Weilheim und Umgebung

Künstlerisches Loblied auf das Reisen

Konzert Das Ensemble Divertimento preist in der Weilheimer Schlossscheuer literarisch und musikalisch die Vorzüge des Ortswechsels. Von Ulrich Staehle

Stimmungsvoller Abend: Waltraud Falardeau moderiert und liest, die Flötistin Sabine Burkhardt und der Pianist Andreas Baumann bi
Stimmungsvoller Abend: Waltraud Falardeau moderiert und liest, die Flötistin Sabine Burkhardt und der Pianist Andreas Baumann bieten höchste Kunst vor mittelalterlicher Kulisse.Foto: Markus Brändli

Es ist Reisezeit und endlich kann man sich wieder einigermaßen bewegen, doch nicht alle nehmen diese Gelegenheit auch wahr. Für die Daheimgebliebenen hat das Ensemble Divertimento mit Texten und Musik Appetit auf das Reisen gemacht. Zwei Künstlerinnen und ein Künstler traten auf, alle drei aus der Region, doch alles andere als provinziell. Die Stadt Weilheim und der Verein „Kino Kunst Kultur“ hatten das Ensemble schon letztes Jahr erfolgreich zum Thema „Humor“ engagiert. So waren die Erwartungen hoch, was die Truppe zum Thema „Reisen“ zu bieten hatte: Sie sind voll erfüllt worden.

Die Sprachtherapeutin und promovierte Erziehungswissenschaftlerin Waltraud Falardeau war für den sprachlichen Teil zuständig, dazu gehörte die Moderation, die Rezitation von Texten und deren literaturgeschichtliche Einbettung. Sie verfügt über ein umfassendes literarisches Wissen, wie es in der heutigen Welt der neuen Medien eher selten zu finden ist. Sie sieht das Reisen im Zusammenhang mit der Bewegung, in der sich der gesamte Kosmos befindet. Auch der Mensch sei erst vor zehntausend Jahren sesshaft geworden, habe aber immer noch den Drang, sich fort zu bewegen.

Mit dem Zitat von Hesse: „Nimm mein Herz mit auf die Reise“ beginnt dann ihre literarische Reise. Reisen heißt „mit offenen Augen durch die Welt gehen“, nicht „marschieren“, und Reisen muss auch immer eine Reise in sich selbst sein: „Das Weltall ist in uns oder Nirgends“, schrieb Novalis. Diese Art von Reisen hat mit dem heutigen Tourismus nichts zu tun.

Ankommen ist nicht das Ziel

Beim Gang durch die Literaturgeschichte kommt Waltraud Falardeau beim Klassiker Goethe vorbei: „Man reist nicht, um anzukommen, sondern um zu reisen“. Auf seinen Reisen nach Italien und nach Sizilien, im „Faust“ und in „Wilhelm Meisters Wanderjahren“ ist der Weg das Ziel. Bei der Romantischen Literatur spielt vor allem die Sehnsucht nach Freiheit und Ferne eine Rolle wie bei Eichendorffs „Taugenichts“. Am bekanntesten ist sein zum Volkslied gewordenes Gedicht „Wem Gott will rechte Gunst erweisen, den schickt er in die weite Welt“.

Ein anderer Sehnsuchtsort ist die Alhambra in Andalusien, die zum Meditieren anregt: „Wanderer schau, hier ist kein Pfad. Pfade entstehen hier durch dein Gehen“, so wurde der spanische Lyriker Antonio Machado zitiert. Nun kam die Neuzeit in den Fokus, vor allem Hermann Hesse. Seine Lebensetappen wurden den Zuhörerinnen und Zuhörern in Erinnerung gerufen ebenso wie seine Äußerungen zum Thema Reisen. Reisen dient der eigenen „Neuordnung“. Man muss dazu „das Fremde belauschen“. Da durfte das sehr bekannte Gedicht Hesses, die „Stufen des Lebens“, nicht fehlen. Danach kamen noch Heine, Marcel Proust, Christian Morgenstern, Erich Kästner, Joachim Ringelnatz und Eugen Roth zu Wort.

Es ging aber nicht nur die „hohe“ Literatur. Den geradezu feierlichen Schlusspunkt setzten Verse eines dichtenden Rockmusikers, des früh verstorbenen Gitarristen Carlo Karges der Gruppe Novalis: „Wer eine friedliche Lebensreise hinter sich hat, wird nach dem Tod lebendiger sein als alle seine Erben.“

War diese Reise durch die Literaturgeschichte mit den vielen Stationen nicht zu anstrengend? Die Antwort ist eindeutig: Überhaupt nicht, sie war ein Genuss. Waltraud Falardeau trägt mit gepflegter Artikulation lebendig vor . Und nach jedem Textbeitrag gab es ausgesuchte Musikstücke, die die Texte passend umrahmten. Im ersten Teil sind es noch „klassische“ Stücke wie ein Satz aus einem Flötenkonzert von Vivaldi. Vor der Pause gab es einen besonderen musikalischen Leckerbissen, eine Eigenkomposition der Flötistin Sabine Burkhardt „In den Gärten der Alhambra“. Nach der Pause wird es noch moderner mit einem Tango, dem Salut d‘amour von Eduard Elgar, mit Flötenmusik aus Mexiko und schließlich dem Palmentanz von H. J. Hufeisen.