Weilheim und Umgebung

Städtle wird Vorreiter bei Pfandgeschirr

Umweltschutz Drei Weilheimer Gastronomen haben, unterstützt von der Stadt, Mehrwegboxen für ihren Mittagstisch eingeführt. Von Bianca Lütz-Holoch

Die Gastronomen Karl-Heinz Raff, Jesse Burgmann und Carla Sommer (hinten von links) präsentieren gemeinsam mit Daniela Braun (li
Die Gastronomen Karl-Heinz Raff, Jesse Burgmann und Carla Sommer (hinten von links) präsentieren gemeinsam mit Daniela Braun (links) und Sina Schmid von der Stadt die Schüsseln. Fotos: Markus Brändli
Das Mehrweggeschirr ist spümaschinenfest.
Das Mehrweggeschirr ist spümaschinenfest.

Mittagessen zum Mitnehmen boomt nicht erst seit der Corona-Krise. Doch so praktisch und zeitsparend es ist, sich schnell etwas zu Essen holen - übrig bleibt in der Regel jede Menge Verpackungsmüll. Drei Weilheimer Gastronomen wollen das ändern. Sie haben sich - unterstützt von der Stadt - zusammengetan und Pfandboxen für ihren To-go-Mittagstisch eingeführt. Damit sind sie Vorreiter in der Region rund um die Teck.

„Um das Thema Mehrweggeschirr kommen wir nicht herum“, ist Jesse Burgmann vom Restaurant Burgmann‘s überzeugt. Im Juni erst hat das deutsche Bundeskabinett beschlossen, Plastikteller und -gabeln sowie Fast-Food-Verpackungen aus Kunststoff zu verbannen. „Da ist es doch am besten, jetzt schon zu starten und vorbereitet zu sein, wenn das Verbot kommt“, so der Gastronom. Gemeinsam mit seinen Kollegen von der Ratsstube und der Gaststätte zur Post hat er sich dem Pfandsystem „Recircle“ angeschlossen.

„Wir fanden es wichtig, dass wir alle drei das gleiche System haben“, sagt Karl-Heinz Raff von der Gaststätte zur Post. Der Vorteil: Kunden können heute hier und morgen dort essen und die Boxen bei allen drei Restaurants ausleihen und zurückgeben. „Wir glauben, dass das in Weilheim gut funktionieren kann“, sagt Carla Sommer von der Ratsstube. „Es gibt viele Leute aus der Stadt, die sich jeden Tag Essen holen.“

Bereits im März hatte die Stadt Weilheim Gastronomen, Metzgereien, Bäckereien und Einzelhändler zu einem Treffen rund um Mehrwegverpackungen eingeladen. „Mit dem konkreten Projekt wollen wir das Thema Nachhaltigkeit in der Stadt weiter vorantreiben“, geht die Weilheimer Hauptamtsleiterin Daniela Braun auf die neuen Lunchboxen ein. 15 Interessierte waren zum ersten Treffen gekommen, drei Gastronomen haben den Schritt nun gewagt.

Von der großen Resonanz sind sie selbst überrascht: „Allein in der ersten Woche haben sich 30 bis 35 Prozent unserer Kunden für eine Pfandbox entschieden“, berichtet Karl-Heinz Raff. Auch im Restaurant Burgmann‘s gehen die auberginefarbenen Boxen weg wie warme Semmeln. „Viele sind neugierig“, weiß Jesse Burgmann. Zudem greift der Vorbild-Effekt: „Wenn ein paar Kunden mit ihren Boxen kommen, wollen die anderen auch eine umweltfreundliche Verpackung haben“, berichtet Carla Sommer.

Die größte Hürde ist das Pfand. Zehn Euro fallen pro Box an. Bei einem Hauptgericht und einem Salat in getrennten Boxen kommen also sogar 20 Euro zusammen.

