Herzlich Willkommen, kommen Sie herein“, sagt Huda Almohamad in perfektem Deutsch und zeigt den Weg ins Wohnzimmer. Auf dem Tisch steht schon alles bereit: ein Kännchen mit arabischem Kaffee, kleine Mokka-Tässchen und traditionelles Gebäck. „Das ist die typische arabische Gastfreundlichkeit“, sagt die 23-Jährige. Huda Almohamad ist ein bisschen nervös. Das merkt man. Sie ist es nicht gewohnt, im Mittelpunkt zu stehen. Dabei gibt es nichts, weswegen sie sich verstecken müsste. Ganz im Gegenteil.
Ihre Geschichte beginnt in Syrien. „Ende Dezember 2012 sind wir aus meinem Heimatdorf geflohen und in ein Camp im Libanon geflüchtet“, erzählt die 23-Jährige. Zwei Jahre verbrachte Huda Almohamad in dem Flüchtlingslager. Wie schwer die Zeit für sie, ihre Eltern und ihre sieben Geschwister war, lässt sie sich nicht anmerken. Sie lächelt und sagt: „Es war nicht einfach, dort zu leben. Wir mussten alle arbeiten. Aber ich habe wichtige Erfahrungen für mein Leben gesammelt.“
Mehr Details verrät sie nicht. Viel wichtiger ist für sie nämlich das, was danach passierte. Nach zwei Jahren im libanesischen Camp erreichte die zehnköpfige Familie ein Anruf von der Flüchtlingshilfe: „Habt ihr Interesse daran, nach Europa zu gehen?“ Europa? So weit von zu Hause weg? - Das waren die ersten Gedanken ihrer Mutter. Doch Huda Almohamad war klar: „Nur dort haben wir eine Zukunft.“ Ihr Haus in Syrien wurde zerbombt, das Einzige, was die Familie noch besaß, waren die wenigen Habseligkeiten, die sie auf ihre Flucht mitnehmen konnten.
Also ging es im Januar 2015 nach Friedland in ein Landesaufnahmelager. Mit einem flauen Gefühl im Magen, wie Huda Almohamad verrät: „Ich hatte Angst vor dem, was mich erwartet.“ Unterkriegen ließ sie sich aber nicht. Nach 15 Tagen in Friedland wurde die Familie nach Holzmaden geschickt. An ihrem ersten Abend in der Flüchtlingsunterkunft setzte sich die 23-Jährige ein Ziel: „Ich will in sechs Monaten Deutsch lernen.“ Mehr als „danke“, „bitte“ und „ich liebe dich“ konnte sie zu diesem Zeitpunkt nicht.
Dass das Ziel von Huda Almohamad nicht einfach so dahingesagt war, merkte Renate Thursfield schnell. Die 66-Jährige war zu dieser Zeit ehrenamtlich beim AK Asyl tätig und brachte den Flüchtlingen Deutsch bei, während sie auf einen Platz in einem Kurs warteten.
Huda Almohamad hat gelernt und gelernt - und ist sogar mit ihren jüngeren Geschwistern in die Grundschule gegangen. „Ich wollte mit der Sprache in Kontakt kommen - egal wie“, erzählt die 23-Jährige. Die Syrerin hatte in ihrer Heimat das Abitur fast in der Tasche - eine Prüfung hatte sie sogar schon geschrieben, dann mussten sie und ihre Familie fliehen. Jetzt stand sie mit nichts in der Hand da. „Wir haben ihren Lehrer in Syrien kontaktiert. Er hat uns ein Formular zukommen lassen, in dem stand, das Huda den Realschulabschluss auf jeden Fall hat“, erzählt Renate Thursfield.
Zeugnisschnitt: 2,9
Im Sommer 2016 hatte die 23-Jährige ihren Deutschkurs auf B 2-Niveau beendet. Mit diesem Zertifikat und dem Formular ihres Lehrers konnte sich die 23-Jährige einen Traum erfüllen: In der Fritz-Ruoff-Schule in Nürtingen begann sie im September 2016 eine Ausbildung zur Erzieherin. Im Lenninger Kindergarten Tobelstraße fand die Syrerin einen Ausbildungsplatz. Ende Juni hat sie ihre Ausbildung beendet. Im September beginnt sie ihr Anerkennungsjahr im Dettinger Schülerhort. Wenn sie davon erzählt, funkeln ihre Augen. Sie ist glücklich, das merkt man. Nicht nur wegen ihrer beendeten Ausbildung, sondern auch, weil sie währenddessen noch ihre Fachhochschulreife gemacht hat - und zwar mit einem Schnitt von 2,9.
Huda Almohamad ist in Deutschland integriert. Sie weiß, was sie will, und setzt alles daran, es zu erreichen. Auf die Frage, ob sie Syrien vermisst, muss die 23-Jährige nicht lange überlegen: „Heimat bleibt Heimat. Aber ich fühle mich in Deutschland wohl und möchte hier bleiben.“ „Sie vereint eben das Beste aus zwei Welten“, fügt Renate Thursfield hinzu. Sie trägt eben beide Nationalitäten in ihrem Herzen.