Weilheim und Umgebung

Ja, wo fliegen sie denn?

Naturschutz Die Forschungsstation Randecker Maar wird von einem privaten Verein betrieben. Der hat es sich zur Aufgabe gemacht, den Vogelzug zu erforschen. Von Peter Dietrich

Vogelzugbeobachtung an der Forschungsstation Randecker Maar. Von links: der Leiter Aron Roßmanith, Wulf Gatter (stehend), Eva No
Vogelzugbeobachtung an der Forschungsstation Randecker Maar. Von links: der Leiter Aron Roßmanith, Wulf Gatter (stehend), Eva Notz und Markus Kückenwaitz.Foto: Peter Dietrich

Wie viele Stare waren das gerade? 30? „Etwa 80“, entgegnet Wulf Gatter. „Die Anfänger unterschätzen die Schwärme.“ Und was für ein Vogel kreist dort oben? „Ein Bussard, er hält die Flügel leicht V-förmig über der Waagerechten.“ Lange ist die Liste auf den Stunden- und Tagesprotokollen, insgesamt können 230 Vogelarten am Randecker Maar vorbeiziehen. An diesem Montag ist auch die Kornweihe dabei, ein sehr seltener Greifvogel, die Forscher sind hoch erfreut. Stationen wie diese gibt es in Europa nur eine Handvoll. Die Station am Randecker Maar, auf 790 Meter Höhe, besteht seit 1970 und finanziert sich über einen Verein durch Spenden und Gutachten.

Im Jahr 2000 hat Gatter ein Fachbuch zum Vogelzug veröffentlicht, mit mehr als 650 Seiten. Vögel hat er schon vor 50 Jahren mit Mitschülern beobachtet, zuerst am Hohenbol, einem Vorberg der Teck, später am Sattelbogen zwischen Teck und Breitenstein. „Man stand den ganzen Tag da mit steifem Hals.“ Dann entdeckte er im Jahr 1967 den heutigen Platz: „Hier ziehen die Vögel auf Augenhöhe vorbei.“ Gatter zeigt auf einen Schmetterling: „Ein Admiral auf dem Weg ins Mittelmeergebiet. Man weiß nicht, ob er es schafft.“

Heute ist Gatter im Ruhestand und hat Zeit. Doch auch als Förster war er morgens um 5 Uhr vor Ort, vor seiner anderen Arbeit. 44  Jahre lang war die Station von Mitte Juli bis Mitte November besetzt, seit zwei Jahren ist der Zeitraum etwas kürzer. Die Vögel kommen zuverlässig aus Richtung Hohenstaufen durch die nahe Senke – ganz anders als etwa in Gibraltar, wo die Beobachter je nach Wind kilometerweit umziehen müssen.

Am stärksten Tag dieser Saison kamen bisher rund 30 000 Vögel vorbei. „Eine Ringeltaube wiegt 500 Gramm. Wenn an einem Tag 22 000 vorbeifliegen, sind das elf Tonnen“, sagt Gatter. Doch derzeit ist der Buchfink am häufigsten. „Im Spätsommer geht es um 5 Uhr los – Normalzeit, bei uns gibt es keine Sommerzeit.“ Viele Vögel fliegen, wenn es noch kühler ist. Die Greifvögel, die die Thermik nutzen, kommen hingegen am Nachmittag.

Die Forscher kommen auch mal aus Bochum und Freiburg auf die Alb, können in der Station übernachten, zwei Wagen bieten sechs Plätze. Draußen steht eine mobile Spüle, das Gemüse kommt vom benachbarten Hof. Die Forscher haben auch schon Radar eingesetzt, waren aber gegenüber den Radarmessungen misstrauisch und hatten recht: Bei Tieffliegern war das Radar unzuverlässig. Hauptarbeitsgeräte sind Ferngläser und Kameras, die Firma Zeiss macht jedes Jahr auf der Station eine Ausstellung.

Gatter weiß Faszinierendes vom Vogelzug zu erzählen: Von den Staren, die als schnellste Singvögel 60  Kilometer pro Stunde erreichen, von Vögeln, die den Rückenwind nutzen und lange Strecken fliegen, um anschließend bei mehrtägiger Rast ihr Körpergewicht wieder zu verdoppeln. Warum ist die Doppelschnepfe kaum zu sehen? Sie fliegt 70 oder 80 Stunden durch, von Skandinavien bis weit südlich des Äquators. „Die man bei uns sieht, sind praktisch Fußkranke.“ Der Vogelzug geht nicht nur nach Süden, teils gibt es einige Wochen vorher auch Bewegungen in Richtung Norden. Denn bei den Rauchschwalben machen die Jungvögel vor ihrem Zug in den Süden Erkundungsflüge, um zu sehen, wo sie sich später niederlassen können.

Als Mittel gegen die Langeweile nahmen die Forscher schon vor Jahrzehnten die Insekten ins Programm. Früher war ein Biologe mit dem Auszählen der Arten beschäftigt, die in einer Reuse eingefangen wurden. Die Reuse können sich die Forscher heute sparen, der Rückgang der Insekten ist dramatisch. „Und keiner merkt es, den Leuten ist es egal“, sagt Wulf Gatter und ärgert sich, dass die Regierungen so gefährliche Gifte wie das Glyphosat nicht verbieten.

Plötzlich landet eine Krabbenspinne auf der Hand. Können Spinnen denn fliegen? Ja, mithilfe eines langen Fadens lassen sie sich kilometerweit treiben und können mehrere Tausend Meter Höhe erreichen.

Gegensätzliche Entwicklungen

Waldvögel, so die Beobachtung der Forscher, haben über die Jahre zugenommen: Denn es gibt immer mehr Wald, die Wälder sind älter geworden und es gibt im Wald kaum Gifte.

Vögel, die landwirtschaftliche Flächen und Ödland brauchen, gehen aber überwiegend zurück. Ihnen fehlen die Flächen. Kritisch ist auch der stark zunehmende Maisanbau. „Da brütet keiner, das wächst zu schnell“, sagt Wulf Gatter.

Die Ringeltaube ging in den 1960er- und 1970er-Jahren zurück, hatte dann einen zehn Jahre langen Tiefpunkt, seitdem geht es wieder nach oben.

Bei der Hohltaube hingegen, die in vom Schwarzspecht geschaffenen Höhlen brütet, gibt es diesen Anstieg nicht. Die Forscher erkennen dies am Anteil der Hohltauben, die in den Taubenschwärmen mitfliegen.pd