Weilheim und Umgebung
Nach 80 Jahren wird das Urzeit-Puzzle vollendet

Paläontologie Im Urwelt-Museum Hauff in Holzmaden nutzt man den Lockdown, um alte Funde für die Ausstellung zu präparieren. Rolf Hauff und sein Team haben ein ganz seltenes Exemplar aus dem Keller geholt. Von Thomas Zapp

Wer die corona-bedingte Zeit des Lockdowns nutzt, um seinen Keller aufzuräumen, kann so manchen Schatz heben. Rolf Bernhard Hauff vom Holzmadener Urwelt-Muesum hat das gemacht und ist fündig geworden. Ganz überraschend kam das nicht, denn natürlich wusste er, welcher Schatz da noch im Lager schlummerte: ein Plesiosaurier. Der hat vor 208 bis 66 Millionen Jahren gelebt, lag dann ziemlich lange zwischen Schieferschichten auf dem Gebiet des heutigen Holzmaden und verbrachte nach seinem Fund dann noch einmal 80 Jahre als Fossil im Lagerraum des Urwelt-Museums Hauff.

Werkstattleiter Klaus Nilkens hat die einzelnen Schieferplatten jetzt gesichtet und zum Teil schon geordnet. So wird die erzwungene Schließzeit des Museums genutzt, um ein ganz besonderes Exponat aufzubereiten. „In dieser Gegend sind nur 15 Exemplare bekannt“, erklärt der Präparator die Bedeutung dieses Fossils. Eins sei im Museum am Stuttgarter Löwentor ausgestellt, ein anderes in Tübingen, auch in London stehe eins.

Nun ist es aber nicht so, dass die ausgestorbenen Echsen am Stück vorliegen. Für Klaus Nilkens und seinen Mitarbeiter Jan-Henrik Pamin ist die Präparation eine wahre Sisyphusarbeit. Besonders schwer ist die Entscheidung, welche Seite des Tieres er freilegt. „Normalerweise nähere ich mich von der Unterseite“, sagt Nilkens, also von der Seite, die von der Erdoberfläche abgewandt liegt. Vereinfacht gesagt muss also geklärt werden, ob das Tier auf dem Bauch oder dem Rücken starb. Dieses starb wohl auf dem Bauch.

Viele Knochenstücke sind auf viele „Puzzle-Steine“ verteilt, daher muss der Experte lange probieren, bevor er die Entscheidung trifft, Teile zusammenzukleben. Wer einmal versucht hat, eine auf den Boden gefallene Keramikschale zusammenzukleben, weiß, dass es auf die Reihenfolge beim Zusammensetzen ankommt. Je nachdem, wie das Stück zerbrochen ist, passen einige Teile später nicht mehr rein, will man nicht alles wieder auseinander brechen.

Die Werkzeuge des Präparators ähneln denen, die man aus Zahnlaboren kennt. Damit werden die nicht zum Fossil gehörenden Schieferschichten weggefräst. Was weg muss und was bleiben soll, kann nur nach jahrelanger Erfahrung entschieden werden. Da helfen Klaus Nilkens, der seit 30 Jahren in der Hauffschen Werkstatt arbeitet, die Farbnuancen: Der versteinerte Knochen ist braun, Schiefer grau und wird mit dem Minimeißel oder anderen Geräten wegpräpariert.

Seit 1940 liegen die Teile des Pleisosauriers im Keller und sind mit alten Etiketten handschriftlich versehen. „Die Etiketten für sich sind schon Raritäten“, sagt Klaus Nilkens schmunzelnd, während er die Schulterblätter der Echse freilegt. Das Exemplar des Pleisosauriers stellt ihn vor besondere Herausforderungen, denn die Knochen sind auseinandergerissen, stecken teilweise in der obereren und der unteren Schieferplatte, zwischen denen das Fossil „eingebettet“ war. Die Entscheidung, von welcher Seite man das Reptil bearbeitet, hat also Konsequenzen, die nicht von vornherein abzusehen sind. Aber gerade das macht für Nilkens die Faszination des Präparierens aus.

Dass nur 15 Exemplare der Urechsen in der Gegend um Holzmaden gefunden wurden, hat eine Bedeutung. „Das waren alles ausgewachsene Tiere“, sagt Rolf Bernhard Hauff. Daraus ist zu schließen, dass sie nur auf der Durchreise waren und eigentlich nicht dort gelebt haben. Was ihre Fähigkeiten zur Fortpflanzung betrifft, gibt es noch viele Rätsel. „Manche sagen, sie konnten an Land robben, andere sagen, sie konnten es nicht“, erklärt Rolf Hauff. Als wissenschaftlich gesichert gilt, dass sie sich mit vier nach unten spitz zulaufenden Flossen nicht gerudert haben, sondern eine Art „Unterwasser-Flug“ praktiziert haben. So bewegen sich heute Pinguine oder junge Meeresschildkröten fort. Die Bewegung der Paddel im Wasser kostet viel Kraft, daher besitzen sie große Muskeln im Bereich des Beckens und der Schultergelenke.

Auf rund sechs Monate schätzt Klaus Nilkens noch die Dauer der Arbeit an diesem Fossil. Im Juni könnte es soweit sein: Vielleicht ermöglicht die Corona-Epidemie dann sogar einen Besuch.