Weilheim und Umgebung

Immer wieder bis fünf zählen

Für die ZDF-Wahlprognose hat die Forschungsgruppe Wahlen in Bissingen Wähler befragt

Kaum waren am Sonntag die Wahllokale geschlossen, lagen bereits die ersten Prognosen vor, noch vor der ersten Auszählung. Denn während der Wahl hatten Forschungsinstitute Wähler für das ZDF befragt.

Florian Lutz aus Kirchheim und Teckboten-Mitarbeiter Peter Dietrich haben in Bissingen für das ZDF und die Forschungsgruppe Wahl

Florian Lutz aus Kirchheim und Teckboten-Mitarbeiter Peter Dietrich haben in Bissingen für das ZDF und die Forschungsgruppe Wahlen jeden fünfte Wähler des Wahllokals 001-02 befragt. Im Bild bittet Florian Lutz eine junge Wählerein um das Ausfüllen des Fragebogens. Foto: Peter Dietrich

Bissingen. Sonntagmorgen, 7.45  Uhr. Florian Lutz ist schon da. Im Foyer vor dem großen Sitzungssaal im Bissinger Rathaus stehen zwei Stühle und Bistrotische. Das ist gut, denn eine Garantie für einen angenehmen Platz gibt es vorher nie – auch wenn die Organisation der Forschungsgruppe Wahlen aus Mannheim, die für das ZDF im Einsatz ist, stets sehr zuverlässig ist. Die Zusammenarbeit mit dem Bis­singer Wahlpersonal des Wahllokals 001-02 war ebenfalls bestens, inklusive selbst gebackenem Schokokuchen.

Die Kalorien sind nötig, denn es ist unerwartet anstrengend, zehn Stunden lang immer wieder auf fünf zu zählen. Laut Anweisung der Forschungsgruppe Wahlen war exakt jeder fünfte Wähler zu befragen. Abweichungen im Stil von „das macht mein Mann“ waren nicht erlaubt, da ist die Statistik heikel. Auch Bürgermeister Marcel Musolf zählte zu den Befragten, denn er war der fünfte Wähler. Genaues Hinsehen war nötig: War da jemand, das kam öfters vor, im falschen Stock gelandet, und verließ das Wahllokal ungewählt? Eine Beobachtung am Rand: Der Aufzug im Bissinger Rathaus hatte am Sonntag einen Großeinsatz, vom Kinderwagen bis zu gehbehinderten Fahrgästen, und war absolut nötig. Das war auch die Heizung, die der Hausmeister erst einmal entlüften musste.

Die Befragung geschah erst nach dem Verlassen des Wahllokals, sie war anonym. Waren hoffentlich alle sieben Fragen beantwortet, kamen die Fragebogen in eine Pappurne. Diese wurde etwa alle drei Stunden zu genau festgelegten Zeiten geleert und die Antworten wurden per Handy nach Mannheim übermittelt. Ein Buchstabe auf dem Fragebogen stand für die Frage, eine Ziffer für die Antwort, „A2-B1-C4“ wäre also ein Wähler der Grünen, männlich, 35 bis 44 Jahre. Weitere Fragen galten dem Beruf, der Gewerkschaftsmitgliedschaft und der Landtagswahl im Jahr 2011. So können die Institute die Wählerbewegungen untersuchen: Wer ist von welcher Partei wohin gewechselt? Auch die Antworten „habe 2011 nicht gewählt“ oder „weiß nicht mehr“ waren möglich.

Manche Wähler fanden die ZDF-Befragung sehr interessant. Sie hatten sich etwa zuvor gefragt, wie die Wählerbewegungen erkundet werden. Einzelne baten darum, einen leeren Fragebogen mitnehmen zu dürfen, das Mitgeben war erlaubt. Ein junger Mann dachte weiter: „Da mache ich mein Kreuzchen an der falschen Stelle, dann stimmt die Prognose nicht.“ Ihm muss gesagt werden, dass die Befragung in vielen Wahllokalen stattfindet. Der Befragungsrhythmus ist unterschiedlich, manche Befrager müssen auch bis sieben zählen.

Die Befragung ist freiwillig, traditionell wird sie am ehesten von älteren Damen verweigert. In Bissingen gab es aber vermehrt männliche und jüngere Verweigerer. Es gab auch Einzelne, die den Fragebogen unvollständig ausfüllten, trotz der Anonymität. Manche ließen die erste Frage, welche Partei sie gerade gewählt hatten, einfach aus.

Ein wenig spannend war es schon: Würde die spätere Auszählung dem eigenen Eindruck von der Datenübermittlung entsprechen? Bei den meisten Parteien ja, mit einer Ausnahme, der AfD. Ihr tatsächliches Bissinger Ergebnis von knapp zwölf Prozent legte nahe, dass unter den Befragungs-Verweigerern viele AfD-Wähler waren. Am Ende noch ein kleiner Test: Stimmt unsere Fünfer-Strichliste mit der Zahl der abgegebenen Stimmen überein? Die Abweichung war minimal, bei großem Andrang waren nur ganz vereinzelte Wähler durchgerutscht.

Florian Lutz hatte durch eine Anzeige im Teckboten zur Forschungsgruppe Wahlen gefunden, eine Schulung besucht und war ein hervorragender Befragungspartner. Leute wie ihn fragt die Forschungsgruppe bei künftigen Wahlen gerne erneut an. Die Pappurne darf aber ins Altpapier. Mit jedem neuen Unterlagenpaket für eine Wahl gibt es ein neues Exemplar – und ein neues blaues Klemmbrett und einen Kugelschreiber mit ZDF-Logo.

Der Beginn der Auszählung in Bissingen. Fotos: Peter Dietrich

Der Beginn der Auszählung in Bissingen. Foto: Peter Dietrich