Bissingen. Dr. Nergui Soninkishig und ihre 19-jährige Tochter Ganbat Delgerbuyan waren aus der mongolischen Hauptstadt Ulaanbaatar auf die Schwäbische Alb gekommen, um in der Käserei des Demeter-Hofs der Ziegelhütte zu lernen, wie man auf westliche Art verschiedene Sorten Käse herstellt. Die Professorin arbeitet an der National University of Mongolia und ist dort Projektleiterin des internationalen Watercope-Projekts, an dem sich zehn Universitäten aus Deutschland, China und der Mongolei beteiligen. „Ein zentraler Bereich dieses Projekts ist die Landwirtschaft“, erklärt Nergui Soninkishing. Sie selbst beschäftige sich in diesem Zusammenhang mit neuen Möglichkeiten für mongolische Farmer, ihre Produktpalette zu erweitern – so etwa durch neue Wege der Käseherstellung. Der traditionelle mongolische Käse, der hauptsächlich aus Yak-Milch – ansonsten auch aus Kuh-, Ziegen- oder Schafsmilch – hergestellt wird, ist mit jenem aus der westlichen Welt nicht vergleichbar. „Er ist sehr hart und trocken und hat eine lange Haltbarkeit von ein bis drei Jahren“, beschreibt Nergui Soninkishig. Die lange Haltbarkeit ist unter anderem deshalb wichtig, weil die Farmer oft lange Strecken von bis zu 200 Kilometer zurücklegen, um ihre Produkte zu verkaufen. „Sie sind dabei unterwegs vergleichbar mit Nomaden“, erzählt die Professorin. Im Rahmen des Projekts geht es unter anderem für die Mongolei darum, neue Einkommensquellen für die lokalen Farmer zu erschließen. Eine Möglichkeit ist dabei das Erlernen neuer Varianten der Käseherstellung, um so das Sortiment zu erweitern.
Die Kooperation mit der Ziegelhütte ist durch einen Zufall zustande gekommen. „Das kam durch die ebenfalls am Watercope-Projekt beteiligte Universität Kassel und den Fachbereich der ökologischen Agrarwissenschaften“, erklärt Kenneth Stange, der die hofeigene Käserei der Ziegelhütte leitet, und sagt weiter: „Das dortige Team, zu dem zufällig mein ehemaliger Professor gehört, hat für das Projekt Betriebe mit Käserei in Deutschland gesucht, die ökologisch produzieren.“ So kam es schließlich, dass die mongolischen Gäste auf die Alb kamen.
Während die Mutter beruflich schon mehrmals Deutschland besuchte, war es für die 19-jährige Studentin Ganbat die erste große und für sie sehr beeindruckende Reise „in eine völlig andere Welt“, wie sie erzählt. Beide, Mutter und Tochter, haben sich schnell auf dem Hof eingelebt, wurden Teil des Teams und der Familie, bestätigt Kenneth Stange: „Das war wirklich sehr spannend. Sie sind sehr wissbegierig und wollen alle Details der Käseherstellung erlernen. Es hat uns allen große Freude bereitet, die beiden bei uns zu haben. Wir haben dabei selbst sehr viel über die Mongolei gelernt.“ Es wird auch eine weitere Zusammenarbeit im Rahmen des Projekts geben.
Die Arbeit in der Hofkäserei ist für die Professorin eine völlig neue Erfahrung gewesen. „Ich bin ohne konkrete Vorstellungen hierhergekommen“, erklärt die mongolische Wissenschaftlerin. Neben den Methoden zur Herstellung unterschiedlicher Käsesorten hat sie zudem schnell gelernt, welch zentrale Rolle dabei die absolute Hygiene für einen qualitativ hochwertigen Käse spielt. Sie und ihre Tochter kennen jetzt die Grundlagen der Herstellung – darunter Fakten wie: Welche Art von Käse braucht bei der Herstellung welche Temperatur, wie sehen die einzelnen Arbeitsschritte und die Reifungsprozesse aus, oder wie muss der Käse gelagert werden? Auch das hier gängige Salzen des Käses ist in der Mongolei bislang völlig untypisch. Allein schon die Produktvielfalt ist etwas völlig Neues gewesen. Das eröffnet nun ganz neue Möglichkeiten für die geplanten Schulungen der Farmer in der Heimat. Nach und nach will sie nun das Wissen in der Heimat ausbauen und weitergeben. „Die Kurse für die Farmer sollen im kommenden Jahr starten“, erklärt Nergui Soninkishig. Dabei wird es unter anderem um die Fragen gehen, wie man das lokale Ökosystem und Klima für die Produktion nutzen kann.