Das Lindachtal ist ein Idyll. Nicht nur im Frühjahr, wenn rund um Neidlingen die Kirschbäume blühen. Der Blick von der Weißen Wand hinüber zum Reußenstein gehört zum Schönsten, was die Alb an Panoramen zu bieten hat. Der nahe Rastplatz „Bahnhöfle“ ist bei Wanderern und Radfahrern deshalb besonders beliebt. In den Felsnischen unterhalb der Burgruine Reußenstein brüten nicht nur Wanderfalken und Kolkraben, mitunter kann man dort sogar den Amtsschimmel wiehern hören.
Sein Echo hallt wider von der Pfannensteige. Ein sich sanft dahinschlängelndes Schotterband, das sich von Neidlingen quer durch den Wald hinauf zum Bahnhöfle zieht. Es ist nicht nur die logischste Verbindung beider Punkte, sondern auch die komfortabelste. Aufstiege mit ähnlich moderater Steigung sind am Albtrauf selten. Der Haken daran: Der beliebte Waldweg unterhalb des Reußensteins ist gesperrt. Nicht erst seit Kurzem, sondern seit knapp sieben Jahren. Damals wurde die Burgruine, die im Besitz des Landkreises ist, saniert. Dabei hat man festgestellt, dass von der Felsbastion Steinschlag droht. Erkennbar geschehen ist seitdem nichts. Weder Felsbrocken, die aus der Wand gebrochen wären, noch Arbeiten, die dafür gesorgt hätten, dass dies dauerhaft so bleibt.
Ein Ärgernis für Neidlingens Rathauschef Klaus Däschler, der mit der gesperrten Steige schon fast so lange lebt, wie er im Amt ist. Bei ihm häufen sich seit Jahren Beschwerden. Von Waldbesitzern, aber auch von Landwirten, die den Umweg über die Neidlinger Steige nehmen müssen, um auf ihre Äcker auf der Alb zu kommen, und die auf der acht Prozent steilen Landesstraße regelmäßig zum Verkehrshindernis werden. Obendrein ist die Pfannensteige auch ein Tourismusfaktor, denn über sie laufen mit dem Schwäbische-Alb-Radweg und dem Alb-Neckar-Radweg zwei landesweit bedeutsame Freizeittrassen.
Sperrung einfach ignoriert
Für Däschler ist die Sperrung daher vor allem eines: ein Reizthema. „Wir betreiben Tourismusförderung, versuchen die Leute hierher zu locken, und dort geschieht jahrelang nichts.“ Stattdessen müssen seine Bauhofmitarbeiter regelmäßig Absperrgitter aus der steilen Böschung fischen, die erboste Passanten einfach aus dem Weg geräumt haben. Auch Däschler weiß: Kaum einer hält sich ans Streckenverbot. Je länger die Sperrung dauert, desto größer die Zahl derer, die sie einfach ignoriert.
Dass die Pfannensteige kein x-beliebiger Waldweg ist, unterstreicht auch Steffen Genkinger, der das Forstrevier Sperberseck leitet. Nicht nur wegen des Erholungswerts des dortigen Waldes um Heimenstein, Bähnhöfle und Neidlinger Wasserfall. Der Wald ist auch Wirtschaftszone. Zwar ist der größte Teil dort Staatswald, doch vor allem im unteren Teil der Steige liegen rund 20 Hektar gemeindeeigene Forstfläche, die seit Jahren nicht bewirtschaftet werden können. „Wir würden es außerordentlich begrüßen, wenn hier endlich etwas geschieht“, bemüht sich der Revierleiter um einen diplomatischen Ton.
Inzwischen scheint es auch der Politik zu reichen. Die CDU-Fraktion im Kreistag hat das Thema jetzt aufgegriffen. Der Naturschutz habe natürlich seine Berechtigung, sagt Fraktionschef Sieghart Friz. Irgendwann müsse man jedoch zu einer Lösung kommen. „Das lässt sich der Bevölkerung ja nicht mehr vermitteln.“
Grund zur Hoffnung auf eine schnelle Lösung gibt es allerdings kaum. Weil für die Felssicherung geschützte Natur geopfert werden müsste, seien umfangreiche Untersuchungen nötig gewesen, erklärt Landratsamts-Sprecherin Andrea Wangner. Corona habe die Sache zusätzlich verzögert. In der Behörde geht man davon aus, dass Anfang des Jahres alle Gutachten vorliegen werden und das Verfahren fortgesetzt werden kann. Das klingt zunächst gut, hat aber einen entscheidenden Haken: Weil es sich bei dem Gebiet um eine sogenannte Fauna-Flora-Habitat (FFH)-Zone mit besonders schützenswerten Lebensräumen handelt, bedürfen Eingriffe der Genehmigung durch die EU-Kommission. Eine Antragstellung sei im Frühjahr in Abstimmung mit dem Stuttgarter Regierungspräsidium geplant, sagt Andrea Wangner und fügt hinzu: „Wie lange sich ein solches Verfahren durch die EU hinzieht, ist derzeit nicht bekannt.“ Mit einem längeren Zeitraum sei auf jeden Fall zu rechnen. „Im Moment lässt sich keine Aussage über eine Weiternutzung der Pfannensteige treffen“, meint die Behördensprecherin.