsen hören kann jemand nur sprichwörtlich. Am Neidlinger Wasserfall kann man ein anderes Naturphänomen beobachten. Von Peter Dietrich

Der Neidlinger Wasserfall führt derzeit viel Wasser und ist ein tosendes Erlebnis.Fotos: Peter Dietrich
Der Neidlinger Wasserfall führt derzeit viel Wasser und ist ein tosendes Erlebnis.Fotos: Peter Dietrich

Nach den starken Regenfällen ist der Neidlinger Wasserfall derzeit besonders schön, ein tosendes Abenteuer. Deshalb war der Zeitpunkt zur Einweihung des neuen Geopoints an dieser Stelle bestens gewählt. Er war für alle Teilnehmer so erfreulich, dass sie kaum wieder gehen wollten, unter ihnen der grüne Fraktionsvorsitzende MdL Andreas Schwarz, die Erste Landesbeamtin Dr. Marion Leuze-Mohr und der Erste Landesbeamte im Alb-Donau-Kreis und Vorsitzende des Unesco Global Geoparks Schwäbische Alb, Markus Möller. So habe er den Neidlinger Wasserfall noch nie gesehen, sagte der Neidlinger Bürgermeister Klaus Däschler.

Jedes Jahr verliert die Schwäbische Alb rund 100 000 Kubikmeter Kalk, er wird vom Karstwasser fortgespült, das pro Liter im Durchschnitt 250 Milligramm Kalk enthält. Wo dieses Wasser an Quellen wieder an die Oberfläche kommt und wo es an Hindernissen zerstäubt wird, gibt es wieder Kalk ab und es entstehen Tuffpolster. Sie sind mit Moos überzogen und erhöhen nach und nach das Bachbett. Dieser Kalktuff kann im Lauf der Jahrtausende meterdick werden. Der Vorsprung aus Kalktuff, an dem der Neidlinger Wasserfall acht Meter in die Tiefe stürzt, wächst ebenfalls immer weiter.

Diese Vorgänge werden auf der neuen Schautafel erklärt, die am Neidlinger Wasserfall aufgestellt wurde. Sie bietet auch eine englischsprachige Übersetzung an. Die Tafel erklärt noch ein weiteres Phänomen: Manche Zweige und Blätter sind so stark von Kalk überzogen, dass sie beim Zusammendrücken knistern. „Dieses Geotop ist sehr sensibel“, warnt jedoch Iris Bohnacker, Diplom-Geologin beim Geopark Schwäbische Alb. „Man sollte auf den Wegen bleiben und über die empfindlichen Moospolster nicht drüber trampeln.“ Denn beim Betreten werden die filigranen Strukturen, die sehr langsam wachsen, zerstört. Bis sie sich erholt haben, dauert es sehr lange. Am jüngsten Gestein der Schwäbischen Alb, so Iris Bohnacker, lebten unter anderem Feuersalamander, Köcherfliegenlarven und Bachflohkrebse.

Mittelfristig sollen im Unesco Global Geopark Schwäbische Alb, der sich über zehn Landkreise erstreckt, die 100 bedeutendsten Geotope als Geopoint ausgewiesen werden, immer zweisprachig. Bisher gibt es 26 Geopoints, und der Landkreis Esslingen hat die Nase ganz vorne: Der Neidlinger Wasserfall ist im Landkreis bereits Geopoint Nummer neun. Markus Möller ist dabei auf die Unesco-Auszeichnung ganz besonders stolz: „Wir wollen sie unbedingt erhalten, sie gibt es weltweit nur 140 Mal.“ Bei der Überprüfung habe die Unesco aber mehr Personal und mehr Öffentlichkeitsarbeit für den Wasserfall zur Bedingung gemacht, beides werde nun umgesetzt: „Wir haben ab diesem Jahr 100 000 Euro mehr.“ Markus Möller hofft, dass der Geopark in die ständige Förderung des Landes aufgenommen wird.

Andreas Schwarz bekundete, dass er alles dafür tun werde, was er kann. Bisher gebe es keine Rechtsgrundlage für eine dauerhafte Förderung durch Landesmittel, wie das bei Naturparks und Biosphärengebieten der Fall sei, sagte er. Schwarz freut sich, „dass sich der Geopark besonders für die Umweltbildung stark macht“. Kinder, Jugendliche und Erwachsene könnten dort das geologische, archäologische, kulturhistorische und ökologische Erbe hautnah erleben. „Die Unesco-Anerkennung des Geoparks ist ein großes Pfund, auch für den Tourismus im ländlichen Raum.“

Einen Wermutstropfen hat der neue Geopoint: Derzeit ist der Neidlinger Wasserfall nur von unten her zugänglich, zu Fuß mit einer kräftigen Steigung. Der ebenere Zugang vom Wanderparkplatz an der Kehre der L 1200 aus ist seit Längerem wegen Steinschlaggefahr gesperrt.

Bürgermeister Klaus Däschler nutzte die Gelegenheit, mit Marion Leuze-Mohr über eine Lösung zu sprechen, denn über eine Freigabe oder Schutzmaßnahmen muss der Landkreis entscheiden. Die gesperrten Wege sind auch für die Neidlinger Landwirte wichtig, die die Flächen auf der Albhochfläche bearbeiten. Ist die L 1200 gesperrt, bleibt ihnen derzeit - neben einer sehr steilen, nicht für jedes Fahrzeug tauglichen Umfahrung - nur der weite Umweg über Hepsisau.

 

Info: Die nächste größere Aktion des Geoparks sind die „Geoparkwochen“ von 8. bis 23. Juni. Zum Programm gehören Besichtigungen der Neidlinger Kugelmühle, eine Führung durch den Juramoor-Steinbruch am Naturschutzzentrum Schopflocher Alb, eine Führung durchs Schopflocher Moor und eine Heilpflanzenführung. Weitere Infos unter www.geopark-alb.de.

Der neue Geopoint „Neidlinger Wasserfall“ ist fertig - von links Marion Leuze-Mohr, Andreas Schwarz, Klaus Däschler und Markus M
Der neue Geopoint „Neidlinger Wasserfall“ ist fertig - von links Marion Leuze-Mohr, Andreas Schwarz, Klaus Däschler und Markus Möller.