Weilheim und Umgebung

„Pfarrerehe ist ein großes Glück“

Kirchenpolitik Prälat i.R. Paul Dieterich wägt Vor- und Nachteile von Zölibat und Ehe sorgfältig gegeneinander ab.

Weilheim. Das evangelische Pfarrhaus bezeichnet der frühere Heilbronner Prälat Paul Dieterich als eine „Wiege der Kultur“. Selbst ein Kirchenkritiker wie Friedrich Nietzsche sei in einem Pfarrhaus aufgewachsen. Am Rand seines Vortrags über Katharina von Bora hat er auf dem Egelsberg aber mehr über die Pfarrerehe gesprochen als über das Pfarrhaus. Weil er selbst seit 49 Jahren eine Pfarrerehe führt, wagte er es nun, dieses Thema öffentlich anzugehen.

„Die Hilfe durch unsere Frauen ist riesig“, sagte er und fügte hinzu: „Ich kann mir nichts anderes vorstellen. Die Pfarrerehe ist ein großes Glück. Es ist schön, wenn man nicht allein ist.“ Er sei heilfroh, dass in der evangelischen Kirche niemand zwischen Beruf und Ehe wählen muss, sondern sich für beides zugleich entscheiden kann: „Ich trete für die Pfarrerehe ein, bin aber dagegen, dass man anderen da Ratschläge gibt.“

Insbesondere möchte er sich mit Ratschlägen an die katholische Kirche zurückhalten. Trotzdem macht er sich seine Gedanken: „Als Prälat war ich für 600 Pfarrer zuständig. Da bekommt man viele Einblicke und denkt auch über das Zölibat nach.“ Der Beruf würde einem Pfarrer nämlich so viel abverlangen, „dass man es einer Ehefrau eigentlich nicht zumuten kann“. Es sei nicht immer schön, Pfarrersfrau zu sein.

Wer sich mit der Ehe von Pfarrern beschäftige, müsse auch über die Scheidung von Pfarrern nachdenken: „Nicht jede Ehe geht gut. Das ist bei Pfarrern nicht anders als bei anderen Leuten.“ Heute brauche deswegen niemand mehr den Beruf aufzugeben. Somit könne es passieren, dass ein Geschiedener das Abendmahl leitet.

Das käme demnach auch auf die katholische Kirche zu, sollte sie das Zölibat eines Tages abschaffen: „Das wäre ein gewaltiger Umbruch.“ Und noch einen Umbruch prophezeit Paul Dieterich für diesen Fall: „Für uns ist der Bischof ein Bruder, dem wir beistehen. Bei den Katholiken hat er eine andere Funktion. Da gilt er sehr viel mehr. Wenn ein Pfarrer verheiratet wäre und Kinder hätte, würde er sich wahrscheinlich weniger sagen lassen wollen von seiner geistlichen Obrigkeit.“ So betrachtet, hat das evangelische Pfarrhaus also tatsächlich eine eigene Kultur hervorgebracht.Andreas Volz