Weilheim und Umgebung

Holzmadener Ehepaar hilft 20 Geflüchteten aus der Ukraine

Krieg Elmar und Janina Büchler aus Holzmaden haben sechs Ukrainerinnen und Ukrainer aufgenommen und kümmern sich um 14 weitere. Das Helfen an sich sei einfach, sagen sie. Die Herausforderung liegt in den Formalien und Behördengängen.  Von Thomas Zapp

Sie sind froh, in Sicherheit zu sein: Dank Janina (rechts mit Kinderwagen) und Elmar Büchler (kniend Mitte) haben sie in Holzmaden und Umgebung einen Unterschlupf gefunden.

Die Girlande mit den Buchstaben „Herzlichen Glückwunsch“ hängt noch im Wohnzimmer: Dass ihre Zwillinge gerade den ersten Geburtstag gefeiert haben, ist beim Holzmadener Ehepaar Janina und Elmar Büchler fast zur Nebensache geraten. Denn seit in der Heimat seiner Frau der Krieg ausbrach, herrscht bei Büchlers Ausnahmezustand. „Das fühlte sich so unrealistisch an“, sagt Janina Büchler. Als ihr Mann sie am Morgen des 24. Februar weckte, um ihr zu sagen, dass der Krieg ausgebrochen war, konnte sie es nicht glauben. Zu dieser Zeit war zufällig Janinas Vater mit der Freundin des ältesten Sohnes Daniel zu Besuch in Holzmaden. Schnell stand fest: Sie konnten nicht mehr in ihre Heimatstadt Sumy im Nordosten der Ukraine zurückreisen.

Ihre Mutter und zwei Brüder sitzen derzeit in der Großstadt nördlich von Charkiw fest. Andere haben es geschafft, wie ihr Neffe, der wegen einer Operation während der Flucht eine Drainage trug und in Deutschland dringend operiert werden musste. Elmar Büchler fand mit viel Mühe ein Krankenhaus, das ihn operierte, persönliche Kontakte halfen ihm dabei. „Das Krankenhaus hat uns dann mitgeteilt, dass es sein kann, dass wir die Kosten noch übernehmen müssen“, sagt Elmar Büchler. Aber dieses Problem ist momentan hinten angestellt.

15 Stunden im Zug ohne fließend Wasser

Mittlerweile sitzt auch der Neffe im Wohnzimmer der Büchlers und spielt ein Videospiel. Auf dem Bildschirm sind Panzer zu sehen, der 14-Jährige wirkt entspannt – offenbar hilft es ihm, das Erlebte zu verarbeiten. Eine junge Frau flüchtete mit ihrem Baby, ihrem 13 Jahre alten Sohn und der Mutter im Zug. „Sie waren 15 Stunden in einer Art S-Bahn unterwegs, ohne fließend Wasser in den Toiletten“, berichtet Janina Büchler. „Sie sah furchtbar erschöpft aus, als sie hier ankam“, ergänzt ihr Mann. Die junge Mutter ist mittlerweile mit fünf weiteren Gästen bei einer Nachbarin in Holzmaden untergekommen.

Bei den Büchlers selbst leben derzeit sechs geflüchtete Bekannte und Verwandte aus Sumy. Während das Holzmadener Ehepaar mit ihren Kindern und zwei Gästen im noch nicht ganz fertiggestellten Neubau wohnen, sind weitere vier Geflüchtete in das leer stehende alte Haus eingezogen, das eigentlich abgerissen werden sollte, um einer Garage zu weichen. Kurzerhand wurde es wieder mit Wasser und Strom versorgt sowie mit Möbeln eingerichtet. „Da haben wir unheimlich viel Hilfe aus dem Ort und der Region erfahren“, freut sich Elmar Büchler.

Mit 17 Geflüchteten aufs Amt

Dagegen bereitet ihm die Bürokratie am meisten Kopfzerbrechen, wie ein Detail zeigt: Er muss Mietverträge mit seinen Gästen abschließen, um Nebenkosten abrechnen zu können. Auch hat nicht jeder Reisepässe mitgenommen, einige haben nur die Geburtsurkunde in kyrillischer Schrift. Nur sind die vier ukrainischen Konsulate in Deutschland mittlerweile hoffnungslos überlaufen. Auch Medikamente für seinen Schwiegervater zu bekommen, hat sich als äußerst schwierig erwiesen. Eine Bestätigung des Arztes in Sumy ist ein Ding der Unmöglichkeit. „Die Ärzte hier schicken einen ins Krankenhaus, dort behandelt man aber nur, wenn es ein Notfall ist.“ Irgendwann klappt es dann doch irgendwie.

Es gibt auch Lichtblicke: Am Donnerstag war Elmar Büchler mit 17 Ukrainerinnen und Ukrainern auf dem Landratsamt, um eine Aufenthaltsgenehmigung zu bekommen. Rund vier Stunden hatte die Prozedur gedauert, war aber von Erfolg gekrönt. „Wir haben es weitestgehend geschafft“, erzählt Elmar Büchler, der mittlerweile rund 150 Dokumente verwaltet. Da traf es sich gut, dass ihm sein Arbeitgeber eine Woche Sonderurlaub gegeben hatte. Auch die ersten Kostenerstattungen des Landkreises sind nach mehr als drei Wochen eingegangen, und die kann der Holzmadener gut gebrauchen: Für bis zu 20 Personen hatte er in den ersten Wochen die Verpflegung bezahlt. Viele hatten zwar ihr ukrainisches Bargeld zusammengerafft, nur bringt ihnen das in Deutschland nichts: Keine Bank wechselt derzeit Hrywnja in Euro.

Doch die Anstrengungen lohnen sich: Die geflüchteten Kinder gehen bereits in Weilheim zur Schule, wenn auch nur stundenweise. Es gibt eine Lehrerin, die zwar kein Russisch oder Ukrainisch kann, aber Deutsch als Fremdsprache. „Helfen ist einfach, aber behördlich entstehen unendlich viele Herausforderungen“, sagt Elmar Büchler. Er und seine Frau sind trotzdem froh über ihr kleines bis mittleres Chaos, in dem sie derzeit leben: Denn alle sind hier erst mal in Sicherheit.

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