Es war ein Abenteuer, auf das sich Lea John einließ: Vier Wochen lang arbeitete die 20-Jährige in einem Hotel an der Küste Ghanas. Dort baute sie Bambusstühle und deckte Dächer von Bungalows neu. „Weil sie in Meernähe stehen, verwittert alles sehr schnell“, erklärt die Weilheimerin. Schon die Fahrt vom Flughafen war spannend: In einem klapprigen, für neun Leute ausgelegten Van ging es zu zwölft von der Hauptstadt Accra zum „Ankobra Beach Resort“ unweit der Stadt Axim. Sechs Stunden dauerte die 300 Kilometer lange Fahrt über holprige Straßen. „Ich kannte mich ja nicht aus. Das Auto hätte überall hinfahren können“, überlegt sie und staunt im Rückblick selbst etwas über ihren Mut. Mit dem Freiwilligendienst erfüllte sich die aufgeschlossene junge Frau einen langgehegten Wunsch. Eigentlich hatte sie vor, nach dem Abi ein FSJ zu absolvieren. Doch wie bei so vielen Jugendlichen durchkreuzte Corona ihre Pläne. Jetzt also ging es für einen Monat nach Westafrika. „Es war super, dass ich alleine unterwegs war, sonst hätte ich nicht so viele Leute kennengelernt.“
Im zweiten Jahr absolviert Lea John bei der Schreinerei Hepperle in Neidlingen eine Ausbildung. Der Betrieb fertigt in erster Linie Massivholzmöbel jeglicher Art. An dem Tag, an dem das Gespräch stattfindet, stemmte sie für Küchenschubladen aus Ahornbrettern 200 Zinken heraus. Sie weiß zu schätzen, dass ihr Chef ihr auch schwierige Aufgaben überträgt: „Was ich hier mache, dürfen andere am Ende ihrer Lehrzeit noch nicht.“ Der Umgang mit Kreissäge, Hobelmaschine und Bandschleifer gehört bereits seit einem halben Jahr zu ihrem beruflichen Alltag.
Von alledem gab es in der notdürftig eingerichteten Werkstatt in Ghana nichts. „Sie hatten Fuchsschwänze, Nägel, Stecheisen und einen Handhobel“, erzählt sie. Auf glatte Oberflächen werde nicht viel Wert gelegt. Genauso wenig auf Arbeitssicherheit und Pünktlichkeit. Arbeitsbeginn sollte um 8 Uhr sein. „Außer mir war um die Zeit keiner da“, sagt sie und schmunzelt darüber, wie „mega gelassen“ alle waren. Für Lea John, deren Leben auch in der Freizeit komplett durchgetaktet ist, eine ganz neue Erfahrung. Sie spielt nicht nur Klavier und singt im Neidlinger Frauenchor „anima musica“, sondern macht auch Zumba, gibt Kinderturnen, baut Gemüse an und verkauft unter dem Label „NähtLe“ selbstgefertigte Kinderkleidung.
Dass sich eine Frau in eine Männerdomäne wie das Schreinerhandwerk „verirrt“, war den Ghanaern fremd. „Sie haben mir anfangs nichts zugetraut“, erzählt Lea John. Erst als die Kollegen sahen, dass sie ganz selbstverständlich auf die Leiter stieg und Holzlatten gekonnt absägte, durfte sie mitarbeiten. Als Exotin allein unter Jungs beziehungsweise Männern zu sein, begleitet die Weilheimerin seit der Schulzeit. Ob im Technikunterricht an der Realschule, in ihrem Ausbildungsbetrieb oder in ihrer Klasse in der Berufsschule – überall ist sie allein auf weiter Flur. Dass Rücksicht auf sie genommen wird, kommt für die toughe junge Frau nicht infrage. „Letzte Woche haben wir den ganzen Tag Türen in einem Haus in den dritten Stock getragen und eingebaut. Da helfe ich genauso mit wie meine Kollegen. – Es wird besser mit dem Lupfen“, betont sie auf gut Schwäbisch. Den „Lohn“ für die Mühe bemisst sie in Liegestützen: „Vor der Ausbildung habe ich zehn geschafft, jetzt sind es 40.“
Manchmal war es extrem anstrengend
Beste Voraussetzungen, um nur unter dem Schutz eines Wellblechdachs in der Hitze Afrikas zu sägen und zu hobeln, bis die Oberarme brennen. „Das war manchmal schon extrem anstrengend“, sagt die sympathische Weilheimerin. Als „offen und hilfsbereit“ hat sie ihre ghanaischen Kollegen schätzen gelernt, aber auch gesehen, wie arm sie sind. Das treibt sie um, wenn sie zurückdenkt. „Sie sind zufrieden mit dem, was sie haben. Das hat mich mega beeindruckt“, sagt sie. „Sie sind froh, wenn sie ihr Essen kaufen können.“ Zum Monatsende reicht der Verdienst aber oft nicht einmal dafür.
Sie wurde im Hotel versorgt. Auf den Tisch kamen viel Fisch und Produkte der eigenen Bio-Landwirtschaft, Spezialitäten wie Kenkey – eine Art Kloß aus fermentiertem Mais – sowie Fufu – ein Gericht aus Maniok und Kochbananen. „Das Essen ist speziell, aber mit der Zeit hat alles sehr gut geschmeckt“, sagt sie. Der deutsche Hotelchef legt Wert auf Umwelt- und Meeresschutz und entsendet Freiwillige an Kindergärten und Schulen.
Auch Lea John hat eine Volksschule in Axim besucht und gesehen, dass es an allem fehlt. „Nur der Lehrer hat ein Buch. Wie sollen die Kinder etwas lernen, wenn sie nicht mal Stifte haben?“, fragt sie sich. Um zu helfen, will sie nun vor Ort Material beschaffen und der Schule übergeben. Wenn Corona es zulässt, fliegt sie am ersten Weihnachtsfeiertag erneut für drei Wochen nach Ghana. Dieses Mal geht sie mit ihrer Mutter, um das Land zu erkunden. Geldspenden für das Schulmaterial nimmt sie auf folgendem Spendenkonto entgegen:
Volksbank Mittlerer Neckar
DE75 6129 0120 0112 4206 05