Weilheim und Umgebung

Trudy Ederle schwimmt durch den Ärmelkanal*

Eine zielstrebige junge Frau mit Bissinger Wurzeln übertraf vor 90 Jahren die männliche Konkurrenz*

90 Jahre ist es her, dass Trudy Ederle die Welt in Staunen versetzte: Am 6. August 1926 durchschwamm sie den Ärmelkanal.

Trudy Ederle, der Kanalschwimmerin mit schwäbischen Wurzeln, wurde in ihrer Heimatgemeinde ein pompöser Empfang bereitet.Fotos:
Trudy Ederle, der Kanalschwimmerin mit schwäbischen Wurzeln, wurde in ihrer Heimatgemeinde ein pompöser Empfang bereitet.Fotos: Teckboten-Archiv

Bissingen. Die „International Swimming Hall of Fame“, die Ruhmeshalle des internationalen Schwimmsports, befindet sich in Fort Lauderdale im US-Bundesstaat Florida. Sie wurde 1965 von Johnny Weissmüller gegründet und besteht neben einem Archiv und einer Fachbibliothek aus einem großen Museum. Darin wurden bisher über 500 verdienstvolle Schwimmer, Wasserspringer, Trainer und Förderer des Schwimmsports aus 31 Ländern aufgenommen, die olympische Goldmedaillen sowie Weltmeistertitel und herausragende Weltrekorde erreichten. Aus Deutschland fanden einstige Weltstars wie Kornelia Ender und Roland Matthes Aufnahme.

Eine andere deutsch-amerikanische Schwimmgröße, die zu den ersten aufgenommenen Schwimmsportlern in der Ruhmeshalle gehörte, ist heute international nur noch wenigen Sporthistorikern ein Begriff. Allerdings kennt man sie noch in der Region um die Teck, denn ihre Familie stammt von hier: Gertrude Ederle. Sie schwamm zwölf Weltrekorde, gewann eine Gold- und zwei Bronzemedaillen bei Olympischen Spielen und durchschwamm vor 90 Jahren als erste Frau der Welt den Ärmelkanal. Damit galt sie Jahrzehnte rund um den Globus als Berühmtheit.

Gertrude Ederle wurde am 23. Oktober 1906 in New York geboren. Sie war die Tochter eines Metzgermeisters aus Schwaben. Die Familie Ederle war in Bissingen beheimatet. Während der Vater von Gertrude kurz vor ihrer Geburt in die Neue Welt ausgewandert war, blieben andere Mitglieder der Familie in Schwaben, darun­ter auch der Bauer Georg Ederle in Bissingen, dessen Sohn Wilhelm dann als Arzt in Tübingen Karriere machte.

Gertrude Ederle war mehrfach zu Besuch in Bissingen. Hier lernte sie im Bissinger See schwimmen. Das war ungewöhnlich für damalige Verhältnisse. Die Metzgerstochter war überhaupt ein ungewöhnliches Mädchen. Sie emanzipierte sich mit wohlwollender Duldung ihrer Eltern recht früh, trug ihre Haare sehr kurz und zog zum Schwimmen einen zweiteiligen Badeanzug an. Das war auch in New York nicht alltäglich. Aber vor allem ihre Schwimmzeiten sorgten für Aufsehen. Bereits mit zwölf Jahren stellte sie ihren ersten Weltrekord über 800 Meter Freistil auf. Elf weitere Weltrekorde folgten. Dann kamen die Olympischen Spiele von 1924 in Paris. Hier reifte die junge Frau zum Weltstar. Sie erkämpfte eine Gold- und zwei Bronzemedaillen. Ihre Stärke war ihre Ausdauer. Doch trotz ihrer herausragenden Leistungen als Schwimmerin, blieb sie im Schatten ihrer männlichen Konkurrenten.

Vielleicht deshalb wagte sie sich an eine Strecke heran, die zuvor nur wenige Männer bewältigt hatten. Das war der Ärmelkanal zwischen Dover und Calais. Die 34 Kilometer lange Strecke hatte unter den besten internationalen Landstreckenschwimmern den Ruf, den damals die Eiger- Nordwand in den Alpen für die Bergsteiger besaß. Das war eine besondere Herausforderung. Ihr Vater unterstützte sie. Als sie beim ersten Mal 1925 bei stürmischer See Salzwasser verschluckte und kurz die Hilfe des Vaters annahm, wurde die Deutschamerikanerin disqualifiziert. Das steigerte ihren Ehrgeiz nochmals. Gertrude Ederle trainierte hart und unter schwierigsten Bedingungen. Am 6. August 1926 war es dann so weit. Gertrude Ederle präparierte sich mit Olivenöl und Schmalz. Während der Strapaze verschlechterte sich das Wetter. Strömungen trieben sie ab. Dazu kamen Krämpfe. Doch die Ausnahmeschwimmerin hielt durch und legte die Strecke zwischen Cap Gris- Nez auf französischer Seite und der Steilküste von Dover in 14 Stunden und 32 Minuten zurück. Sie war damit trotz widriger Bedingungen über zwei Stunden schneller als der bisherige männliche Rekordhalter. Das galt als Sensation. Eine Frau stellte die Männerwelt in den Schatten. Das war eine Titelmeldung für die Weltpresse und machte Gertrude Ederle berühmt.

Doch die Anstrengungen hatten auch ihren Preis. Die Trommelfelle der Langstreckenschwimmerin wurden vom Salzwasser beschädigt. Gertrude machte aus der Not eine Tugend. Sie fungierte als Schwimmlehrerin für taube Kinder. Nach einer Wirbelsäulenverletzung und einer damit verbundenen Teillähmung erlernte sie mit eisernem Training ein zweites Mal das Laufen. Sie blieb unverheiratet, wurde durch den amerikanischen Präsidenten besonders geehrt und erlebte noch ihre Aufnahme in die Ruhmeshalle des Schwimmsports. Sie starb am 30. November 2003 in Wyckoff in New Jersey im Alter von 97 Jahren.

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Gertrud Ederledurchschwamm den Ärmelkanal am 6.8.1926Bissinger BŸrgerinBissingen
Gertrud Ederledurchschwamm den Ärmelkanal am 6.8.1926Bissinger BŸrgerinBissingen