Weilheim und Umgebung

Keine Ladesäule für Neidlingen

Mobilität Mit Engelszungen warb Bürgermeister Klaus Däschler um die Zustimmung zu einer Ladesäule für Elektroautos des Albwerks. Doch nur ein Gemeinderat wollte ihm folgen. Von Peter Dietrich

Neidlingen bekommt - zumindest vorerst - keine Ladesäule für Elektroautos.Montage: Jean-Luc Jacques
Neidlingen bekommt - zumindest vorerst - keine Ladesäule für Elektroautos.Montage: Jean-Luc Jacques

Was war zuerst da, die Henne oder das Ei? Die Ladesäule oder das Elektroauto? Beides muss wohl Schritt für Schritt gleichzeitig kommen, wenn der Umstieg klappen soll. Das Problem: Vor allem im ländlichen Raum sind Ladesäulen noch nicht rentabel. Welcher Unternehmer ohne Rechenschwäche investiert einen fünfstelligen Betrag, wenn er anschließend pro Jahr - nach Abzug der Abgaben und Entgelte - nur mit 150 Euro Nettoerlös aus dem Stromverkauf rechnet? Keiner. Die Kosten für die laufende Wartung sind da noch gar nicht berücksichtigt.

Also hat der Bund ein Förderprogramm aufgelegt. Er würde im Neidlinger Fall bis zu 40 Prozent der Kosten für die Aufstellung bezahlen. An der Gemeinde wären beim favorisierten Standort knapp 12 000 Euro hängen geblieben. Die Kosten für die Planung, den Antrag, die Wartung, die Fernüberwachung, die Abrechnung und die Berichte hätte das Albwerk übernommen. Nach dessen Berechnungen betragen sie in der Mindestbetriebszeit von sechs Jahren insgesamt 12 800 Euro.

Für Bürgermeister Klaus Däschler „ein Schritt in die richtige Richtung“. Vier Standorte wurden untersucht, die Präferenz eindeutig: Auf dem Parkplatz des Sportgeländes, auf dem eine Trafostation steht, ist der Netzanschluss mit 3000 Euro am günstigsten zu bekommen. Der Standort in der Kelterstraße 16, dort wo früher das Telefonhäuschen stand, ist aber nur 800 Euro teurer und zentral gelegen. Dort ließe sich später auch ein Carsharing-Auto platzieren, und er würde nicht immer wieder durch Feste blockiert. Ein Standort am Farrenstall ist 3700 Euro teurer als am Sportgelände, für ihn sprach nichts, ein Standort vor dem Lamm wegen der langen Leitung sogar 10 500 Euro teurer. Außerdem hätten dort die Ladeplätze die Kurzparkplätze vor dem Lebensmittelgeschäft belegt.

Bürgermeister Däschler sprach sich deshalb klar für den Platz in der Kelterstraße 16 aus. Er verfolgte damit ein zusätzliches Ziel: Dort gibt es sechs öffentliche Parkplätze, die derzeit aber praktisch privat beansprucht werden, und das kostenlos. Däschler will jedoch, dass diese öffentlichen Plätze künftig für das betreute Wohnen wieder als öffentliche Plätze zur Verfügung stehen. Zusammen mit der Ladesäule ließe sich das Parken neu ordnen, argumentierte er. „Wir müssen das überwachen, auch mit Bußgeldern, das wird sich dann herumsprechen.“

Dietmar Bergner vom Albwerk war in den Gemeinderat gekommen, um die exakten Zahlen zu erläutern. Doch ihm und Däschler schlug ein harscher Gegenwind entgegen. Ulrich Zaiser (NWV) sah die Förderung nicht als Aufgabe der Gemeinde an. „Das Albwerk verkauft den Strom. Da könnte auch der Betreiber des Lebensmittelgeschäfts verlangen, dass wir seine Ladenkasse bezahlen.“ Uli Hepperle (WUB) zweifelt daran, dass sich die beiden Ladeparkplätze frei halten lassen. Er zweifelt auch an der Nutzung: „Wer kommt da?“ Das sei ein bundespolitisches Projekt, ergänzte er, keines der Gemeinde. Wenn, dann sollten Firmen oder Gastronomen dies bezuschussen. Zaiser stimmt ihm zu: Die Gemeinde könne den Platz zur Verfügung stellen, aber den Zuschuss sollten Gastronomen zahlen. „Haben Sie mit diesen geredet?“, fragte er Bergner. „Nein, es war der Wunsch der Gemeinde, diese Ladesäule aufzustellen“, antwortete dieser. Er erläuterte, die Ladesäule sei auf der Karte verzeichnet, die E-Auto-Nutzer verwenden. Deshalb könne sie auch neue Besucher in den Ort bringen. „Die laden vielleicht eine Stunde lang und gehen solange in den Biergarten.“ Benedikt Gläß (NWV) sprach sich für einen Standort außerhalb aus, der keine innerörtlichen Parkplätze benötige.

Bei der Abstimmung stimmte außer dem Bürgermeister schließlich nur Roland Kuch (WUB) für die Bezuschussung der Ladesäule, alle anderen lehnten diese ab.

Ladehemmung

So ist das eben mit neuer Technik: Vieles ist am Anfang noch nicht rentabel und die freie Wirtschaft versagt. Deshalb muss die öffentliche Hand Starthilfe geben. Das hat der Bund in diesem Fall getan. Er zahlt aber nicht alles, sondern will die Kommunen mit Zuschüssen locken. So will er für die Fördersumme von 300 Millionen Euro 15 000 neue Ladesäulen bekommen. Die Darstellung eines Neidlinger Gemeinderats, die Gemeinde solle alles alleine bezahlen, stimmt also nicht. Zudem hätte das Albwerk bei den laufenden Kosten kräftig draufgelegt.

Es wäre ein Anfang gewesen. Neue Technik entwickelt aber oft eine Eigendynamik: Durch das gelungene EEG stieg die Nachfrage nach Solaranlagen, bald sanken deren Preise drastisch. Der Wechsel von der analogen zur digitalen Fotografie ging am Ende schneller als erwartet. Die fünfte Neidlinger Ladesäule braucht im Jahr 202x dann wohl keine Förderung mehr. Ein 1:1-Umstieg aufs Elektroauto wird nie und nimmer funktionieren, wir brauchen viel weniger Autos, aber diese dann bitte elektrisch. Das kommt: Wie schnell der Verbrenner Geschichte wird, wird viele erstaunen. Dass die Mehrzahl der Neidlinger Gemeinderäte jetzt zwanghaft Hindernisse sehen will, statt den Umstieg zu befördern, ist schade. Dann muss halt doch die Wirtschaft ran. Bei einer fünfstelligen Summe müsste es jemand Größeres sein. Festool, übernehmen Sie?