Weilheim und Umgebung
Tiny Houses warten auf den Durchbruch

Wohnen Familie Hepperle aus Neidlingen arbeitet an einem Muster-Mikrohaus. Das Interesse an Tiny Houses ist da, es fehlen aber geeignete Grundstücke. In den Städten beginnt man nun umzudenken. Von Bianca Lütz-Holoch

Wohnraum ist rar. Und dass die 300-Quadratmeter-Einfamilienvilla den ökologischen Fußabdruck ungebührlich vergrößert, weithin bekannt. Kein Wunder also, dass Tiny Houses, Mikro- und Modulhäuser immer mehr von sich reden machen. Familie Hepperle aus Neidlingen ist überzeugt, dass der Durchbruch der kleinen Häuser nur eine Frage der Zeit ist. Sie haben die Tiny Houses vor einigen Jahren ins Portfolio ihres Holzbauunternehmens aufgenommen. Zimmermeister Peter Hepperle und seine Frau Simone sowie wie die beiden Söhne Tim, ebenfalls Zimmermann, und Jan, der fürs Administrative zuständig ist, arbeiten derzeit gemeinsam mit einem Architekten an einem Muster-Mikrohaus.

„Von den winzigen Tiny Houses kommt man immer mehr weg“, weiß Peter Hepperle. „Gefragt sind jetzt kleine Häuser zwischen 35 und 50 Quadratmetern.“ Sie enthalten alles, was man braucht: Bett und Couch, Arbeitsplatz, Küche und Waschmaschine – alles kompakt auf kleinstem Raum untergebracht. Ganz wichtig ist für den Zimmermann der ökologische Aspekt. Zum Einsatz kommt hochwertiges Holz. „Wir wollen möglichst wenig Chemie und Kunststoff verbauen“, sagt Peter Hepperle. Sein Ziel: Hat das Tiny House ausgedient, sollen die Rohstoffe alle wiederverwendet, kompostiert oder sauber getrennt entsorgt werden können.

Holz aus dem Schlater Wald

Das Holz, das die Hepperles verwenden, kommt aus der Region. Zuletzt haben sie Weißtannen-Stämme aus dem Schlater Wald bei Göppingen geholt. „Jetzt sind wir dabei, uns ein mobiles Sägewerk anzuschaffen“, berichtet Jan Hepperle. Das Familienunternehmen macht sich damit auch weitgehend unabhängig vom internationalen Holzmarkt und setzt auf Nachhaltigkeit.

Das Potenzial der kleinen Häuser ist aus Sicht der Hepperles groß. Mikro- und Modulhäuser bieten sich für Studenten ebenso an wie für ältere Menschen, Singels oder Paare. Tim Hepperle etwa hat sich 2019 für sein Studium in Biberach ein Tiny House als Studentenbude gebaut.

 

Die Stadtentwicklung ist mehr denn je gefragt, innovative Konzepte zur Gestaltung alternativer Wohnformen zu erproben.
Svenja Beigl
 

Noch größer gedacht wird das Ganze an der Hochschule Esslingen: Auf dem Campus Göppingen könnte eine 6000 Quadratmeter große Tiny-House-Siedlung entstehen. Die Hochschule befindet sich derzeit in Gesprächen mit der Stadt. „Wir sehen bei den Tiny Houses vor allem den Vorteil, dass man flexibel auf Wohnraumbedarf reagieren kann, ohne dass eine große Infrastruktur mit den entsprechenden Kosten geschaffen werden muss“, betont Projektleiter Professor Dr. Ulrich Nepustil.

„Vielen Senioren fällt das große Eigenheim irgendwann zur Last“, geht Peter Hepperle auf eine andere Zielgruppe ein. Die Alternative zur oft ungeliebten Wohnung im Mehrfamilienhaus: ein frei stehendes Mikrohaus. Simone Hepperle kann sich zudem vorstellen, dass Kommunen oder Kirchen Minihäuser als Übergangs- oder Obdachlosenunterkünfte einsetzen.

