Weilheim und Umgebung

Juchtenkäfer gehen auf Reisen

In Weilheim ist ein Baumstumpf aus der Gänsweide II unter Aufsicht von Fachleuten versetzt worden

Auf Larvenschau: Bauhofleiter Karl Bölz, Biologin Susanne Drosihn und Rudi Weber von der NABU-Ortsgruppe Weilheim begutachten de
Auf Larvenschau: Bauhofleiter Karl Bölz, Biologin Susanne Drosihn und Rudi Weber von der NABU-Ortsgruppe Weilheim begutachten den Baumstumpf, in dem sich Juchtenkäfer eingenistet haben.Foto: Jean-Luc Jacques

Weilheim. Als Weilheims Bauhofleiter Karl Bölz die Motorsäge ansetzt, spritzen Holzspäne in die Höhe. „Das Mehl ist rot, das spricht für einen Zwetschgenbaum“, sagt Rudi

Weber von der NABU-Ortsgruppe Weilheim. So unscheinbar der morsche Baumstumpf ist – ihm kommt eine immense Bedeutung zu.

„Im Inneren haben wir Juchtenkäfer-Larven gefunden“, klärt die Biologin Susanne Drosihn auf. Sie ist an dem umfangreichen artenschutzrechtlichen Gutachten beteiligt, das die Stadt Weilheim für das Gebiet „Gänsweide II“ hat erstellen lassen. Dort, am Fuße der Limburg, ist ein Neubaugebiet geplant. Und genau dort sind Larven des Juchtenkäfers gefunden worden – eben jenes Insekts, das vor einigen Jahren bei Stuttgart 21 für Furore gesorgt und einen vorübergehenden Baustopp verursacht hatte. „Juchtenkäfer sind vom Aussterben bedroht und deshalb streng geschützt“, erläutert Susanne Drosihn.

So hatten im Weilheimer Rathaus auch erst einmal die Alarmglocken geschrillt, als im Gutachten der Begriff „Juchtenkäfer“ fiel. Und nicht nur der drei bis vier Zentimeter lange, braun-schwarze Käfer schätzt das Gebiet Gänsweide II. Gesichtet worden sind auch der Wendehals und der Halsbandschnäpper. Letzterer war einst zum Inbegriff eingeschränkter kommunaler Entwicklungsmöglichkeiten aufgrund des Vogelschutzes geworden.

Mittlerweile allerdings konnte der Führungsstab im Weilheimer Rathaus aufatmen. Denn ein zweites Gutachten zeigt nun Wege auf, wie Naturschutz und Neubaugebiet in Einklang gebracht werden können. Für die Juchtenkäferlarven und ihren Baum ist die Lösung einfach: die „fachgerechte“ Versetzung.

Genau die geht an diesem Morgen vonstatten – unter den wachsamen Augen von Susanne Drosihn und Rudi Weber. „Jetzt muss der Stamm eingewickelt werden“, erläutert die Biologin. Gemeinsam mit den Bauhof-Mitarbeiten und dem NABU-Vertreter wickelt sie ein Vlies um den Stumpf und zurrt es mit Bändern fest. Auch beim Transport gibt es einiges zu beachten. „Der Baum muss stehend transportiert werden“, so Drosihn. Sonst bestehe Gefahr, dass die Larven auf dem Weg aus der Höhle purzelten. Das neue Zuhause der Juchtenkäfer-Nachkommen ist Luftlinie gut einen Kilometer entfernt und steht dem alten in nichts nach: Rundherum liegen Streuobstwiesen, und sogar die Position ist die gleiche: „Wir richten den Stamm von der Himmelsrichtung her genau so aus, wie er vorher stand“, betont Susanne Drosihn.

Ein Loch haben Karl Bölz und seine Mitarbeiter bereits vorbereitet. Kies rundherum stabilisiert den Baum. Im Fall des Juchtenkäfers ist der Umzug geglückt – und auch in Sachen Halsbandschnäpper und Co. ist die Gruppe aktiv geworden. „In einem Nistkasten in der Gänsweide II hat der Halsbandschnäpper gebrütet“, berichtet Jens Hofmann, Leiter des Weilheimer Stadtbauamts. Die Brutgelegenheit haben die Bauhof-Mitarbeiter zusammen mit der Biologin und dem NABU-Experten ebenfalls abmontiert und an einem neuen, geeigneten Platz aufgehängt. Darüber hinaus wurden noch ein Dutzend neue Nistkästen rund um den neuen Standort aufgehängt. „Vorsorgliche Kompensationsmaßnahmen“, nennt sich das. Damit bleibt die bisherige Brutstätte eben an anderer Stelle erhalten. „Der Halsbandschnäpper findet aber auch trotz des Neubaugebiets noch Brutstätten an der Limburg“, betont Hofmann mit Blick auf den vorhandenen Streuobstwiesenbestand.

Bis neue, fertige Juchtenkäfer am neuen Zuhause aus dem Baumstumpf krabbeln, kann es allerdings noch ein wenig dauern: „Es braucht drei bis vier Jahre, bis aus einer Larve ein Käfer geworden ist“, sagt Susanne Drosihn.

In Weilheim wird im künftigen Wohngebietr Gänsweide 2 ein Baumstumpf versetzt, in dem Juchtenkäfer leben
In Weilheim wird im künftigen Wohngebietr Gänsweide 2 ein Baumstumpf versetzt, in dem Juchtenkäfer leben