Weilheim und Umgebung

„Unser Netz“ lebt die Inklusion

Angebote für Familien und Menschen mit Handicap – Druckfrische Broschüre bündelt Anlaufstellen

Hat sich „Unser Netz“ bislang eher um Senioren gekümmert, so nehmen die Verantwortlichen nun auch Familien und gehandicapte Menschen in den Blick. Dazu liegt für Owen, Lenningen und Erkenbrechtsweiler eine druckfrische Broschüre vor, die Anlaufstellen bündelt.

Trommeln für ein Miteinander. Wie beim inklusiven Sporttag des Kreisjugendrings in der Lenninger Sporthalle im Frühjahr, möchte
Trommeln für ein Miteinander. Wie beim inklusiven Sporttag des Kreisjugendrings in der Lenninger Sporthalle im Frühjahr, möchte „Unser Netz“ alle einbeziehen. Unterstützung gibt es dort jetzt auch für Menschen mit Behinderung genauso wie für Partnerschaft und Familie.Foto: Markus Brändli

Lenningen/Owen. „Es gibt ganz viele Angebote, vieles ist aber nicht bekannt“, sagt Tanja Baumann, die den Leitfaden für Familien maßgeblich zusammengetragen hat. Übersichtlich sind in dem mit fröhlichen Bildern daherkommenden, 30 Seiten umfassenden Heft, Adressen und Anlaufstellen versammelt, die Familien mit Kindern den Alltag erleichtern, in Notsituationen Hilfe leisten oder Tipps zur Freizeitgestaltung enthalten. Adressen und Telefonnummern beispielsweise von Kindergärten, Schulen, Büchereien und Tageselternverein finden sich darin ebenso wie die Kontaktdaten von Ärzten, Ergotherapeuten, Logopäden, Hebammen und Heilpraktikern. Auch Beratungsstellen rund um Erziehungs-, Familien- und Lebensfragen sind in der farblich übersichtlich gestalteten Broschüre aufgeführt. Wo es in Erkenbrechtsweiler, Lenningen oder Owen kein Angebot gibt, wandert der Blick über den Tellerrand in umliegende Ortschaften und Städte hinaus.

Erstellt wurde der Leitfaden, der die 2013 erschienene Version für Senioren ergänzt, von „Unser Netz“ und dem Verein „Aktives Helfen Erkenbrechtsweiler“. Die Druckkosten für die 3 000 Exemplare haben die Kommunen übernommen. In Lenningen und Owen wurde der Leitfaden über die Kindergärten und Schulen an die Familien verteilt, in Erkenbrechtsweiler steckte er in den Briefkästen. Auch Familien, deren Kinder beispielsweise die Verbundschule in Dettingen besuchen, kommen in den Genuss des Leitfadens. Auf den Internetseiten der drei Kommunen gibt es jeweils eine Webversion.

„Das Netz muss sich weiterentwickeln, außerdem kann man alte und junge Menschen doch gar nicht trennen“, so lautet die Überlegung von Tanja Baumann. Den Leitfaden wollen die Macherinnen als Initialzündung sehen. „Jetzt machen wir uns Gedanken, wo wir hin wollen“, sagt Claudia Baumann, Vorstandsmitglied von „Unser Netz“. Angedacht ist beispielsweise 2017 eine sogenannte Lebensstufenakademie, in deren Fokus die Familie steht. Motor ist eine fünfköpfige Gruppe von Frauen, die sich unter dem Schlagwort „Frauen für Frauen“ im Netz zusammengeschlossen, seit Sommer vergangenen Jahres an dem Leitfaden gestrickt und das Partner- beziehungsweise Familiencoaching als weiteres Projekt auf den Weg gebracht hat (siehe dazu unten stehendes Interview). Wer Bedarf hat, kann sich bei der Leiterin der Koordinationsstelle von „Unser Netz“, Gabriele Riecker, melden. Sie stellt den Kontakt zu der Familienberaterin Sybille Bizer her.