„Mit Tiny Houses ließen sich auch kleine Baulücken oder Enkelgrundstücke vorübergehend nutzen“, sagt Peter Hepperle. Denn die Mikrohäuser passen nicht nur auf „Handtuchgrundstücke“. Sie lassen sich auch rückstandsfrei abbauen. „Wir nutzen keine Beton-, sondern Schraubfundamente“, erläutert der Zimmermann.

Schorndorf in der Vorreiterrolle

Eine Vorreiterin in Sachen Tiny Houses ist die Stadt Schorndorf: Um das Wohnungsangebot in der Innenstadt zu ergänzen, wurden spezielle Grundstücke für die kleinen Häuser ausgewiesen. „Es handelt sich um städtische Flächen, die sich für eine konventionelle Bauweise nicht eignen“, erläutert Svenja Beigl, die bei der Stadt Schorndorf den Fachbereich Wirtschaftsförderung und Grundstücksverkehr leitet. Der Ansturm war enorm: Auf die ersten fünf Parzellen haben sich 40 Interessenten verbindlich beworben. Seit September 2020 führt die Stadt zudem eine Interessentenliste für befristete Pachtgrundstücke zum Bau von Tiny-Häusern. 800 Menschen haben sich dort bisher registriert. „Vor diesem Hintergrund ist die Stadtentwicklung mehr denn je gefragt, innovative Konzepte zur Gestaltung alternativer Wohnformen zu erproben“, betont Svenja Beigl.

Kirchheim signalisiert Interesse

Auch in Kirchheim sind spezielle Flächen für Tiny Houses denkbar. „Das Thema wurde in der Verwaltung intern bereits diskutiert“, sagt Kirchheims Pressesprecher Robert Berndt. Man untersuche auch, inwiefern sich diese neue Wohnform zur Schaffung von Wohnraum eignet. Der große Haken: Auch wenn sie klein sind – man kann Mikrohäuser nicht einfach irgendwo hinstellen. „Es handelt sich aus baurechtlicher Sicht um Einfamilienhäuser“, sagt Robert Berndt. Es braucht eine Baugenehmigung, eine Zufahrt, Pkw-Stellplätze sowie einen Wasser- und Abwasseranschluss. Vorstellbar ist aus Sicht der Stadt Kirchheim, eine Fläche mit einer Kleinsiedlung, also mit mehreren Tiny Houses, zu planen und die kleinen Häsuer bei der Ausweisung neuer Wohngebiete gleich mitzuberücksichtigen. „Bisher ist die Nachfrage allerdings gering.“

Das Interesse bei den Kunden der Hepperles ist da. Allerdings fehlt es auch ihnen meist am Grundstück. „Gerade erst ist eine Interessentin deswegen abgesprungen“, berichtet Simone Hepperle. Dabei war das Mikrohaus schon fertig. Es wartet bei den Hepperles jetzt auf neue Käufer.

 

Digitale Bürgerinfo zum Thema Tiny Houses in Nürtingen

Die Stadt Nürtingen bietet am heutigen Donnerstag, 8. Juli, von 18 bis 20 Uhr unter der Überschrift „Leben auf kleinstem Raum“ eine digitale Bürgerinfo-Veranstaltung über den Videokonferenz-Dienst Zoom an. Dabei bringt sie alle Interessierten auf den neuesten Stand in Sachen „Tiny Houses“.
Vorgestellt wird die Grundidee dieser Wohnform. Im Anschluss berichten Svenja Beigl von der Stadt Schorndorf und Tim Wilhelm von der Stadt Bad Urach über deren Erfahrungen in der kommunalen Praxis. In schorndorf gibt es städtische Parzellen für Tiny Houses, im Bad Uracher Stadtteil Hengen bietet das Start-Up „Kleine Nachbarn“ Grundstücke mit bereits vorgeplanten Tiny Häusern an.
Welche Potenzialflächen und mögliche Konzepte für Tiny Häuser es in Nürtingen gibt, erfahren die Teilnehmer ebenfalls. Die Stadtverwaltung beantwortet auch Fragen. 
Die Zugangsdaten für die digitale Bürgerinfo gibt es auf der Homepage
www.nuertingen.de