Neidlingen. Im Jahr 1953 wurde die heutige „Alte Kass“ genossenschaftlich gebaut, mit großem Obstlagerkeller. Geld aufs Sparbuch einzahlen und Dünger kaufen – das gab es lange unter einem Dach. Was tun mit so einem Spezialgebäude, fragte sich die VR Bank Hohenneuffen-Teck und fand im Zimmermann Peter Hepperle genau den richtigen Mann. Eigentlich die richtige Familie, denn ohne die Ehefrau Simone wäre das Projekt nicht möglich gewesen. Die Mutter sorgt für Tischdeko und Wandbehänge und kommt zum Gießen. Und bei Engpässen helfen auch die Söhne Tim und Jan mit. Vor der Eröffnung sind sie mit den Eltern an Sonntagen zu so vielen anderen Cafés getingelt, dass sie irgendwann genug davon hatten.
Im September 2012 wurde erstmals in der „Alten Kass“ Kuchen verkauft, danach wurde groß umgebaut. Das Café mit 100 Sitzplätzen, ein Laden, vier Gästezimmer und eine Ferienwohnung entstanden. Das größte Problem war der Brandschutz. Ziel des Zimmermanns war es, möglichst viel von der alten Bausubstanz zu erhalten.
„Sie waren damals mutig, nicht wagemutig“, lobte Landrat Heinz Eininger die Familie und ihren großen Zusammenhalt. „Aus einem heruntergekommenen Gebäude haben Sie fast im Alleingang ein Kleinod geschaffen.“ Eininger betonte die Nachhaltigkeit: Beim Bau wurden einheimische Bäume und viel Altholz verwendet. Isoliert wurde mit Stroh. Es gibt regionale Lebensmittel und solche aus fairem Handel. Radfahrer bekommen Luft und Strom fürs Pedelec. Eininger plädierte dafür, die Wertschöpfungskette zu verlängern: „Mit dem Äpfelauflesen ist es nicht zu Ende. Biosphärengebiet und schwäbisches Streuobstparadies spielen Hand in Hand.“
Bevor das heimische Obst in der „Alten Kass“ auf dem Kuchenteller landet, macht es womöglich einen Zwischenstopp im Keller. Dort lagern mehr als 1 000 selbst gefüllte Einmachgläser; jedes fasst 1,7 Liter. Gleichzeitig ist im Keller noch genügend Platz für das gemeinsame Obstlager, das derzeit von rund einem Dutzend Neidlingern genutzt wird. „Das soll auch so bleiben“, sagt Hepperle.
Anfangs hatte er es mit der Bürgschaftsbank Baden-Württemberg versucht. „Deren Forderungen waren unerfüllbar“, sagt er. Doch mit ELR-Fördermitteln und der VR Bank klappte es – auch dank der Unterstützung des Landratsamts und der Gemeinde. So hatte Bürgermeister Rolf Kammerlander dafür gesorgt, dass Neidlingen ins ELR-Programm aufgenommen wurde – Voraussetzung für die Förderung der „Alten Kass“. Sein Nachfolger Klaus Däschler steckt hinter der neuen touristischen Beschilderung, die Besucher auch zur „Alten Kass“ führt.
Inklusive aller Aushilfen arbeiten für diese rund 15 Leute. Donnerstags bis sonntags läuft der Cafébetrieb. Es gibt Hochzeiten und Familienfeste und am letzten Sonntag im Monat ein Frühstück. Außerdem gibt es Geschwistertreffen und Übernachtungen von Monteuren. „Am Wochenende sind die Zimmer gut ausgelastet“, sagt Peter Hepperle. „Unter der Woche ist es noch steigerungsfähig.“ Seine Frau Simone ist erfreut, wie gut sich die Auslastung übers ganze Jahr verteilt.
„Es ist viel Arbeit, die wir uns aufgehalst haben, aber es macht auch sehr viel Spaß“, sagt Peter Hepperle. Er klingt nicht so, als ob er von diesem Spaß schon genug hätte. Die Terrassen der Gästezimmer warten auf Fertigstellung; gegenüber soll eine Frühstücksterrasse entstehen. Die Backküche soll umgestaltet werden: Vielleicht gibt es bald Badezuber für den Winter.
So manches liebevolle Detail erschließt sich dem Gast erst nach und nach. Für die Waschbecken in den Toiletten sind 500 kleine Frotteetücher im Einsatz. Der Kaltwasserhahn sieht nur so aus, das Wasser wird angewärmt. „Das freut alle, nur die Radfahrer nicht“, sagt Hepperle. Sie bekämen die Trinkflasche gerne an einem anderen Hahn gefüllt.