Geht in die Kampfstellung, entspannt euch, guckt nach vorne, blendet alles aus“, gibt Mark Wamsler Jugendlichen präzise Anweisungen. Eine Momentaufnahme im Heil- und Erziehungsinstitut für Seelenpflege-bedürftige Kinder in Bad Boll-Eckwälden, zugehörige Schule zum Sonderpädagogischen Bildungs- und Beratungszentrum.
Mit Hingabe bietet Mark Wamsler seinen Schützlingen drei Säulen an: Schwertkampf, Schreibwerkstatt und Huskys. Selbst als Lichtschwertkämpfer und Schriftsteller nebenbei aktiv, weiß er, dass das Kämpfen mit passiven Elementen Ausdauer und Empathie, Selbstdisziplin, Rücksichtnahme und Teamfähigkeit sowie das Verantwortungsbewusstsein fördert. Noch intensiver agieren die Jugendlichen in seiner Schreibwerkstatt. Dort motiviert sie der 46-Jährige zum Lesen und, noch wichtiger, zum Schreiben. Selbstständig sollen sie ihre Gedanken und Geschichten zu Papier bringen, was Konzentration, Ausdruck, Fantasie und Sprache begünstigt. „Heute wird ja fast nur noch konsumiert. Mir ist es wichtig, dass junge Menschen ihre Erlebnisse so umschreiben, dass es wiederum für junge Menschen lesenswert ist“, erklärt der Pädagoge und Buchautor und freut sich über die Unterstützung seitens der Schulleitung.
Und die Huskys? Die sind für die in ihrer Seele verletzten Heranwachsenden einfach nur da. Man darf sie berühren, spüren, fühlen, ihnen nah sein, ohne dass die Hunde etwas von den Jugendlichen einfordern.
Mark Wamsler ist einer der Lehrer der Inselklasse mit dem Ziel, „die Jungen und Mädchen so zu sozialisieren, dass sie wieder im normalen Alltag Fuß fassen können. Unsere Hoffnung ist, dass sie eine Ausbildung schaffen.“ Dazu gehören auch Kleinigkeiten, wie beispielsweise Erwachsene nicht zu duzen oder Aufgaben zu verweigern. „Die Frustrationstoleranz ist sehr gering. Manche geben beim ersten Misserfolg gleich auf, werden jähzornig und aggressiv oder resignieren. „Respektvoller Umgang mit Gleichaltrigen ist ein großes Thema, Meinungsverschiedenheiten verbal und nicht mit Fäusten zu klären.“ Der Pädagoge ist überzeugt davon: „Kein Kind kommt verhaltensauffällig oder aggressiv auf die Welt.“ Manche kommen aus schlimmen Verhältnissen. Traumatisierte oder „verhaltensoriginelle“ Kinder und Jugendliche, die kein intaktes Elternhaus kennen und im schlimmsten Fall bereits in jungen Jahren zu Hause oder in ihrem näheren Umfeld seelische und körperliche Misshandlungen und Missbrauch erfahren mussten. „Unsere Arbeit ist Beziehungsarbeit, man muss das auffangen. Es geht nicht um Mathe, sondern um Menschlichkeit. Hier werden Schüler nicht mit Fleiß hoch getriggert, wir müssen es hinkriegen, dass sie gesellschaftsfähig werden, danach gibt es nicht mehr viele Möglichkeiten.“
Seit 2019 ist Simone Kaiser aus Bartholomä mit ihren Huskys gerngesehener Gast in Eckwälden. „Ich bin voll der Fan von Hunden“, verrät Yannick, und auch Leonie beteuert: „Ich mag die komplett.“ Beide 15-Jährigen genießen die „Husky-Hautnaherlebnisse“, die ihnen die ausgebildete Führerin von Hundeschlitten bietet. „Die nordischen Hunde sind vom Naturell her sehr offen und freundlich“, erzählt Simone Kaiser. Mit zwölf Jahren habe ihre Liebe zu den Huskys begonnen, dann wurde das Hobby zum Beruf. Heute hat sie Yari, Yas und Etu mitgebracht - „sie haben ein sehr ruhiges Gemüt.“
Verhaltensoriginell, verhaltenskreativ oder auch verhaltensauffällig, ist ein populärwissenschaftlicher, das heißt unwissenschaftlicher Begriff. Er wird manchmal in abmildernder oder verschleiernder Weise verwendet, um vor allem bei Kindern ein auffälliges und generell unerwartetes Sozialverhalten zu kennzeichnen.