„Bei uns hat angesichts der zehn Euro aber keiner mit der Wimper gezuckt“, berichtet Jesse Burgmann von seinen Erfahrungen der ersten Woche. Und bei Skeptikern hilft Aufklärungsarbeit: „Das Geld ist ja nicht weg“, betont Karl-Heinz Raff. Wer die Schüssel abgibt, bekommt seine zehn Euro zurück. „Das gilt auch dann, wenn sie kaputt ist.“ Für eine qualitativ hochwertige Schüssel mit Deckel, die recycelbar, spülmaschinen- und mikrowellenfest ist, sind zehn Euro ohnehin nicht allzu viel Geld, findet Carla Sommer: „Das gibt man doch auch für eine Tupperschüssel aus.“

Ganz wichtig - vor allem auch angesichts der Hygieneauflagen in Corona-Zeiten: „Das Essen wird immer in einer frischen, von uns gespülten Schüssel ausgegeben“, betont Carla Sommer. Alle Boxen, die Kunden zurückgeben, wandern in den Restaurants erst einmal in die Industriespülmaschine. „Sie sollten aber trotzdem schon sauber zu uns gebracht werden“, betont die Gastronomin.

Einwegverpackungen bieten die Restaurants nach wie vor an. Sie wollen zum Teil aber auch Anreize setzen und Essen in Mehrwegverpackungen günstiger anbieten als in Einwegverpackungen.

Dennoch ist Karl-Heinz Raff überzeugt: „Geld sparen wir Gastronomen durch die Boxen nicht.“ Zwar fallen die Kosten für den Kauf von Einwegmaterial weg. Dafür zahlen die Unternehmen für die „Recircle“-Schüsseln eine Lizenz- und Nutzungsgebühr und haben einen Mehraufwand durch Spülen, Abnutzung und Handling. „Letzten Endes geht es aber einfach darum, dass man es will“, sagt Karl-Heinz Raff.

Wer will, ist übrigens jederzeit willkommen mitzumachen. „Wir sind offen, und die Sache ist es wert“, betont Jesse Burgmann.

Auch die Stadt Weilheim unterstützt bisherige und neue Mehrweg-Pioniere. „Wir sponsern jetzt Papiertüten, in denen man bis zu vier Boxen tragen kann“, sagt Sina Schmid, die bei der Weilheimer Stadtverwaltung für das Thema Nachhaltigkeit zuständig ist.

Boxen sind recycelbar und spülmaschinenfest

Recircle kommt ursprünglich aus der Schweiz. Die Mehrwegschüsseln sind dort bereits bei zahlreichen Gastronomen im Einsatz. Das Unternehmen schreibt von über 1000 Standorten in der Schweiz. In Deutschland wird Recircle von der Firma Elithro mit Sitz in Stuttgart vertrieben. Hierzulande sind es bisher um die 100 Standorte.

Aubergine ist das farbliche Markenzeichen von Recircle. In Weilheim sind zurzeit drei verschiedene Boxen im Umlauf. Eine kleine und eine große Schüssel sowie eine Schüssel mit zwei „Abteilen“. Alle haben Deckel.

Die Boxen sind recycelbar, spülmaschinen- und mikrowellenfest. Sie bestehen zu 70 Prozent aus dem Kunststoff PBT (Polybutylenterephthalat) und zu 30 Prozent aus Glasfaser. Kaputte Boxen lässt das Unternehmen granulieren. Dann werden wieder neue Behälter daraus hergestellt.

In Kirchheim gibt es ebenfalls Bemühungen, Mehrweggeschirr einzuführen. Anfang September findet eine weitere Infoveranstaltung statt. Zudem ist in der neuen Agendagruppe Klimaschutz das Thema „Kirchheim plastikfrei“ ein Schwerpunkt.

Was Mehrweg-Lunchboxen angeht, ist Weilheim damit Vorreiter. Die Bäckerei Scholderbeck - ebenfalls mit Sitz in Weilheim - hat übrigens nach einem ähnlichen Pfandsystem in ihren Filialen den „Recup“-Kaffeebecher eingeführt und Pappbecher verbannt. bil