Ebenfalls neu ist die Begleitung für Familien und Menschen mit Handicap. Entstanden aus dem Inklusionsforum des Kreisjugendrings vor Ort, wollen Mütter, die Erfahrung haben mit Autismus, Lernbehinderungen, körperlichen oder geistigen Handicaps ihr Wissen in einem geschützten Rahmen weitergeben. Auch in diesem Bereich sollen bestehende Strukturen genutzt werden. „Wir müssen nicht wieder spezielle Angebote machen, sondern es ist selbstverständlich, dass alle teilnehmen“, sagt Claudia Baumann.

Eine Antriebskraft im Netz, auch für Menschen aktiv zu werden, die Angehörige mit Handicap haben, ist Gabi Kazmaier, Sie kennt den Wunsch, sich mit anderen Müttern auszutauschen. Wer Unterstützung braucht, hat jetzt die Chance, über das Netz niederschwellig Beratung zu bekommen.

Dick im Kalender anstreichen können sich Interessierte den 18. September. Um 20 Uhr präsentieren Jonas und Doro Zachmann im evangelischen Gemeindehaus in Oberlenningen ihr Buch „Ich mit ohne Mama! Knüller Jonas wird erwachsen.“ Jonas hat Down-Syndrom. Das hält ihn aber nicht davon ab, die Hürden des Alltags auf unverwechselbare Weise zu meistern. Karten für den Abend gibt es in Oberlenningen bei Edeka Sigel und bei Getränke Lamparter sowie in Kirchheim bei der Lebenshilfe.

Wer Unterstützung für Partnerschaft, Familie oder Begleitung für Menschen mit Handicap benötigt, kann unter der Telefonnummer 0 70 26/37 01 98 beziehungsweise per E-Mail an info@unser-netz.info unverbindlich Kontakt zur Leiterin der Koordinationsstelle Gabriele Riecker aufnehmen. Sie vermittelt an die entsprechenden Institutionen weiter.

BroschüreHilfen für Familien
BroschüreHilfen für Familien

„Jeder ist für seinen Brückenteil verantwortlich"nachgefragt

SybilleBizer
SybilleBizer

Wie kamen Sie auf die Idee, im Rahmen des „Netzes“ Familien- beziehungsweise Partnerschaftscoaching anzubieten?

Gibt es Lebensabschnitte, in denen es in Ehen oder Partnerschaften besonders häufig kriselt?

Inwiefern stellen Kinder eine besondere Herausforderung für die Beziehung dar?

Umgekehrt: Wenn Kinder schwierig sind, kann das ein Zeichen dafür sein, dass in der Beziehung der Eltern etwas nicht stimmt?

Woran hapert es in vielen Partnerschaften, in der ein Partner oder beide unzufrieden sind?

BIZER: Das ist sehr individuell. Doch oft werden ganz grundlegende Dinge vermisst oder sind verloren gegangen wie beispielsweise Wertschätzung, freiwillige Zuwendung, Annahme, Solidarität, Priorität, Vertrauen, partnerschaftliche Ergänzung und Eigenverantwortung.

Sie arbeiten gerne mit dem Bild einer „Holländischen Brücke“, um eine Partnerschaft zu versinnbildlichen. Können Sie das näher erläutern?

BIZER: Bei der „Holländischen Brücke“ stehen die zwei Brückenpfeiler für die Partner und die zwei beweglichen Brückenhälften für die Beziehung. Jeder Partner ist für seinen Brückenteil verantwortlich. Er kann ihn eigenverantwortlich hochklappen, womit die Beziehung unterbrochen wird und herunterklappen, womit er wieder seinen Teil der Beziehung herstellt. Damit ist die Dynamik einer Beziehung natürlich nicht umfassend darstellbar, aber im Wesentlichen leicht erfassbar und bearbeitbar.

Können sich bei Ihnen auch Ehepaare melden, die außerhalb von Lenningen, Owen oder Erkenbrechtsweiler wohnen?

Viele Ehepaare holen sich erst Hilfe, wenn das Kind schon in den Brunnen gefallen ist. Wann ist es denn Ihrer Meinung nach Zeit, sich Unterstützung zu holen?