Weilheim und Umgebung

Leidenschaft zwischen Glanz und Rost

Viele träumen vom neusten Modell, andere von einem Klassiker – Karl Gaugel restauriert historische Traktoren

Wer einmal der Faszination von Oldtimern erlegen ist, kommt nicht mehr von ihnen los. Während andere den Verkaufsstart neuer Autos herbeisehnen, bringt Karl Gaugel in seiner Garage altes Blech von Neuem zum Strahlen. Historische Traktoren lassen das Herz des Neidlingers höher schlagen.

Leidenschaft zwischen Glanz und Rost
Leidenschaft zwischen Glanz und Rost

Neidlingen. Die einen kaufen sich einen Triumph Spitfire, andere einen Jaguar Mark 2 oder einen Porsche, mit dem sich vielleicht Geld machen lässt, weil er im Wert steigt. Doch vom großen Garagengold träumt Karl Gaugel nicht. An den meisten Autos, von denen andere träumen, hat der gelernte Kfz-Mechaniker herumgeschraubt und von Berufs wegen her selbst hinterm Steuer Platz genommen. „Da übten Traktoren eine größere Faszination auf mich aus“, erzählt der Rentner.

Vor über zwölf Jahren erzählte ihm ein Arbeitskollege von einem Eicher Baujahr 1959, der in Neidlingen zum Verkauf stand. Kurze Zeit später war Gaugel stolzer Eigentümer der rollenden Rarität. „Damals wohnte ich noch in Filderstadt und hatte nicht genügend Platz, um den Traktor zu restaurieren“, erzählt er. „Ich mietete in Neidlingen eine Garage und pendelte, wann immer ich Zeit für die Arbeit an dem Fahrzeug hatte.“ Damit hatte es die Gemeinde der Liebe zum historischen Gefährt zu verdanken, dass sie um einen Neubürger reicher wurde. „Bis es zum Umzug kam, schraubte ich in der Garage, und wenn ich etwas zu Essen oder Trinken brauchte oder mich aufwärmen musste, ging ich halt zum Bäcker oder ins Gasthaus“, erinnert sich der Zweite Vorsitzende der Oldtimerfreunde unter dem Reußenstein.

Die Anstrengungen haben sich gelohnt. Überall wo Karl Gaugel mit seinem Eicher auftaucht, wird er angesprochen. Viele wollen ihm das gute Stück abkaufen. Als Gaugel das landwirtschaftliche Fahrzeug aber erstand, hatte es schon wesentlich bessere Tage gesehen. „Der Lack war ab. Es gab viel Rost“, berichtet der Oldtimerfreund. „Technisch war der Eicher aber in einem sehr guten Zustand und wurde bis zuletzt in der Landwirtschaft eingesetzt.“ Trotzdem steckt viel Arbeit in der Restauration, die von 2003 bis 2008 dauerte. Den Motor hat Karl Gaugel zerlegt, generalüberholt und wieder zusammengebaut. Der Auspuff war ihm zufolge, nicht mehr zu gebrauchen: „Also baute ich mit einem Bekannten einen neuen originalgetreu nach.“ Die in die Jahre gekommen Sitzbänke wichen neuen aus hellem Holz. Anschließend bekam der Eicher einen mattgrauen Anstrich.

In Katalogen, im Internet und auf Oldtimermessen suchte sich Karl Gaugel Ersatzteile zusammen. „Wer einen Oldie wieder aufbaut, braucht einen langen Atem“, erzählt er. „Manche müssen sich die notwendigen Teile auch im Ausland besorgen. Aber genau das macht den Reiz an dem Hobby aus.“ Wer ein altes Fahrzeug von Grund auf restauriert, schätzt es am Ende aller Mühen ganz besonders. „Für seinen Eigentümer besitzt es dann einen ganz besonderen ideellen Wert“, weiß Karl Gaugel. „Schließlich hat man Zeit, Arbeit, jede Menge Kreativität und Improvisationstalent, mit viel Liebe zum Detail, in das Fahrzeug gesteckt.“ Daher verkaufe er seinen Eicher auch nicht. „Der bleibt in der Familie“, erzählt Gaugel lächelnd.

Sein nächstes Projekt steht schon in der zweiten Garage. Ein Allgaier Kälble R22, Baujahr 1949, mit 1,8 Liter Hubraum, 22 Pferdestärken und Verdampferkühlung. „Er wird mit einer Handkurbel und Diesel-Selbstzündern, so genannten Startlunten aus Watte, gestartet“, berichtet Karl Gaugel. „Die Lunten werden in den Zylinderkopf geschoben, wo sie durch die bei der Kompression entstehende Wärme zum Glühen gebracht werden.“ Derzeit überarbeitet der Oldtimerenthusiast den Zylinderkopf. „Das faszinierende an den historischen Fahrzeugen ist, dass sie eine ganz einfache Technik besitzen, die es sogar technischen Laien möglich macht mit etwas Einarbeitung einen Motor selbst zu überholen“, sagt Gaugel. „Bewundernswert ist aber auch, dass die einfache Technik jahrzehntelang problemlos läuft. Da hat man mit den heutigen Fahrzeugen, die mit jeder Menge Elektronik ausgestattet sind, schon mehr Schwierigkeiten.“

Karl Gaugel freut sich schon aufs Frühjahr, wenn seine Frau und er mit dem Eicher wieder Ausflüge auf die Alb unternehmen. „Sie hat genauso viel Freude an dem Traktor wie ich“, fährt Gaugel fort. „Darüber bin ich sehr froh, denn ohne ihre Unterstützung hätte ich nicht nach Neidlingen ziehen und mich derart intensiv meinem Hobby widmen können.“

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