Weilheim und Umgebung

Jetzt gibt‘s was auf die Mütze

Prävention „Erfolg hat drei Buchstaben – TUN“. Unter diesem schlagkräftigen Motto bieten Sigrun und Jochen Grösser aus Hepsisau Kurse für die eigene Sicherheit an. Von Alicia Kaiser

Das Training stärkt nicht nur das Selbstbewusstsein, sondern verlangt auch körperlich vollen Einsatz. Fotos: Carsten Riedl
Das Training stärkt nicht nur das Selbstbewusstsein, sondern verlangt auch körperlich vollen Einsatz. Fotos: Carsten Riedl

Selbstschutztraining? Brauch ich nicht. Im Ernstfall werd‘ ich schon richtig handeln. Und überhaupt: Warum sollte gerade mir was passieren? - Das war fast 18 Jahre lang meine Einstellung. So lange, bis mich meine Mutter an einem Mittwochabend zu den Grössers nach Hepsisau geschleppt hat und ich mich aus der ersten Euphorie heraus für ein Jahrestraining angemeldet habe. Nach wenigen Wochen ließ mich die Motivation im Stich. Warum? Weil es ungemütlich für mich war, meine rosarote Brille abzusetzen. Der Gedanke, angegriffen zu werden und mich verteidigen zu müssen, war einer, den ich am liebsten ganz tief in meinem Gehirn vergraben wollte. Unter den Vokabeln der fünften Klasse. Dass mir jemand etwas Schlechtes wollen könnte, das kratzte sogar ein bisschen an meinem Ego. Aber mal ganz ehrlich: Wer will schon gerne aus seiner Komfortzone raus? Schreien üben, Angriffe einstecken, zum zehnten Mal die Schrittfolge nicht kapieren - in der Zeit hätte ich mich mit Popcorn auf dem Sofa verkriechen können.

Schnell und genau schlagen - darauf kommt es an, wenn man sich gegen einen körperlich überlegenen Angreifer wehren will.
Schnell und genau schlagen - darauf kommt es an, wenn man sich gegen einen körperlich überlegenen Angreifer wehren will.

Zum Glück habe ich in dieser Phase andere Gründe gefunden, um jeden Mittwoch da zu sein: Freunde. Dank denen hab ich gemerkt, dass nicht nur ich Probleme habe, Rückschläge einzustecken, oder manchmal abends eigentlich viel zu müde zum Trainieren bin.

Mit der Zeit kam meine Motivation jedoch wieder zurück. Sie überstieg irgendwann sogar die Euphorie vom Anfang. Stück für Stück habe ich angefangen, Fortschritte zu sehen, stolz auf mich zu sein. Und eines Tages hat es dann richtig Klick gemacht: Es geht hier nicht darum, mein Weltbild zu zerstören. Es geht hier um mich! Um meine Sicherheit und mein Leben. Dieser Schritt brachte mir enorm viel Selbstbewusstsein ein.

Der frühere Judo- und Karatetrainer Jochen Grösser erklärt den Teilnehmern wichtige Grundsätze der Selbstverteidigung.
Der frühere Judo- und Karatetrainer Jochen Grösser erklärt den Teilnehmern wichtige Grundsätze der Selbstverteidigung.

Wenn ich zwischenzeitlich nachts nach Hause laufe, dann nicht mehr unaufmerksam und total ängstlich. Warum? Weil ich gelernt habe, wo Selbstschutz anfängt, wo überall Gefahren lauern können. Wer sich jetzt denkt, ich renne total paranoid durch die Gegend, oder trau mich nicht mehr aus dem Haus, liegt zum Glück falsch. Zwar denke ich mehr über Gefahren nach, aber ich weiß, wie ich mich schützen kann, und das ist der entscheidende Unterschied. Ich kann dank den realistischen Szenarien im Training einschätzen wie mein Körper reagiert, egal, ob bei Stress oder Müdigkeit. Natürlich musste ich auch oft merken, was ich nicht kann, aber auch das sehe ich zwischenzeitlich nicht mehr als Schwäche, sondern als Stärke. Ich denke nicht mehr: Im Ernstfall werd‘ ich schon das Richtige tun, sondern weiß, was für mich im Ernstfall das Beste ist, das ich tun kann.

Der Plan, den Jochen und Sigrun Grösser verfolgen, ist in meinem Fall voll aufgegangen. Ihnen ist es wichtig, dass Menschen, die ihre Kurse besuchen, eine Entwicklung durchmachen, die sie nicht nur in der Gefahrensituation, sondern ganz allgemein im Leben weiterbringt.

Selbstverteidigung hat für das Ehepaar aus Hepsisau großen Stellenwert.
Selbstverteidigung hat für das Ehepaar aus Hepsisau großen Stellenwert.

In seiner Kindheit hat Jochen Grösser angefangen Judo und Karate zu trainieren, später folgten eineinhalb Jahrzehnte lang die Kampfkunst „WingTsun“. Was ihm dabei immer mehr gefehlt hat: der Bezug zur Realität. Faire Gewichtsklassen, Aufteilung nach Geschlechtern und Schiedsrichter - so was gibt es auf der Straße nicht. „Was mache ich gegen einen Messer- oder Stockangriff?“ „Was gegen mehrere?“ - Fragen, die ihm der Kampfsport nicht beantworten konnte. Im Jahr 1997 fing Jochen Grösser an, „WingTsun“ und „Escrima“ - zwei verschiedene Kampfstile - in seiner eigenen Schule, der „Fachschule für Selbstverteidigung“ auf seine Weise zu vermischen und zu unterrichten. Seit 2006 bietet er zusammen mit seiner Frau unter dem Namen „Grösser & Grösser - die Starkmacher“ verschiedene Kurse an. Für Grundschüler gibt es beispielsweise den Powerkids-Kurs, für die älteren Selbstschutz und auch ein Intensiv-Tagesseminar.

Für das Ehepaar ist sich selbst zu schützen eine Fähigkeit, die jeder Mensch haben sollte. „Eigentlich sollte man so was in der Schule lernen, genau wie Mathe oder Deutsch“, meint Sigrun Grösser, selbst Mutter von vier Kindern.

Das besondere Selbstschutztraining der Grössers hat einen ganzheitlichen Ansatz. Das heißt, zu allererst gibt es ein genaues Ziel, das verfolgt wird. Zudem wird der Notwehrparagraf besprochen und es werden alle möglichen Szenarien erfasst, die natürlichen Stressreaktionen des Körpers berücksichtigt. Daraus wird ein fünfstufiger Handlungsplan erstellt. Hilfreich ist vor allem, dass es keine unzähligen Einzeltechniken gibt, sondern Manöver, die Stück für Stück trainiert werden. Die Höhepunkte sind immer wieder die Realitätschecks, da heißt es dann: Ausrüstung an und ab in die Unterführung. Da merkt man, was in der Realität klappt und was nochmal geübt werden muss.

Zusammenfassend lässt sich das Jahr am besten mit Jochens eigenem Motto beschreiben: „Selbstschutz muss funktional sein ab der ersten Stunde“ - das hat er bei mir geschafft.

 

Info Wer mehr über die Grössers und ihr Selbstschutztraining wissen will, kann sich auf ihrer Homepage unter: www.groesser-groesser.de informieren.