Oh, ich freue mich schon so auf unseren Ausritt!“ Mit diesen Worten marschiert die dunkelbraune Islandstute Brött los, Seite an Seite mit ihrer Freundin Snotra. Da nähert sich Muck, das kleine Shetland-Pony, das neu auf dem Hof ist: „Ihr macht einen Ausritt - darf ich mitkommen?“ Aber Muck bekommt eine Abfuhr: „Nein, wir wollen niemand anderen dabei haben“, schallt es ihm entgegen.
Natürlich sind es nicht wirklich Brött, Snotra und Muck, die sprechen, sondern Sina, Rebekka und Emely, die auf den Pferden sitzen oder sie führen. Die drei Mädchen nehmen an einem Projekt teil, das die Holzmadener Sozial- und Reitpädagogin Sarah Wittke und die Theaterpädagogin Ines Rosner aus Dettenhausen zum ersten Mal anbieten: Theater mit Pferden.
Eine Woche lang haben Sarah Wittke und Ines Rosner zusammen mit zwölf Mädchen zwischen sechs und zwölf Jahren ein Theaterstück rund ums Thema Freundschaft auf die Beine gestellt. Hauptdarsteller sind - neben den Kindern - sieben Pferde. „Die Kinder sprechen für die Pferde“, sagt Sarah Wittke. Verhaltensweisen von Menschen werden ebenso dargestellt wie die der Vierbeiner. „Wir haben überlegt, was Freundschaft für Menschen und für Pferde bedeutet und welche Gefühle im Spiel sind“, erzählt Sarah Wittke. „Und wir haben festgestellt, dass es da einige Parallelen gibt.“ Zum Beispiel, dass man abgelehnt wird, wenn man irgendwo neu dazukommt. Aber auch, dass sich anfängliche Skepsis in Freundschaft verwandeln kann. Das erlebt übrigens auch der kleine Muck am Ende des Theaterstücks.
„Vorgegeben haben wir den Kindern eigentlich nur das Thema Freundschaft“, sagt Ines Rosner. Ihr gehe es nicht darum, mit den Kindern ein vorgegebenes Stück einzuüben. Vielmehr sollen sie etwas ganz Eigenes schaffen. „Die Szenen, die Handlung und die Texte erarbeiten wir gemeinsam mit ihnen“, so Rosner. Präsentiert wird das Ergebnis des Workshops im Familienkreis als eine Art Theaterspaziergang. Je nach Szene geht es auf den Reitplatz, in den Hof oder die Halle.
Eine Schlüsselrolle spielt der Umgang mit den Tieren. Jedes Kind lernt, die Pferde zu putzen und aufzusatteln, sie über Boden-Hindernisse zu führen und auf ihnen zu reiten. Viel Zeit verbringen die Mädchen damit, die Körpersprache und das Verhalten der Pferde zu studieren. Das spiegelt sich in einer Szene des Theaterstücks wider: Die Kinder geben vor, Pferde zu sein, umkreisen einander, galoppieren durch die kleine Trainingshalle und kraulen sich das Fell. Für ein weiteres Highlight sorgt Ulf, der Irish-Tinker-Wallach: Er spielt mit einem Gymnastikball Fußball.
Ulf ist eines von drei Therapiepferden, die Sarah Wittke gehören. „Ich bilde meine Pferde selbst aus“, sagt die 35-Jährige. Bis die Tiere alles Notwendige gelernt haben, dauert es rund zwei Jahre.
Seit zehn Jahren bietet Sarah Wittke in Weilheim Heilpädagogisches Reiten an. Es eignet sich besonders für Kinder mit Verhaltensauffälligkeiten, Lernbehinderungen oder Konzentrationsschwierigkeiten. Aber auch Erwachsene, die unter Depressionen, Angst oder Burn-out leiden, können davon profitieren.
Neben dem therapeutischen Reiten hat Sarah Wittke in Weilheim regelmäßig Ferienkurse in ihrem Repertoire, darunter Ponytage für Drei- bis Fünfjährige, Ferientage für Schulkinder, aber auch Schnupperkurse für Erwachsene. Dass es eine Wiederholung des Theaterprojekts geben wird, steht für Sarah Wittke fest: „Es ist ein voller Erfolg, und es passt alles“, freut sie sich. Fast alles. Denn das Aprilwetter mit Schauern und eisigen Temperaturen erwischt die Theatergruppe immer wieder. Den Enthusiasmus der Mädchen und der beiden Pädagoginnen schmälert das jedoch nicht. Und wie Sarah Wittke lachend erklärt: „So können sich die Kinder schon mal aufs Reiterleben einstellen, da muss man eben bei jedem Wetter raus.“