Weilheim und Umgebung
Hier wächst mehr als gutes Gemüse

Anbau Die „Solidarische Landwirtschaft“ am Randecker Maar liefert regionale, saisonale und biologisch angebaute Produkte. Das Modell bietet faire Bedingungen für die Erzeuger. Von Anke Kirsammer

Sie heißen Pirat oder Forellenschluss. - Salate, mit rotbraunen oder rot gepunkteten Blättern, die man in keinem Supermarkt kaufen kann. „Es gibt richtig abgefahrene Sachen“, sagt ­Verena Einödshofer begeistert. Zusammen mit ihrem Mann betreibt sie am Randecker Maar auf 1000 Quadratmetern eine solidarische Landwirtschaft, kurz „Solawi“. Zehn Ernteanteile hat die Kooperative, die sich vor bald zwei Jahren gegründet hat. Die Jugendhilfe Ziegelhütte als größter Abnehmer und fünf Familien aus Schopfloch, Bissingen und Ochsenwang haben sich darin zusammengetan. Eine Warteliste zeigt das große Interesse an dem alternativen Modell.

Dessen Prinzip ist einfach: Im November oder Dezember legen die Mitglieder in einer Bieterrunde fest, wie hoch das Budget fürs kommende Jahr ist, wie viel jeder bezahlt und was angebaut wird. Jeden Monat gibt es einen gemeinsamen Arbeitseinsatz auf dem Acker, und einmal in der Woche bekommt jeder eine bunte Kis­te gepackt, in der sich Rote Bete, Zwiebeln, Zucchini, Sellerie, Pas­tinaken, Fenchel oder andere Gemüsesorten versammeln, die gerade reif sind. Das Ernten übernehmen die Einödshofers. „Es gibt das, was gerade wächst“, sagt die studierte Landwirtin. Sind Solawi-Mitglieder verreist, organisieren sie selbst Ersatz - meist Nachbarn oder Freunde, die sich über das frische Gemüse freuen.

Für Verena und Stefan Einödshofer ist Urlaub eher selten möglich. Mehr als mal ein paar Tage wegzufahren, geht im Sommer nicht. Regelmäßig muss Unkraut gejätet, gepflanzt, gesät und gegossen werden. „Die Arbeit verlangt uns viel ab, aber wir sind idealistisch“, so die 39-Jährige. „Es macht einfach Spaß zu sehen, wenn etwas wächst und wenn sich die Leute freuen, gutes Gemüse zu bekommen.“ Ein komplettes Zimmer in ihrem angrenzenden Haus dient im Frühling der Aufzucht ihrer „Babys“ - Sämereien und Setzlinge in Bio- oder Demeterqualität.

Eine große Rolle spielt in der Solawi der Umweltaspekt. Pestizide sind tabu. Stattdessen wird versucht, Schädlingen dadurch das Leben schwer zu machen, dass bestimmte Gemüsesorten in Mischkultur nebeneinander gepflanzt werden. So wächst Lauch neben Karotten. „Die Möhrenfliege mag den Geruch von Lauch nicht“, erklärt Verena Einödhsofer.

Biologischer Anbau bedeutet auch, den Boden nicht auszulaugen. Um Humus zu erhalten und aufzubauen, und damit die Erde trotz des zunehmend trockenen Klimas feucht bleibt, wird regelmäßig gemulcht. Geachtet wird auf eine wechselnde Fruchtfolge: Wo vorher beispielsweise Salatköpfe wuchsen, treibt jetzt Getreide als Gründünger in die Höhe. Auch für Bienen gibt es immer genug: So blüht neben Borretsch die Phacelia an unterschiedlichen Stellen auf dem Feld.

Leben lässt sich von der kleinen Solawi nicht. Mit einer etwas größeren Fläche wäre das möglich, sagt ­Stefan Einödshofer. Sollte es sich zu einem eigenen Hof entschließen, käme für das Ehepaar nur eine Solawi infrage. „Menschen, die in der Landwirtschaft arbeiten, haben oft nur die Wahl, die Natur oder sich selbst auszubeuten“, so der Betriebs- und gelernte Landwirt. Auch der ökologische Landbau sei von diesem Mechanismus nicht ausgenommen. Die Existenz von Landwirten hänge von Subventionen und Marktpreisen ab. - Faktoren, auf die sie keinen Einfluss haben. Solidarische Landwirtschaft punkte dagegen mit frischen, saisonalen und regionalen Lebensmitteln, biete Transparenz für Verbraucher und faire Bedingungen für die Erzeuger. Kleine Betriebe hätten damit die Chance, ihre Höfe zu erhalten.

„Wir haben schon viel entwickelt, und es ist richtig gut geworden“, sagt Verena Einödshofer stolz, betont aber auch: „Wir hätten gern mehr Zeit.“ Mehr Zeit, um ausgefallene und erhaltenswerte, alte Sorten am Randecker Maar zu erproben. In diesem Jahr waren es zum Beispiel der rote Krauskohl, ein roter Spitzkohl, die schwarze Ungarin - eine alte Kartoffelsorte - und die Haferwurzel. Auch ein Wintersalat, der bis minus 20 Grad aushalten soll, steht derzeit auf dem Acker. „Ein Ziel ist, die Mitglieder möglichst lange im Jahr zu versorgen. Das ist auf der Alb gar nicht so einfach“, so die passionierte Landwirtin. „Wir sind aber auf einem guten Weg.“