Weilheim und Umgebung

Neidlingen setzt auf eigene Wege

Die Reußensteingemeinde will den neuen Prädikatswanderweg auf keinen Fall alleine stemmen

Das hatte sich die Tourismusförderung des Kreises wohl anders vorgestellt: Neidlingens Räte lehnen eine Teilnahme am Wanderwegprojekt ab – vorerst.

„Bezüglich der Wanderwege warten wir die Gespräche mit den anderen Gemeinden ab“, erklärt Klaus Däschler und verweist auf besteh
„Bezüglich der Wanderwege warten wir die Gespräche mit den anderen Gemeinden ab“, erklärt Klaus Däschler und verweist auf bestehende Wege.Foto: Thomas Krytzner

Neidlingen. Gemeinsam mit dem Verkehrsverein Teck-Neuffen, der Tourismusgemeinschaft Mythos Schwäbische Alb und der Geschäftsstelle des Biosphärengebietes Schwäbische Alb erarbeitete der Landkreis Esslingen eine Wanderkonzeption. Dieses Projekt soll gezielt dem Erhalt von Natur und Landschaft dienen und zu einer nachhaltigen Regionalentwicklung beitragen. Von der geplanten Besucherlenkung versprechen sich die Entwickler den Schutz von seltenen Tieren und Pflanzen. Gewinnbringend soll der Prädikatswanderweg vor allem für die Direktvermarkter und die regionale Gastronomie sein. Das Landratsamt hat deshalb die betroffenen Gemeinden aufgefordert, die bestehenden Wanderwege zu melden.

Bürgermeister Klaus Däschler stellte den Behörden zwei Routen vor. Nach dem Befund des Fachbüros für Wandertouristik „Projektpartner Wandern“ erfüllen die eingereichten Wege jedoch die Kriterien für eine Zertifizierung nicht. Neben den Gemeinden wurde auch der Schwäbische Albverein einbezogen und von dort kam ein Vorschlag, der den Tourismusexperten gefiel: Diese Wanderroute führt durch die Gemarkungen der Gemeinden Neidlingen, Lenningen, Bissingen und Weilheim. Im Juli stellte die Projektleitung alle geplanten Prädikatswanderwege den betroffenen Gemeinden vor.

Daraufhin waren die Kommunen aufgefordert, mitzuteilen, ob sie beabsichtigen, die geplanten Routen auf ihrer Markung umzusetzen. Eine eigene Produktmarke soll damit ausgebildet werden. Geplant ist ein Marketingpool, in dem sich alle beteiligten Projektgemeinden zusammenschließen. Der Neidlinger Ortschef erklärt die Kosten: „Die Kosten zur Errichtung des Weges liegen bei rund 20 000 Euro und die Folgekosten, inklusive Marketingaufwand belaufen sich auf über 13 000 Euro pro Jahr.“

Klaus Däschler verdeutlicht den Aufwand: „Da der Wanderweg durch mehrere Gemarkungen führt, aber nicht alle Gemeinden an der Realisierung teilnehmen, wäre der Neidlinger Anteil statt zehn Kilometern, das Doppelte, was somit auch doppelte Kosten bedeutet.“ Däschler zeigte sich an der Ratssitzung verärgert: „Bereits im August wollte das Landratsamt eine Gemeindeentscheidung. Da habe ich mitgeteilt, dass sich der Rat erst nach den Sommerferien wieder trifft und ein Beschluss erst danach zu erwarten ist.“ In der folgenden Diskussion waren sich die Neidlinger Gemeinderäte einig: „Der finanzielle Aufwand bringt uns nicht wirklich was. Wie soll denn jemand die bestehenden Wege finden“, betonte Christoph Heilemann. Matthias Klein bestätigte: „Die Wanderwegkonzeption soll alle beteiligten Gemeinden betreffen. Geben wir doch das Geld lieber für die eigenen Wanderwege aus.“ Auch Norbert Vögele hat Bedenken: „Wenn die Leute auf den Wanderwegen unterwegs sind, kommen die ja gar nicht nach Neidlingen rein, sondern wandern dran vorbei. Da haben wir nichts gewonnen.“

Förster Thomas Maier brachte die Diskussion auf den Punkt: „Neidlingen ist durchfurcht von verschiedenen Wanderrouten. Wir sollten uns überlegen, welche Wege wir noch wollen. Der zusätzliche und kostenverursachende Weg wäre ein Schlag ins Gesicht für die, die schon einen Wanderweg unterhalten.“ So waren sich die Gemeinderäte am Schluss der Diskussion einig: Dem Landratsamt wird mitgeteilt, dass Neidlingen, falls sich die anderen Gemeinden nicht zu einer Beteiligung entscheiden, vorerst am Projekt Prädikatsweg nicht teilnimmt. Wie Bürgermeister Klaus Däschler im Nachgang zur Gemeinderatssitzung mitteilte, gehen die Diskussionen nun mit den Gemeinden Lenningen, Bissingen und Weilheim in eine neue Runde. Bis zum Ende des Jahres sollen in Gesprächen weitere Entscheidungen herbeigeführt werden. Däschler dazu: „Wir warten die Gespräche ab und dann sehen wir weiter.“

Neidlingen zeigt MutKommentar

Die Gemeinde Neidlingen liegt umgeben von den Anhöhen der Schwäbischen Alb und ist jetzt schon beliebtes Wanderziel für viele Touristen aus nah und fern. Nicht umsonst. Denn: Neidlingen bietet bereits zahlreiche Routen an. Beim Wanderparkplatz zum Beispiel können Erholungssuchende in viele Richtungen marschieren. Genießer finden sich in Streuobstwiesen wieder und stehen mitten in der Natur. Wer Neidlingen in der Höhe umkreist, findet nebst flachen und steileren Wanderwegen auch viele Aussichtspunkte. Ebenso entdecken Freizeitaktivisten zum Beispiel Insekten- und Bienenhotels im XXL-Format und einen naturbelassenen Garten mit seltenen Pflanzen.

Da stellt sich in der Tat die Frage, warum Neidlingen einen Prädikatswanderweg mit eigener Vermarktung braucht. Bringt diese Neuerung tatsächlich mehr Tourismus nach Neidlingen? Würden die Direktvermarkter der Streuobstwiesen profitieren? Ortschef Klaus Däschler hat recht, wenn er „seine“ Gemeinde nicht unter Druck setzen lässt. Da ist das Geld besser angelegt, wenn die eigenen Wanderwege gepflegt und sogar beschildert werden. Insbesondere, wenn Neidlingen am Schluss als eine der kleinsten Gemeinden im Landkreis die ganzen Kosten alleine tragen soll.

Außerdem bedeuten selbst die zehn Kilometer Strecke um Neidlingen rum eine enorme Zusatzbelastung für den Bauhof. Denn bisher haben die anderen Gemeinden entlang dem geplanten Prädikatswanderweg, Lenningen, Bissingen und Weilheim, keine Bereitschaft zur Teilnahme am Tourismusprojekt gezeigt. Jetzt gehen die Entwickler mit allen Gemeinden in eine neue Diskussionsrunde, die dann Ende des Jahres Gewissheit bringen soll, ob Neidlingen weitere Unterstützung bekommt. Bis jetzt haben die Neidlinger Räte Mut bewiesen und schließen die alleinige Übernahme der Kosten und Verantwortung aus. Das Vorhaben kann nur mit den Nachbargemeinden gelingen. Fraglich ist nun, ob bis zum Ende dieses Jahres der Weg frei wird für den Weg.

THOMAS KRYTZNER