Weilheim und Umgebung

Im Herzen des Museums kommen die Saurier ans Licht

Versteinerungen Der Präparator Klaus Nilkens legt im Holzmadener Urweltmuseum Hauff in akribischer Feinarbeit Fossilien frei. Von Anke Kirsammer

Wieder und wieder kratzt der Schaber über die dunkelgraue Platte. Häufchen von Schieferstaub sammeln sich unter den Händen von Klaus Nilkens. Vorsichtig fegt er das Pulver beiseite. Zum Vorschein kommen schemenhaft feine Rippen eines Ichthyosauriers. „Das spürt man nicht, sondern das sieht man an der anderen Farbe“, erklärt der Präparator des Urweltmuseums Hauff. „Früher hat man auf diese Art viel mehr freigelegt“, erklärt der 54-jährige Weilheimer. Seit 25 Jahren beschäftigt er sich in Holzmaden mit den versteinerten Überresten der einstigen Jurameerbewohner. Ein Vierteljahrhundert, in dem er in der Präparationskunst einiges bewegt und dem Museum seinen Stempel aufgedrückt hat.

Die Werkstatt des Präparators ist für den Leiter des Urweltmuseums, Rolf Hauff, das Herzstück des Hauses: „Nilkens trägt ein Wissen in sich, das für uns äußerst wertvoll ist.“ Der Spezialist für Holzmadener Fossilien gibt sein Know-how auch auf Vorträgen vor Fachpublikum weiter und lässt sich im Rahmen von Hospitationen von Kollegen bei der Arbeit über die Schulter schauen.

Die meisten Funde, die der Präparator unter anderem mit Diamanttrennscheiben, -fräsern und -bohrern von den schützenden Gesteinsschichten befreit, schlummern bereits seit über 100 Jahren im Verborgenen im Museum. Jedes Exemplar ist fein säuberlich auf Karteikarten registriert. „Im Moment wird nicht mehr viel gefunden, weil derzeit kaum Schiefer verbaut wird“, erklärt Rolf Hauff. „Spektakulär“ sei da im Jahr 2012 der Fund eines versteinerten Haifischs im Ohmdener Schieferbruch Kromer gewesen.

Mit Hammer und Meißel beziehungsweise mit Schabern unterschiedlicher Härtegrade wird heute beim Präparieren lediglich grob vorgeschafft. Die Feinarbeit erledigt Klaus Nilkens mit der sogenannten Strahltechnik. Ähnlich dem Sandstrahlverfahren, wird unter Druck in einem Glaskasten mit chemisch reinem Eisenpulver das Material abgetragen, in das das Fossil eingebettet ist. Zum Vorschein kommt eine exaktere, weniger glatte Oberfläche der Versteinerung als beim Schaben. „Der Holzmadener Schiefer galt lange Zeit als nicht strahlbar, aber dann hat man festgestellt, dass es mit dem Eisenpulver hervorragend funktioniert. Das ist eine ganz feine Sache“, so Nilkens.

Längst nicht alle präparierten Fossilien finden einen Platz in den Vitrinen oder an den Wänden des Holzmadener Urweltmuseums. Neben dem wissenschaftlichen Aspekt spielen finanzielle Gründe die Hauptrolle. „In jedem größeren naturkundlichen Museum der Welt gibt es Präparate von uns“, sagt Rolf Hauff. Beispielhaft nennt er Häuser in Berlin, Uppsala und Pennsylvania. So gehörte zu den Holzmadener Ausstellungsstücken lediglich ein einziger Flugsaurier. Bei den übrigen Exemplaren, die die Besucher jetzt bewundern können, handelt es sich um Kopien. Dazu wurden die Originale aus anderen Museen ausgeliehen und restauriert. Hauff ist stolz auf diesen „Deal“, der Holzmaden Exponate beschert hat, die kaum vom Original zu unterscheiden sind. Ähnlich wie bei der Herstellung einer Zahnprothese fertigt der Präparator aus Silikonkautschuk einen Negativ-Abdruck an. Er wird anschließend mit Kunstharz ausgegossen, um das gewünschte Relief zu bekommen. Damit das Ausstellungsstück möglichst naturgetreu aussieht, wird das Imitat wie bei einer Intarsienarbeit in eine Schieferplatte eingelassen.

„In meinem Beruf gibt es viel Routine, es begegnet mir aber immer wieder auch Neues“, sagt Klaus Nilkens. Besonders verankert hat sich in seinem Gedächtnis ein Krokodilsaurier. Ein halbes Jahr an Arbeitszeit hatte der Präparator bereits in das Fossil investiert, da kam Rolf Hauff die Idee, Nilkens solle an Augen- und Hinterhauptöffnungen weiter hinunterarbeiten. Dabei entdeckte Nilkens kleine Nadeln. „Ich wusste, die konnten nicht zu dem Krokodil gehören“, erinnert er sich. Bei näherem Hinsehen entpuppten sich die Nadeln als Seeigelstacheln. Zum Vorschein kam schließlich ein Seeigelskelett. „Das Ganze wurde zu einem wissenschaftlich interessanten Stück, weil es sich um eine noch nicht beschriebene neue Seeigelart handelte“, so Nilkens.

Während solche Besonderheiten die Ausnahme bleiben, kümmert er sich häufig um das Restaurieren von Versteinerungen. Auch das größte Projekt, an dem der Präparator mitgearbeitet hatte, zählt dazu: Über zwei Jahre lang musste die 18 Meter lange und sechs Meter hohe Seelilienkolonie restauriert werden. Die weltweit größte, im Urweltmuseum Hauff ausgestellte Kolonie, war durch Pyrit stark in Mitleidenschaft gezogen.

Dass er am Fuße der Schwäbischen Alb, in der Heimat der Holzmadener Fossilien, so lange bleiben würde, hätte sich Klaus Nilkens nicht vorstellen können, als er sich Anfang der 1990er-Jahre zum Wegzug aus dem Ruhrgebiet entschloss. „Dass er schon so lange hier ist, spricht für die Faszination, das Umfeld und dafür, dass man sich gut versteht“, sagt Rolf Hauff. Seit jeher führt Klaus Nilkens, der sich privat der Fotografie verschrieben hat, auch Besucher durchs Museum. „Das ist für mich ein schöner Ausgleich zur Beschäftigung mit den toten Sauriern“, sagt er.

Das Interesse an der Urzeit ist ungebrochen. Rund 400 Schulen buchen in Holzmaden jährlich Führungen. Einen wahren Dino-Hype hatte Steven Spielbergs Fantasyfilm Jurassic Parc 1993 ausgelöst. Dass die Faszination geblieben ist, erklärt Rolf Hauff mit der Dimension der Saurier und damit, dass es die Urwelttiere, anders als Filmwesen, die der Fantasie entsprungen sind, tatsächlich gab. ww