Weilheim und Umgebung

Schwäbischer Fleiß und griechisches Herz

Romanos Antoniadis hat sich in Deutschland bestens eingelebt: „Nimm von beiden Mentalitäten das Positive raus“

Privat und beruflich weiß Roman, wo er anpacken muss: Seiner Tante hilft er beim Reparieren des Fahrrads, im Autohaus Velten hat
Privat und beruflich weiß Roman, wo er anpacken muss: Seiner Tante hilft er beim Reparieren des Fahrrads, im Autohaus Velten hat er seine Ausbildung absolviert.Fotos: Jean-Luc Jacques

Weilheim. „Als er in Deutschland ankam, trug er eine leichte Strickjacke und bibberte vor Kälte“, erinnert sich Jutta Bernauer und blickt ihren Neffen mit gespielter Strenge an. „Das erste was wir gemacht haben, war, ihm eine dicke Jacke und Handschuhe zu kaufen.“ Das liegt lange zurück. Seit Dezember 2011 und damit seit vier Jahren wohnt Romanos Antoniadis jetzt schon bei seiner Tante und hat sich inzwischen an Wetter, Mentalität, Essen und Sprache gewöhnt. Ursprünglich kommt der 22-Jährige aus Griechenland. Nach seinem Abitur beschloss er jedoch, nach Deutschland zu ziehen. „Ich liebe Autos. Und in Griechenland gab es für mich keine Perspektiven“, erklärt er. Seine Tante und ihr Mann zögerten nicht lange und erklärten sich bereit, ihren Neffe bei sich aufzunehmen.

Die beiden sind heute ein gutes Team. „Vor allem seit ich allein bin, bin ich froh über seine Unterstützung“, sagt die 59-jährige Weilheimerin, die selbst im Alter von drei Jahren von Griechenland nach Deutschland kam. „Jetzt bin ich sozusagen der Hausmeister“, schmunzelt Roman, wie ihn jeder nennt. Er hilft seiner Tante vor allem bei technischen Belangen. Doch so gut es heute läuft, das erste halbe Jahr war für beide schwer: „Anfangs sind zwei Welten aufeinandergeprallt“, erzählt Jutta Bernauer. „Er hatte seine Schwierigkeiten mit der Pünktlichkeit. Wir sind ständig angeeckt.“ Ihr Mann war da um einiges geduldiger, erinnert sie sich.

„Ich war ein bisschen locker“, gibt Roman zu. „Zu locker – so macho-mäßig“, neckt ihn seine Tante. Aber der junge Mann wusste auch, dass er sich Mühe geben muss: Sein Abitur wird in Deutschland nur als Realschulabschluss anerkannt und er sprach kein Wort Deutsch – schließlich war er zuvor erst ein einziges Mal in der Bundesrepublik gewesen. „Ich dachte mir: Dann fange ich eben von unten an“, berichtet Roman. Schon bald ging er in die Volkshochschule, um die neue Sprache zu lernen. Seine Kenntnisse konnte er ständig verbessern, denn sowohl zu Hause als auch in seinen Nebenjobs war er gezwungen, Deutsch zu sprechen. Als er jedoch eine Ausbildungsplatz suchte, begegneten ihm die Ausbilder mit Kopfschütteln. Er sei erst ein paar Monate hier, wie soll das gut gehen?, fragten sie. Dann bekam der hartnäckige Roman aber doch noch eine Chance: Das Autohaus Velten stellte ihn als Azubi ein. „Das war ein Sechser im Lotto“, sagt seine Tante stolz. Auch Roman blühte auf: Seine Noten in der Schule wurden in jedem Jahr besser, bis er seine Ausbildung kürzlich mit einem guten Zeugnis und zwei Belobigungen abschloss. An die deutsche Sprache hat sich Roman in der kurzen Zeit so gewöhnt, dass ihm heute sogar öfter einige griechische Wörter entfallen. „Die Fachwörter kenne ich sowieso nur auf Deutsch. Und im Betrieb habe ich sogar Schwäbisch gelernt“, grinst er. „Ich bin sehr dankbar für die Unterstützung, die mir das Autohaus Velten gegeben hat.“ Das ist auch eines der Dinge, die er an den Deutschen schätzt: Wenn jemand in seinem Beruf gut ist, unterstützen ihn die Kollegen. Auch von der Pünktlichkeit und Ehrlichkeit der Deutschen hat er nun eine hohe Meinung. Dagegen vermisst er hier das offene und warme Herz der Griechen. „Meine Mutter sagt immer: Wenn du von beiden Mentalitäten das Positive rausnimmst, kommt etwas sehr Gutes dabei raus“, lächelt er.

An den Griechen bewundert er ihre große Hilfsbereitschaft in der Flüchtlingskrise: Obwohl sie selbst wenig hätten, würden sie den Menschen gerne helfen. Auch er hat den Weilheimer Flüchtlingen warme Winterkleidung gespendet, da er sich an seine eigene Ankunft erinnert hat. „Hier in Deutschland sehen wir dagegen gerne alles schwarz“, bedauert Jutta Bernauer. „Aber für die Flüchtlinge ist es ein schlimmes Gefühl, ausgeschlossen zu werden.“ Auch Roman hatte anfangs mit Vorurteilen zu kämpfen. Ihm sei oft unterstellt worden, dass er kein Geld habe, weil er Grieche sei. Sich gegen solche Vorwürfe wehren zu können, motivierte ihn aber zusätzlich, Deutsch zu lernen.

Viele Menschen hier hätten auch vergessen, dass ihre Vorfahren selbst einmal Flüchtlinge gewesen sind, meint Jutta Bernauer. Sie plädiert für Verständnis und Hilfe statt Abneigung und Vorurteilen. Denn sie hat von ihrem Neffen gelernt: Wenn man etwas wirklich will, dann geht das. Und wenn man Menschen unterstützt und ihnen Chancen gibt, dann können sie in kurzer Zeit viel erreichen. Roman Antoniadis kehrt nun erst einmal in sein Heimatland zurück, um den Wehrdienst abzuleisten. Danach möchte er mit seiner griechischen Freundin zurückkommen, um sich eine Existenz aufzubauen. Auch sie lernt deswegen schon fleißig Deutsch. Er hofft, dann die Meisterschule besuchen zu können. „Mein größtes Ziel ist, meine Familie zu unterstützen.“

Romanos Antoniadis