Weilheim und Umgebung

Oma Lore geht mit Rollator auf Mülljagd

Engagement Sie ist 87 Jahre alt und sammelt auf ihrer Laufstrecke Müll auf, den meistens Autofahrer hinterlassen. Für ihren Urenkel ist sie ein Vorbild geworden. Von Thomas Zapp

Rund einen Kilometer lang ist der Weg, den Lore Mammel regelmäßig zurücklegt. Hier hat sie den Randstreifen von einem Stück Plas
Rund einen Kilometer lang ist der Weg, den Lore Mammel regelmäßig zurücklegt. Hier hat sie den Randstreifen von einem Stück Plastikfolie befreit. Fotos: Carsten Riedl
Hat auch beim Müll sammeln gute Laune: Lore Mammel.
Hat auch beim Müll sammeln gute Laune: Lore Mammel.

Lore Mammel ist mit ihren 87 Jahren eine rüstige Frau und stolz auf ihre Selbstständigkeit. Allerdings hat sie eine Augenkrankheit und kann nicht mehr so gut sehen. Daher entschied die Familie im vergangenen Sommer, dass sie einen Rollator bekommt. „Das gefiel ihr erst gar nicht“, erzählt Tochter Edith Renz. Doch Lore Mammel entdeckte schnell, dass der Rollator nicht nur für mehr Sicherheit bei ihren regelmäßigen Spaziergängen an der Aichelberger Straße in Holzmaden sorgt, sondern auch neue Möglichkeiten eröffnet: Er eignet sich hervorragend als „Müllfahrzeug“.

Denn wenn die Seniorin eines bei ihren Spaziergängen durch die Natur richtig störte, war es der Abfall am Rand der Straße. Nun erkannte sie die Möglichkeit, ihre Spaziergänge mit dem Rollator dazu zu nutzen, die Holzmadener Umwelt ein bisschen sauberer zu machen. Die Einkaufstasche in ihrer Gehhilfe funktionierte sie zu diesem Zwecke einfach mit zwei Plastikbeuteln zum mobilen Mülleimer um.

Ihr Projekt beeindruckte auch die Familienmitglieder. Nachdem sie anfänglich noch einige Mühen beim Bücken hatte, kam ein Mitglied der übernächsten Generation auf die entscheidende Idee. Enkel Manuel schenkte Oma Lore eine Greifzange, mit deren Hilfe sie sich nicht mehr bis zum Boden bücken musste. Seitdem kann sie deutlich bequemer ihrer neuen Freizeitbeschäftigung frönen, dem Spaziergang in Kombination mit Landschaftssäuberung. „Vor allem Masken, Zigarettenpackungen, Cellophan und Kaffeebecher finde ich unter den Büschen. So etwas ärgert mich“, erzählt sie. Vor dem geistigen Auge spielen sich automatisch die vorangegangenen Szenen ab: Fahrer, oder auch Fahrerin trinkt seinen oder ihren Kaffee, öffnet die Zigarettenpackung und schmeißt die Überreste aus dem Autofenster.

Wenig Einsicht bei Ertappten

Sie sei von Passanten gefragt worden, warum sie das alles mache, erzählt die Seniorin. Ihre Antwort war ebenso einfach wie beeindruckend: „Für Ihre Kinder und Enkelkinder.“ Das bringt Tochter Edith auf den Plan: „Es kann doch nicht sein, dass eine 87-Jährige den Müll anderer Leute wegmacht“, sagt sie. Mittlerweile achten sie und ihr Mann ganz automatisch auf „Müll-Sünder“. „Wir sprechen auch schon mal Leute auf dem Parkplatz an, wenn die eine Zigarettenpackung aufreißen und das Plastik wegschmeißen.“ Die Reaktionen seien aber eher nicht so positiv, vor allem bei Erwachsenen fehle es an Einsicht. Auch dass auf der Spazierstrecke ihrer Mutter so viel Müll anfalle, zeige ihrer Meinung auch eins: dass es nicht nur die oft gescholtenen Jugendlichen sind, die gedankenlos Müll wegwerfen. Wer Auto fährt, sollte zumindest auf dem Papier erwachsen sein.

Apropos Jugend: Für die ganz Kleinen ist Lore Mammel durch ihr Handeln bereits zum Vorbild geworden. Der vierjährige Urenkel Lars hat sich gesagt: „Was Oma kann, das kann ich auch.“ Bei Ausflügen mit seiner Großmutter geht er immer voran und hebt den Müll auf, den Lore Mammel entdeckt hat. Was wieder einmal beweist: Vormachen und Vorleben sorgt bei Kindern offenbar für den nachhaltigsten Eindruck. Das macht dann doch ein wenig Hoffnung für die Zukunft.

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